Als zwei Freundinnen fast vergewaltigt wurden
Kennt ihr diesen Traum, in dem ihr ganz schnell weglaufen wollt, aber ihr kommt einfach nicht von der Stelle? Eure Füße kleben am Boden, ihr lauft schon so schnell ihr könnt, aber ihr habt trotzdem das Gefühl, dass ihr gleich eingeholt werdet? Zwei Freundinnen hatten vor drei Wochen so ein Erlebnis. Nur war es kein Traum, sondern Realität. So real, dass es ihnen nun Albträume beschert.
Komisches Gefühl
Es ist Mittwochabend. Sarah und Alina* kommen gerade aus dem Kino. Sie fahren gemeinsam mit der U6 zur Perfektastraße, wo Sarahs Auto steht. Sie unterhalten sich, lachen, haben Spaß. Nachdem sie bei der Station aussteigen, müssen sie noch einen kurzen Weg entlang einer Wiese durchqueren, bevor sie zum Auto kommen. Es ist finster und sonst niemand da. Was soll denn passieren? Die beiden sind eher sportlich angezogen, nicht sonderlich aufreizend unterwegs und sie sind immerhin zu zweit. Sarah erzählt gerade eine kurze Geschichte, als sie neben sich einen Mann in der Wiese vorbeijoggen sieht. Sie wird skeptisch. Warum läuft er in der nassen Wiese, wenn er auch den asphaltierten Weg benutzen könnte? Während die beiden Frauen weitergehen, beobachtet Sarah den Mann, wie er sich in den Schatten eines Baumes stellt. Da er sich offenbar unbeobachtet fühlt und nicht im direkten Licht der Straßenlaternen steht, beginnt er zu onanieren. Schockiert über diesen Anblick sagt Sarah zu ihrer Freundin, sie müssen jetzt laufen. Doch als Alina merkt, dass etwas nicht stimmt, überkommt sie ein komisches Gefühl. Sie möchte sich bewegen, doch ihr Körper lässt es nicht zu.
Wie in einem schlechten Film
Was dann kommt, scheint in Zeitlupe zu passieren. In den Köpfen der jungen Frauen spielen sich immer wieder diese Bilder ab, wie in einem schlechten Film. Als Alina endlich imstande ist, ihre Beine zu bewegen, ist es bereits zu spät. Der Angreifer hat längst begriffen, dass sie ihn entdeckt haben und eilt zu ihnen. Er stellt sich vor Alina just in dem Moment, als sie loslaufen möchte, woraufhin sie gegen ihn knallt und stürzt. In seinem offenbaren Triumph stößt er Geräusche von sich wie ein wildes Tier. Er hat wohl damit gerechnet, dass Sarah die Flucht ergreift und er nun die junge Frau, die vor ihm auf dem Boden liegt, für sich alleine hat. Doch Sarah kommt zurück und versucht ihn abzulenken, während Alina aufsteht. Die beiden Frauen schreien sich die Seele aus dem Leib, um den Angreifer in Panik zu versetzen.
Glück im Unglück
Der Mann scheint mit der Situation schlussendlich überfordert zu sein. Nach einigen weiteren Annäherungsversuchen bekommt er es mit der Angst zu tun und läuft davon. Auch die beiden Frauen haben sich inzwischen gefangen und laufen um ihr Leben. „Wenn er uns wirklich gefolgt wäre, hätten wir keine Chance gehabt. Er war so schnell“, erzählt mir Alina im Nachhinein. Ab ins Auto und dann nichts wie weg. Sogar als sie kilometerweit von ihm weg sind, haben sie noch immer das Gefühl, er sei dicht hinter ihnen.
So laut wie möglich schreien
Sarah und Alina gingen sofort zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Die Polizisten waren sehr fürsorglich und verständnisvoll. Sie wollten den beiden ihren Aufenthalt möglichst angenehm und unproblematisch gestalten. Die Beamten sagten ihnen, sie hätten in der Situation optimal gehandelt: „So viel Aufmerksamkeit wie nur möglich erzeugen und so laut wie möglich schreien. Wenn man Glück hat, ist ein anderer Passant in der Nähe. Oder der Täter bekommt einfach Panik.“
Lieber einmal zu oft fragen
Ich war immer so naiv, zu glauben, mir kann so etwas nicht passieren. Aber wenn es dann im engsten Freundeskreis geschieht, dann beginnt man darüber nachzudenken: Was wäre wenn … ? Für meine zwei Freundinnen ist die Sache klar. Sie fühlen sich nicht mehr sicher. Sie kaufen sich Pfefferspray. Sie gehen abends nicht mehr alleine raus. Sie fahren in der Nacht nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln – soweit sich das vermeiden lässt. „Wenn es sein muss, frage ich jemanden, der gerade mit mir aus dem Bus aussteigt, ob er mich kurz begleiten kann. Lieber einmal zu oft fragen, als alleine durch eine dunkle Gasse zu gehen und es im Nachhinein zu bereuen. Solche Bilder lassen dich nämlich nicht mehr los“, sagt mir Alina.
Bitte seid aufmerksamer!
Liebe Frauen, ich möchte keine Panik machen. Natürlich soll sich niemand in seiner Freiheit eingeschränkt fühlen. Ich bin die letzte, die ihr Leben aufgrund von Angst oder Panik einschränkt. Für mich wäre es das Schlimmste, wenn ich nicht mehr alleine rausgehen könnte und auf andere Personen angewiesen wäre. Es ist jedoch ein Aufruf, ein wenig aufmerksamer durch die Stadt zu gehen – vor allem bei Nacht. Wie viele von euch haben ihre Kopfhörer drinnen, wenn sie am Abend unterwegs sind? Wie viele starren unentwegt auf ihr Smartphone, ohne auch nur irgendwas um sich herum mitzubekommen? Und da will ich mich keinesfalls ausnehmen. Doch seit dem Vorfall gehe ich aufmerksamer durch die Straßen. Ich beobachte die Menschen um mich herum. Ich merke mir Leute, wenn sie mir aufgrund ihres Verhaltens auffallen. Und falls wirklich etwas sein sollte, kann ich viel schneller reagieren. Ich bin schneller, weil ich mich nicht erst sammeln und analysieren muss, was um mich geschieht.
Nichts passiert
Sarah und Alina waren zum Glück aufmerksam. Wer weiß, wie die Geschichte sonst ausgegangen wäre. Doch verarbeitet haben sie den Vorfall bei weitem noch nicht. Es ist ein langer Prozess bis sie wieder im Dunkeln einschlafen können, bis sie nicht mitten in der Nacht schweißgebadet aufwachen, keine Alpträume mehr haben und wieder alleine unterwegs sein können. Und das, obwohl „nichts passiert“ ist. „Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es Frauen geht, bei denen der Täter nicht die Flucht ergreift“, überlegt Sarah und muss schlucken.
* Namen von der Redaktion geändert
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