Der arabische Winter

21. Oktober 2015

Kairo. Letzten Montag war der zweite Tag der Parlamentswahlen, nur sind die eher ungewählt geblieben. Laut der ägyptischen Zeitung „Al-Jumhuriya“ liegt die Wahlbeteiligung gerade einmal zwischen 2 und 3 Prozent.

Warum macht keiner ein Kreuzerl hin?
Dieses Land hat zwei Revolutionen in kürzester Zeit erlebt, viel Bla-Bla gehört und durch eigene Entscheidung die hart erkämpfte Demokratie wieder dem Militär geschenkt- und das noch mit Handkuss.  Das Volk glaubt den ägyptischen Medien einfach nicht mehr, denn es gibt keinen einzigen Sender, der nicht für Diktator Al-Sisi spricht. Es gibt keinen Gegenwind mehr und wer versucht, diesen einzuführen, der wird aus dem Land verbannt. Man erinnere sich an den Satiriker Bassem Yossef, der durch Youtube (2011 während der ersten Revolution) bekannt wurde und so beliebt war, dass er sogar eine eigene TV-Show „Al-Bernameg“ („Die Show“) bekam. Der Inhalt dieser Show war die satirische Kritik an der ägyptischen Politk. Er wurde weltweit bekannt, doch das hörte mit der Regierung Al-Sisis auf. Bassem Youssef darf gar nicht mehr nach Ägypten. Der Entertainer, der eigentlich Herzchirurg ist, lebt nun in Cleveland und konnte vor einigen Monaten nicht einmal zur Beerdigung seines Vaters nach Ägypten zurück. 

 

Game Over, Alter!
Um noch einmal auf die Medien und die fehlende Recherche zurückzukommen. Es ist nicht bloß Recherche die fehlt, sondern Menschenverstand. Der – mittlerweile unfreiwillig als Kasperl gekürte- Moderator Ahmed Moussa, hat vor einigen Tagen mit unübersehbarer Überzeugung und Begeisterung vom Eingriff der russischen Armee in Syrien erzählt. Nicht nur das, er hatte sogar ein Beweisvideo, das seine Aussagen unterstreichen sollte. Der Haken: Das „Beweisvideo“ war eine Sequenz von einem Computerspiel, das schon über fünf Jahre alt ist.  Aber auch seine Kollegin sorgte vor kurzer Zeit für Wirbel. Die Moderatorin Riham Said, die eher für mysteriöse Fälle bekannt ist, ist – welch Überraschung- auch eine Anhängerin von Al-Sisi. Sie hat vor Wochen einen großen Lastwagen besorgt, der mit Kleidung und Lebensmitteln voll war, fuhr damit zu einem der Flüchtlingslager in Ägypten und „half“ damit den syrischen Flüchtlingen, indem sie ihnen erlaubte, übereinander für das ganze Zeug herzufallen und sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen- alles für die Kamera natürlich. Was ihr Ziel dabei war? Ganz einfach: Mit der Ägypten-Fahne in der einen Hand und dem Mikrofon in der anderen Hand hörte man sie sagen: “Wenn wir heute nicht von Al-Sisi regiert werden würden, würden wir Ägypter uns jetzt gegenseitig für den Kram die Köpfe einschlagen.“ Die Kritik aus den syrischen Medien ließ nicht lange auf sich warten. Zu ihrer Verteidigung hatte Riham Said nur dies zu sagen: "Ich zeige nur die Wahrheit."

Machen dich Mickey Mouse-Ohren wütend?
Aber nicht nur Medien und Wahlen herrscht Flaute, sondern auch im Internet muss man ganz gut aufpassen, was man macht. Psssst. Du wirst beobachtet. Letzte Woche ist ein Facebook-User namens Amr Nohan zu 3 Jahren Haft verurteilt worden, weil er mit der Hilfe von Photoshop die niedlichen Öhrchen vom Führer Al-Sisi zu Mickey Mouse-Ohren verarbeitet hat. Der liebe Amr ging damit entschieden zu weit, ist aber nicht der einzige, der wegen „politischer Verhetzung“ im Knast sitzt. Derzeit sitzen rund 42.000 „politische Verbrecher“ im ägyptischen Gefängnis. Ja, der arabische Frühling ist eiskalt.

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