Die verbotenen Frauen

17. März 2016

In Serbien ist Prostitution illegal. Das Land ist eines der letzten in Europa, das Sexarbeit verbietet. Das Geschäft mit der Liebe ist aber da. In der Gesellschaft, in den Medien und in der Politik. Wie passen Verbot und Wirklichkeit zusammen? Wer schafft Raum für Prostitution?

 

Dass Politik und Prostitution in einem engen Zusammenhang stehen, ist spätestens seit dem Skandal um Berlusconi und Strauss-Kahn bekannt. Letzerer, ehemaliger IWF-Chef, wurde wegen Zuhälterei angeklagt. Die Gesellschaft hat sich mit der Präsenz von Prostitution abgefunden, Sexarbeit ist fast flächendeckend legalisiert und akzeptiert. Fast, denn in Serbien ist Prostitution immer noch strafbar.

 

Die illegalen Frauen der Öffentlichkeit

Das Verbot von Sexarbeit in Serbien bedeutet: kein Schutz der Prostituierten, kein Anti-Diskriminierungsgesetz, kein Schutz von Minderheiten, kein Schutz vor Gewalt und Ausbeutung sowie keine sozialstaatlichen Rechte.

Jelena Milic, eine Mitarbeiterin des „Anti-Trafficking-Centre“ (ATC) in Belgrad, erklärt: „Wir denken, dass es die freie Entscheidung einer Person sein kann, in der Sexindustrie zu arbeiten. Wir sehen Prostitution nicht als Gewalt gegen Frauen an, sondern stellen fest, dass die Bedingungen, unter denen Sexarbeiterinnen zurzeit arbeiten, Gewalt ermöglichen und erleichtern.“

Die serbische Regierung beharrt auf dem Standpunkt, Prostitution bleibt illegal. Der Staat interessiert sich weiterhin nicht für die Situation der Sexarbeiterinnen, die NGOs, die für die Rechte der Benachteiligten kämpfen , besonders das ATC und JAZAS (Assoziation für den Kampf gegen Aids), fühlen sich im Stich gelassen. Denn: Jegliche Versuche der Annährung scheitern. Eines der vielen Beispiele, die sowohl Gesellschafts- als auch Regierungsbild wiederspiegeln: Im Jahr 2008 sollten zwei Prostituierte, die legal ihrer Arbeit nachgehen, aus den Niederlanden und den USA einen Vortrag über Sexarbeit an der philosophischen Fakultät in Belgrad halten. Nach etlichen Drohungen und provakanten Aussagen der Boulevard - Journalisten wie „Amerikanische Schlampe will serbische Studenten verderben!“, wurde der Vortrag abgesagt. Viktorija Cucic, rechtlicher Vorstand von JAZAS, äußert sich dazu: „Sex zu verkaufen ist in Serbien illegal, aber die Sexkäufer werden nicht geahndet. Gewalt, Ausbeutung und Diskriminierung werden nicht zum Thema gemacht. Ich bin froh, dass wenigstens unsere Studenten ein Interesse an der Misere zeigen.“

Politik und Prostitution

Ob es Fälle wie Strauss-Kahn und Berlusconi in Serbien gibt? Ja und zwar nicht zu wenige. „Press“, eine serbische Tageszeitung publizierte eine kontrovers diskutierte  Reportage-Reihe über Elite-Prostitution in Serbien. Eine Inspekteurin der Polizei Belgrad (PU Beograd) bestätigt, dass Elite-Prostitution im engen Zusammenhang zur Wirtschaft und Politik steht. „Die Prostitution wird nicht bestraft, wenn hohe Tiere sie fördern. Elite-Prostituierte genießen in Serbien den Schutz reicher Leute und sogar Abgeordneter des Parlaments.“, so Dragana Starcevic, PU Beograd. Laut Polizeiangaben wird auch diese Art von Prostitution geahndet, nur meist ohne Erfolg. Die Elite-Prostitution ist gut organisiert und verdeckt, die Orte der Zusammentreffen wechseln wöchentlich. Die Rolle der Frauen bei solchen Treffen wird meist als Eskortdienst verharmlost. Der Versuch, die Sexarbeiterinnen zu inhaftieren, scheitert ebenso wie der Versuch die gutzahlenden Kunden aufzudecken. Eine berühmte „Starlet“, der Prostitution vorgeworfen wurde – „Mimi Oro“ - kam nach 48 Stunden in Gewahrsam wieder auf freien Fuß. Kaution gestellt - von wem - unbekannt.

Gesetz ohne Wirkung

De facto bleibt eine Novellierung des Prostitutionsgesetzes weiterhin ein Wunschdenken in der serbischen Regierungspolitik. Sexarbeit wird durch das Verbot nicht eliminiert, das Verbot verkompliziert die Situation schwerwiegend: Die Frauen werden zur leichten Beute, genießen keinen Rechtsschutz und riskieren hohe Haftstrafen.

Das älteste Geschäft der Welt wird sich durch Verbote nicht verdrängen lassen, Prostitution ist in jeglicher Gesellschaft präsent – ob gewollt oder ungewollt.

„Die Gewalttätigen sind die Politiker und Businessleute, die schlagen auch gern mal beim Sex zu. Sportler und Kriminelle sind bei uns Elite-Prostituierten am liebsten gesehen – sie behandeln uns wie Frauen und nicht wie Objekte“, so Aleksandra, eine serbische Sexarbeiterin.

 

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