„Frauen sind zu emotional, um zu regieren.“

20. September 2022

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Foto: Pixabay.com

Eine Wahl, sieben alte weiße Männer und keine Frau. Diese magere Auswahl zur diesjährigen Bundespräsidentschaftswahl stoßt mir und vielen weiteren Frauen sauer auf.

„Schon wieder stehen nur ein paar alte weiße Männer zur Wahl. Wer hätte das gedacht?“ erzähle ich augenrollend und mit einem ironischen Unterton meinem alten Unikollegen Eugen*. „Eine Frau wäre nicht in der Lage ein Land zu regieren.“ erwidert er mir nur trocken. „Sie sind einfach zu emotional. Das ist nun mal die Natur“ fügt Eugen noch hinzu. Ich bin geschockt über seine Sichtweise. Wie kann es sein, dass man in einem Land wie Österreich, in dem die Hälfte der Wahlberechtigten Frauen sind, sowas von sich gibt?

Am 9. Oktober findet in Österreich die nächste Bundespräsidentschaftswahl statt. Zur Auswahl stehen sieben Kandidaten, von denen alle samt männlich sind. Unter der weiblichen Bevölkerung sorgt diese eintönige Auswahl für Aufregung.

Mir geht die Aussage, dass Frauen einfach zu emotional sind, nicht aus dem Kopf. Diese patriarchal geprägte Denkweise hat sich so stark in unseren Köpfen verankert, dass wir sie nicht mal hinterfragen. Wenn ein Mann sich durchsetzen kann, mal lauter wird und seine Meinung kundtut wird er als das perfekte Oberhaupt gesehen. Er ist dann selbstbewusst und all das, was wir in einem Bundespräsidenten brauchen. Wenn jedoch eine Frau genau die gleichen Eigenschaften vorweisen kann, dann ist sie sofort zickig, emotional und unberechenbar. Wenn sie allerdings eine ruhige und gelassene Art hätte, dann wäre sie zu verweichlicht und könnte kein Land führen. Es ist egal wie eine Frau sich in unserer Gesellschaft zeigt. Es ist niemals passend.

„Kolinda beach sexy“

Es ist eine Seltenheit, dass Frauen hohe politische Ämter antreten. So selten, dass wenn sie es tun, ihnen unterstellt wird nur die Frauenkarte zu spielen. Ihre Qualitäten werden runtergespielt und sie müssen sich doppelt so stark beweisen wie ihre männlichen Kollegen. Wenn sie es schaffen und tatsächlich gewinnen, werden sie häufig unglaublich stark sexualisiert. Man werfe einen Blick in meine Heimat Kroatien. Kolinda Grabar-Kitarović war von 2015 bis 2020 Staatspräsidentin Kroatiens. Zu ihrer Amtszeit wurde sie zu einer Google-hit-Suche. Allerdings nur aufgrund ihres Aussehens. „Kolinda Bikini“ und „Kolinda beach sexy“ sind die ersten Google Vorschläge, wenn man ihren Namen in die Suchleiste tippt. So geht es vielen Politikerinnen und womöglich sind diese unangenehmen Reduzierung aufs Äußere sowie die Abschreibung der Fähigkeiten auch Gründe weshalb viele Frauen erst gar nicht antreten möchten.

„Wahl zwischen sieben Männern ist eine Schande für uns Frauen!“

Für Irmgard Griss ist die bescheidene Auswahl eine reine Katastrophe. „Wahl zwischen sieben Männern ist eine Schande für uns Frauen!“ stellt sie in einem Artikel im Profil fest. Sie hat vollkommen Recht. Es kann doch nicht sein, dass wir Frauen bei einer so wichtigen Angelegenheit nur zwischen verschiedenen Männern wählen können. Laut Griss sind aber nicht nur die Herren der Schöpfung daran schuld. Wir Frauen müssten uns ermutigen und gegenseitig Kandidatinnen für solche Positionen vorschlagen. „Ich hätte 2016 nicht als unabhängige Kandidatin kandidiert, wäre ich nicht von vielen ermuntert und dann auch unterstützt worden. Dass diesmal keine Frau kandidiert, liegt daher auch an uns allen.“ erzählt die Politikerin. Doch auch von den Parteien ist Griss enttäuscht. „Was eine Schande ist: dass keine einzige der fünf Parlamentsparteien es für wert gefunden hat, eine Frau für die Wahl aufzustellen.“ Ich kann Ihre Wut verstehen, jedoch blicken wir hier auf ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es stimmt, sie benötigen die Ermutigung und den Rückhalt der einzelnen Parteimitglieder. Wie bereits oben beschrieben gibt es aber noch viele weitere Hemmschwellen, die die Frauen daran hindern sich für so eine Wahl aufzustellen. Wir müssen die Sexualisierung und die Diskreditierung der einzelnen Politikerinnen stoppen. Das bloße Antreten der einzelner Frauen reicht nicht aus.

Ganz egal ob ich mit Freundinnen oder Unikolleginnen über das Thema spreche. Wir kommen immer zum gleichen Entschluss: Wir fühlen uns nicht repräsentiert. Ganz im Gegenteil. Wut macht sich in uns breit. Es muss sich endlich etwas ändern. Wir dürfen uns nicht von Sexualisierungen und  Stereotypen einschüchtern lassen. Es ist vor allem für mich unheimlich enttäuschend. Ich bin eine Frau mit Migrationshintergrund ohne Wahlberechtigung. Ich kann nur zusehen, wie die österreichische Bevölkerung jemanden wählt, der mich in keiner Weise widerspiegelt, geschwiege denn versteht.

 

*Name von der Redaktion geändert.

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