Habt endlich Angst vor dem Virus

10. März 2020

Coronavirus

Ganz Italien ist wegen dem Coronavirus eine Sperrzone.
Unsplash

Ganz Italien ist zur Sperrzone erklärt worden, während viele Menschen in anderen Ländern immer noch so tun, als wären sie immun und als sei das nicht auch ihr Problem.


Ich scrolle durch mein Facebook-Feed als ich auf einem Post hängen bleibe. Nein. Der italienische Premierminister Conte führt nun die Coronavirus-Maßnahmen für ganz Italien ein. Nein. Der nächste Post, ein Live-Video: Conte spricht in einer Pressekonferenz. Klick. Er erklärt, dass ab sofort die Maßnahmen, die bis jetzt nur für die Lombardei und wenige andere italienischen Regionen im Nord gültig waren, von nun an für das ganze Land gelten. Auf Nacht wird ganz Italien eine Sperrzone.

Das ganze Land ist nun ein großer „Schutzraum“, so Conte. Vorrausichtlich bis zum 3. April ist die Reisefreiheit aufgehoben und nur im Sonderfall erlaubt. Schulen und Unis bleiben ebenso lang weiterhin bundesweit geschlossen, allen Italienerinnen und Italienern wird empfohlen zu Hause zu bleiben. Die Zahl der mit Coronavirus infizierten Menschen in Italien liegt am Montagabend bei 7.985, die Zahl der Toten ist auf 463 gestiegen. Die Ausweitung der Maßnahmen auf Landesebene ist also sinnvoll, die Krankenhäuser im Norden Italiens sind bereits ausgelastet, denn es fehlen die Plätze in der Intensivstation – es dürfen also nicht alle auf einmal erkranken. Das hält kein Gesundheitssystem aus.

Am Ende der Pressekonferenz stellen Journalisten dem Premierminister Fragen: Hat der Premierminister denn mit dem Präsidenten Mattarella darüber gesprochen? Reichen die 7,5 Milliarden Euro der Europäischen Union für die Stabilität der italienischen Wirtschaft? Angesichts des schlimmen Tages in den Weltbörsen… Politisches Zeug.

Als die Fragen beantwortet sind, lege ich mein Handy zur Seite. Ich will nach Hause, nach Mailand, ich will zu meiner Familie und zu meinen Freunden. Aber ich kann nicht. Ich kann nicht, weil mein zu Hause in der Sperrzone liegt.Aber was ist, wenn die Sperrzone verlängert wird und die Ein- und Ausreisefreiheit weiterhin verboten ist? Wann sehe ich meine Familie wieder? Was machen jetzt meine Freunde?

Das Virus macht keinen Halt vor Grenzen

Später sehe ich auf Instagram, wie viele Menschen aus meinem Bekanntenkreis in Österreich oder Deutschland unterwegs sind und ihr Leben wie immer leben: Sie besuchen eine Vorlesung, gehen im Restaurant Essen, ins Theater, sitzen im Zug, trinken in einer Bar. Das macht mich wütend.

Habt ihr denn nichts gelernt? Seht ihr nicht was passiert, wenn man leichtsinnig mit dieser Epidemie umgeht? Warum seid ihr nicht vorsichtig? In Deutschland wird gerade diskutiert, ob man Veranstaltungen mit über 1000 Menschen verbieten sollte. Es gibt auch keine magische Trennwand zwischen Italien und den anderen Ländern. Die Grenzen sind nur imaginär, dem Virus ist das vollkommen egal ob da jetzt Italien, Schweiz, Österreich oder Deutschland ist. 

Anders als China, das anfangs versuchte, die Existenz des Coronavirus zu vertuschen, ist Italien von Anfang an transparent gewesen. Jeder weiß Bescheid, wie viele Fälle es gibt. Auch wenn das schlecht für die Wirtschaft und das Image ist – egal. Der einzige Weg ist der, der Eindämmung. Dafür müssen die Fakten auf dem Tisch liegen und jetzt muss ein ganzes Land stillstehen und zusammenhalten. Auch die World Health Organization (WHO) ruft zu Vorsorgemaßnahmen auf.

Die Medien berichten ununterbrochen, das stimmt. Aber es ist doch gut, wenn wir Angst davor haben. Keine Panik, sondern gesunde Angst und Respekt. Das macht uns vorsichtiger und aufmerksamer. Denn es mag sein, dass das Ganze übertrieben ist, aber es ist auch real.

Mein Vater ist Kleinunternehmer und macht sich Sorgen um seine Arbeit, die noch auf persönliche Kundenbesuche und Treffen basiert. Wie soll das jetzt gehen, ohne Rumreisen und Händeschütteln? Das ist real.

Eine Freundin von mir hatte noch überlegt aus der Lombardei zu flüchten, weil ihr Freund unterwegs war, als die erste Sperrzone in der Lombardei aufgestellt wurde. Nun müssen sie beide auf ein Widersehen warten. Das ist real.

Eine alte Kollegin erzählte, dass sie kein Home-Office machen kann und sie deshalb mit Mundschutzmaske voller Sorge im Büro sitzt. Das ist real.

Also bitte, werdet endlich vorsichtig. Wascht euch die Hände, niest und hustet in eurem Ellenbogen, kommt den Menschen nicht zu nah, keine Umarmungen, kein Bussi-Bussi, meidet große Veranstaltungen und folgt sonst noch dem, was die Behörden sagen, empfehlen, befehlen. Das ist nicht nur ein italienisches Problem, sondern von uns allen.

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