Hoch die Regenbogenfahnen!
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Der Pride-Month geht zu Ende, Regenbogen überfluten das Stadtbild. Diversität ist hip geworden. Während in Ungarn das Anti-LGBTQ-Gesetz beschlossen wird, die deutsche Allianz-Arena nicht in Regenbogenfarben aufleuchten darf aber CDU-Politiker weiterhin fleißig ihre Profilbilder färben, hat sich Redakteur Sven Beck in Ungarn selbst ein Bild gemacht und ist der Frage nachgegangen, wieviel Image-Politik hinter dem Regenbogen-Trend steckt.
„Es wäre ein Riesenzeichen gewesen.“, sagte mir Andras Kocsis, ein 27-jähriger schwuler Designer aus Budapest, zur Debatte um die Allianz-Arena. Ich habe die letzten Tage in Ungarn verbracht, um mir nach dem neuen Anti-LGBTQ-Gesetz ein Bild zu machen. Als die Münchener Kommunalregierung vorhatte, beim Spiel Deutschland-Ungarn das Stadion in Regenbogenfarben leuchten zu lassen, stieß das unter Aktivisten in Deutschland und Österreich auf Kritik. Denn: Dieselben Politiker sprachen sich noch vor einigen Jahren gegen die Ehe für Alle aus, jetzt würden sie lediglich dem Trend folgen. Berechtigt. Allerdings: Was in Österreich als Heuchlerei abgestempelt wird, zum Beispiel eine Regenbogenflagge an einem McDonalds, bleibt in Ungarn nur ein Traum. „Deutschland, Deutschland, homosexuell!“, riefen die Fans beim Spiel gegen die deutsche Mannschaft, dass ich beim Public Viewing sah. Während ein deutscher Flitzer mit Regenbogenfarben auf das Spielfeld rannte, wäre die Suche nach den Pride-Farben in dieser Fan-Masse vergeblich. Die LGBTQ-Rechtsaktivistin Luca Dudits sagt mir über die ungarische Bevölkerung: „Sie sind nicht homophob, die meisten kommen einfach nie mit diesem Thema in Kontakt. Daher ist es leicht für Orban, Schwule als Feinde zu instrumentalisieren.“
Nur zynische Symbolpolitik?
„Bei so einem beleuchteten Fußballstadion würde man fast vergessen, dass Homosexualität in Deutschland erst seit 1994 nicht mehr strafbar ist.“, schreibt der Account @elhotzo ironisch auf Instagram. „Gerade die CSU klüngelt seit Jahren mit der Regierung Orban, ein Statement ist hier wirklich nicht ernst zu nehmen.“, schreibt er in die Caption darunter. Und es stimmt ja, solche Symbole scheinen zynisch, wenn schwule Menschen immer noch öffentlich angegriffen und beleidigt werden. Sie ändern auch nichts an der Gesetzeslage etwa in Österreich, die es schwulen Männern schwer macht Blut zu spenden und keinen Schutz gegen Diskriminierung gewährleistet. In Österreich dürfen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus Lokalen, Taxis und sogar Wohnungen geworfen werfen, das ist hierzulande nicht verboten. Die Rufe nach echter Gleichberechtigung schallen verständlicherweise laut an die Legislative und die Flaggen und Farben in der ganzen Stadt machen einfach nur wütend.
Trotzdem glaube ich: Der Trend ist ein erster Schritt. Bunte Fahnen ändern Menschen nicht. Aber, so stupide das klingt: Sie zeigen der breiten Masse, dass LGBTQ existiert, dass Queerness ein ganz normaler Teil der Gesellschaft ist, dass es sie lediglich bunter macht. Denn, was in Ungarn das Leben der LGBTQ-Community schwer macht ist eine indoktrinierte Homophobie in weiten Teilen der Bevölkerung. Die Aktivistin Luca Dudits sagt: „Die Lage wäre sicher anders, würden die Ungarn mit der Community einmal überhaupt in Kontakt treten.“ Was man gut kennt, kann man schwerer hassen. Deswegen: Hoch die Regenbogenfahnen!
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