Ist Apartheid wirklich zu Ende?

24. Januar 2017

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kapstadt Südafrika
Foto: Artur Zolkiewicz

 

Meine Zeit in Kapstadt ist fast vorbei. Ich habe in dieser wunderschönen Stadt vier Wochen verbracht, die mir viel Motivation für das Jahr 2017 gebracht haben. 

 

Ich kann nicht sagen, dass ich Afrika oder gar Südafrika erlebt habe: Erstens, weil ich wegen meines Jobs unter der Woche immer in Kapstadt sein musste und zweitens, weil ich nicht finde, dass Kapstadt das wahre Afrika abbildet. Trotzdem bin ich in die Stadt verliebt. 

 

Nur an Wochenenden konnte ich aus der Stadt raus und die Gegend der “Mother City” besichtigen. Auch dann bin ich aber meistens in die Orte gefahren, die von den Reiseführern als sehenswert bezeichnet werden und mir von meinen Bekannten empfohlen wurden. Ich habe tatsächlich sehr viele wunderschöne Aussichten bewundern können. Aussichten, die ich bisher in  keinem anderen Land der Welt sehen konnte. 

 

Ich habe mich an den Stränden gesonnt, die zu den schönsten der Welt gezählt werden und an jeder Ecke die Schönheit der Natur bewundert. Ich bin den Tafelberg raufgeklettert und habe von der Spitze den Ozean und die Stadt beobachtet. Ich habe Sonnenuntergänge gesehen, die für immer in meiner Erinnerung bleiben werden und Gerichte gegessen, deren Geschmack ich nie vergessen werde.

 

Stadt der Kontraste

Doch Kapstadt ist nicht nur eine Stadt, in der man an jeder Ecke wunderschöne Aussichten bewundern, sich an den schönsten Stränden sonnen oder das beste Essen genießen kann. Kapstadt ist auch eine Stadt, in der man an den extremen Unterschieden zwischen arm und reich nicht gedankenlos vorbeigehen kann. 

 

Ich war schon in vielen Städten, in denen es diesen Unterschied gibt: Mexiko, ein paar Städte in Asien, aber auch einige europäische und amerikanische Städte. Die Situation hier in Kapstadt unterscheidet sich aber von allen, die ich bisher gesehen habe.

 

An jeder Ecke mit einer wunderschönen Aussicht gibt es ein paar arme Bettler, an jeder Kreuzung gibt es Menschen, die einem was verkaufen wollen oder einfach nur nach Geld fragen. Man sieht überall in der Stadt, dass es extrem viele arme Menschen gibt. Das Schlimmste daran: Fast alle dieser Menschen sind schwarz. Ich habe während meines Aufenthalts hier nur zwei weiße Bettler gesehen. Die Zahl der schwarzen Männer und Frauen, die ich bettelnd gesehen habe, war zu groß, um zählen zu können.

 

 

Die extreme soziale Ungleichheit scheint sich immer noch nach Hautfarbe zu sortieren. 

 

Ganz anders sieht dieses Verhältnis in den vielen schönen Restaurants und trendigen Lokalen  aus. Die arbeitenden Menschen sind schwarz, die Gäste sind zumeist weiß. Es gibt natürlich auch schwarze Gäste, diese gehören aber der Minderheit der Besucher an. 

Auch die schönsten Häuser gehören zumeist den weißen Kapstädtern. 

 

 

Schuldgefühle

Ich habe zwar all die schönen Dinge sehr genossen, ich hatte dabei aber immer das Gefühl, schuldig zu sein. Ich habe mich schuldig gefühlt, dass ich wegen meiner Hautfarbe mehr geschätzt werde. Die Idee, dass ein Mensch mehr wert oder besser ist, nur weil er eine andere Hautfarbe hat, ist mir so fremd, dass ich es nicht mal in Worte fassen kann. 

 

Ich weiss, dass ich hier nicht lebe und dass ich diese Stadt nur für eine kurze Zeit besuche. Ich weiss, dass ich mit dem Geld, das ich ausgebe, zu einem gewissen Grad die Ökonomie des Landes unterstütze. Ich weiss, dass ich an dieser Situation nicht schuldig bin. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass ich auf eine seltsame Art und Weise zu dieser Situation beitrage. 

 

Veränderung

Es geht nicht nur mir so. Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die Kapstadt ebenfalls für eine kurze Zeit besuchen oder woanders herkommen und seit relativ kurzer Zeit in Südafrika leben. Es gibt Hoffnung: Es entstehen Initiativen, in denen man versucht, über die Probleme des Landes zu sprechen und Lösungen zu finden. Eine Freundin von mir kommt aus Österreich und lebt in Kapstadt seit zwei Jahren. Sie ist sehr engagiert und veranstaltet eine Reihe von Events mit, die Geld für Townships beschaffen. Sie besucht regelmäßig THINK.Thursday, eine Veranstaltung, die sich darauf fokussiert “positive Veränderung in der Gesellschaft zu kreieren”.

“Die Crowd ist gemischt und es gibt immer einen Sprecher, der seine Ideen präsentiert. Danach nehmen die Teilnehmer des Events an einer Diskussion teil.” sagt sie über die Veranstaltung. 

Ich wurde eingeladen, leider findet das erste Event dieses Jahres an dem Tag statt, an dem ich nach Hause zurückfliege. 

 

Unequal Scenes

Einer der THINK.Thursday-Sprecher war Johnny Miller, ein Fotograf, der das Projekt “Unequal Scenes” ins Leben gerufen hat. Mithilfe von Drohnenaufnahmen filmt er Städte und zeigt, wie extrem man die Unterschiede zwischen Armen und Reichen aus der Vogelperspektive sehen kann. Diese Bilder sagen wirklich mehr als tausend Worte.

 

 

Meine Hass-Liebe

Ich kann nicht lügen: Ich liebe Kapstadt. Es ist eine wunderschöne Stadt. Auch die kleinen Teile Südafrikas, die ich sehen konnte, haben bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen. Andererseits kann ich aber das Gefühl nicht loswerden, dass, obwohl die Rassentrennung theoretisch 1994 von Nelson Mandela beendet wurde, es die Apartheid in den Köpfen mancher Menschen immer noch gibt. 

Es ist, als würde man in einem Restaurant essen, das mit einem Michelin Stern ausgezeichnet wurde. Man bekommt eine ausgezeichnete Vorspeise, die Hauptspeise schmeckt sogar noch besser und als Nachspeise wird einem eine McDonald’s Apfeltasche serviert. Das haut das ganze Erlebnis zusammen. Man geht heim ein wenig enttäuscht und mit einem schlechten Nachgeschmack. Ich fliege in zwei Tagen zurück nach London und befürchte, dass ich gleich viel an die Hauptspeise wie an die Nachspeise denken werde. 

 

Ich bin mir sicher, dass ich nach Südafrika zurückkommen werde, da es eins der schönsten, wenn nicht sogar das schönste Land ist, das ich je gesehen habe. Ich hoffe, dass, wenn ich das nächste Mal hier bin, die Situation zumindest ein wenig besser aussieht. 

 

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