Wie ich als Journalistin auf der Innsbrucker Demo diskriminiert wurde

05. Februar 2021

Als ich letztes Wochenende auf der „Grenzen töten“-Demo in Innsbruck war, wurde ich daran erinnert, warum ich vor zwei Jahren aus Tirol ins multikulturelle London „geflohen“ bin. Tirol ist erzkonservativ und besteht darauf, mich und Menschen mit Migrationsgeschichte an den Rand der Gesellschaft zu drängen. Das zeigte auch die Reaktion eines Polizisten, als er mich von meiner journalistischen Tätigkeit abhielt und pausenlos als Migrantin abstempelte.

„Sie gehören da dazu?“, war die erste Frage des Polizisten, als ich einen Vorfall zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften filmte. Dabei zeigte er mit seinem Finger auf einen Mann, der eine Anzeige wegen Nicht-Einhalten des Sicherheitsabstandes kassierte. Zu Beginn merkte ich die Diskriminierung in der Fragestellung nicht und antwortete „Ich bin Journalistin. Ich darf filmen. Selbst als Zivilistin habe ich das Recht mit zu filmen.“ Ihm zu erklären, dass ich den Mann nicht kannte, sah ich nicht als notwendig. Ich hatte ihm erklärt, dass ich hier meinen Job machte, das sollte reichen. Kurz darauf sagte er wieder „Sie gehören da dazu schätze ich mal, oder?“. Ich hielt kurz inne. Welchen Teil meiner Antwort hatte er denn nicht verstanden? Oder wollte er nicht verstehen? Noch viel wichtiger war die Frage, warum er es nur bei mir annahm, dass ich „da dazugehörte“. Gegenüber von mir filmte eine autochthone Österreicherin und sie wurde nicht einmal danach gefragt.

Warum das nicht okay ist

Als Tirolerin mit türkisch-kurdischen Wurzeln bin ich vertraut mit der endlos langen Liste an Fragestellungen, die mich versucht, in einen Topf voller Vorurteile zu werfen. Von „Woher kommst du wirklich?“, bis „Warum sprichst du so gut Deutsch?“, kenne ich all die erfinderischen und spaltenden Fragen nur zu gut.

Die Tatsache, dass der Polizist bereits vor unserem Dialog annahm, dass ich „da dazugehörte“ und die autochthone Person nicht einmal danach fragte, zeigt sein rassistisches Denken und Verhalten. Warum? Weil er mich nur anhand meiner äußerlichen Merkmale in eine Schublade steckte. Waren es die dunklen Haare oder die „orientalischen“ Augen(brauen)? Ich weiß es nicht. Viel mehr konnte man von der Maske sowieso nicht erkennen, aber es scheint gereicht zu haben, um mich in die Schublade MigrantInnen mit der Eigenschaft "Gesetze-verstoßend" zu platzieren. Mit seiner Annahme und dem Nicht-Akzeptieren meiner Aussage nahm er mir außerdem meine selbstbestimmte Identität und Wirkungsmacht als Journalistin weg. Er schrieb mir stattdessen die Migrantin-Identität zu. Da heißt für ihn bin und bleibe ich eine Migrantin (obwohl ich in Österreich geboren bin und die österreichische Staatsbürgerschaft habe, hallo?!), egal welchen Beruf ich habe und als was ich mich gebe. Das tut weh und gibt mir das dumpfe Gefühl, niemals Teil von Österreich zu sein.

Unsere Identität hat viel damit zu tun, wie wir uns selbst sehen, also hängt sie auch mit unserem Selbstwertgefühl zusammen. Wenn wir nicht eigenständig über unsere Identität entscheiden können, gerät das Bild, das wir von uns haben, ins Schwanken und wir beginnen selbst daran zu zweifeln. Wenn wir uns unseren Platz in der Gesellschaft nicht selbstbestimmt aussuchen können, sondern ihn vorgeschrieben bekommen, landen wir nicht selten irgendwo am Rande der Gesellschaft. Und das ist ein Problem. Sprache formt unsere Realität. Deswegen gilt es vorsichtig mit ihr umzugehen und andere darauf aufmerksam zu machen, wenn ihre Sprache spaltet und diskriminiert. Die Landespolizeidirektion hat erklärt, dass die Frage dazu diente, festzustellen, ob ich mit der angezeigten Person im selben Haushalt lebte und sicherzustellen, dass alle den nötigen Sicherheitsabstand einhielten. Doch das ergibt für mich keinen Sinn. Autochthone Personen wurden nicht danach gefragt. Für mich war die Frage nur dazu gedacht, Personen mit gewissen äußerlichen Merkmalen Stereotypen zuzuschreiben.

Sonst nichts.

 

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

Foto: Zoe Opratko
Zum Abschied gibt es kein Trompeten­...
Foto: Marko Mestrović
Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder...
Foto: Marko Mestrović
Nicht über die Communitys zu sprechen,...

Anmelden & Mitreden

3 + 3 =
Bitte löse die Rechnung