Lobau-Tunnel: Symbol einer verfehlten Klimapolitik

10. Mai 2021

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Foto: Fridays For Future Wien/Julian Kragler
Foto: Fridays For Future Wien/Julian Kragler

Klimagerechtigkeits-Blog: Eintrag #8, 10.05.2021

Von Mirjam Hohl

Keine Frage, 2020 war kein schönes Jahr. Während gleich mehrere Kipppunkte unseres Klimasystems überschritten wurden, hat ein Virus auf schmerzhafte Weise die Verletzlichkeit unserer Gesellschaft offenbart und innerhalb weniger Wochen unser Leben völlig verändert. Was muss noch alles passieren, damit die Politik endlich handelt und einsieht, dass ihr Nichtstun uns gleich in mehrere Krisen stürzt? Eigentlich müsste dies der Wendepunkt in der Geschichte der industrialisierten Menschheit sein. Eigentlich müssten Politiker*innen weltweit ihre Klimaschutzpläne überarbeiten und endlich effektive Maßnahmen beschließen, die eine Einhaltung des 1.5 Grad-Ziels und damit eine klima- und menschengerechte Zukunft ermöglichen.

Aber was passiert stattdessen 2021 in Österreich? Richtig. Genau das Gegenteil.

Es wird um 1.9 Milliarden Euro (wobei Schätzungen weit höher liegen) eine Straße gebaut. Und diese soll auch noch ausgerechnet ein Naturschutzgebiet queren: Die Donauauen, die schon so oft durch durch den Einsatz von Umweltaktivist*innen und Zivilbevölkerung vor der Zerstörung gerettet wurden. Doch dieses Mal scheinen geldgierige Politik und Betonlobby gewonnen zu haben.

Obwohl Österreich seit Jahren seine Klimaziele in erster Linie wegen seiner hohen Verkehrsemissionen verfehlt (seit 1990 sind diese um 74 Prozent gestiegen), sollen nun in wie auch um die Lobau gleich mehrere Straßenbauprojekte realisiert werden: Die Stadtstraße, die S1 Spange, die Schnellstraße S8 und eben die „S1 Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat bis Süßenbrunn“, die die Lobau in einem Tunnel („Lobau-Tunnel“) unterqueren soll.

Foto: Fridays For Future Wien/Noomi
Foto: Fridays For Future Wien/Noomi

Die Lobau ist Mitteleuropas letzte große, zusammenhängende und ökologisch weitgehend intakte Flussau. Mit einer Fläche von 2300 Hektar ist sie Nationalpark, Heimat mehrerer hundert teilweise streng geschützter Tier- und Pflanzenarten, Trinkwasserschutzgebiet und einer der wichtigsten Erholungsräume für Wiener*innen zugleich.

Zwar sollen in der Lobau für die Straße keine Bäume gerodet werden, doch auch der Tunnel bringt dieses höchst wertvolle Ökosystem gleich in mehrfacher Hinsicht in Gefahr. Für seine Errichtung wird das Abpumpen von Wasser notwendig sein, das für die Au als Feuchtlebensraum, der ohnehin bereits unter Wassermangel leidet, absolut notwendig ist. Die Tunnelröhren sollen mehrere Grundwasserschichten durchbohren, was zu Grundwasserstaus bzw. -absenkungen führen kann. Und als wäre das nicht genug, soll der Tunnel auch noch eine Beton-Dichtwand durchbrechen, die das OMV-Öllager umgibt und die Lobau vor im 2. Weltkrieg ausgelaufenem Öl schützen soll.

Mit Österreichs Klimazielen ist dieses fossile Mega-Projekt absolut unvereinbar und wird die CO2-Emissionen im Wiener Raum um 100.000 Tonnen pro Jahr erhöhen. Denn, wie sämtliche wissenschaftliche Studien belegen: Neue Straßen erhöhen den Verkehr!

Gerade der Schwerverkehr wird durch den Lobau-Tunnel wahrscheinlich stark zunehmen, da dieser Teil von zwei Korridoren des “Trans-Europäischen Transportnetzes” sein soll. Das steht einer - von Politiker*innen oft versprochenen - Entlastung der Ortschaften in der Nähe des Lobau-Tunnels entgegen. Dazu kommt, dass weniger Anreiz besteht, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlegen. Eine riesen Hürde also für die dringend nötige Verkehrswende.

Foto: Fridays For Future Wien/Julian Kragler
Foto: Fridays For Future Wien/Julian Kragler

Im Gegensatz zu dem, was Politiker*innen gerne behaupten, ist der Bau der Lobau-Autobahn allerdings keinesfalls alternativlos. Anstatt Milliarden an Steuergeldern für fossile Großprojekte zu verschleudern, könnte die österreichische Regierung öffentlichen Verkehr und Nahversorgung ausbauen, in Sozialleistungen und echten, effektiven Klimaschutz investieren. Davon würden die Wiener*innen und Niederösterreicher*innen in der betroffenen Region dann auch tatsächlich profitieren! Stattdessen werden Straßen gebaut, die nur wenigen Privilegierten mit Auto etwas nützen. Soziale Gerechtigkeit sieht anders aus!

In Österreich steht die Lobau-Autobahn stellvertretend für eine völlig verfehlte Politik, die jenseits aller Fakten an einem veralteten System festhält, dabei Menschenleben zerstört und Milliarden an Steuergeld verschleudert (das interessanter Weise immer dann fehlt, wenn es um Klimaschutz oder Soziales geht).

Um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten, braucht es echte Lösungen. Es braucht verantwortungsvolle Politik und einen grundsätzlichen System- und Wertewandel. Deshalb wird sich Fridays for Future auch mit aller Kraft gegen dieses Projekt stellen. Denn wenn wir eines aus der Geschichte der Lobau lernen können, dann, dass sich Umwelt- und Klimaaktivismus lohnen. Umweltschützer*innen haben die Lobau bereits mehrmals vor der Zerstörung bewahrt. Lassen wir ihren Einsatz nicht umsonst gewesen sein! Wir akzeptieren keine neuen fossilen Großprojekte!

Denn 2021 MUSS die Klimawende kommen.

Mirjam Hohl (20) ist bei Fridays For Future Wien aktiv.

Monatlich erscheint im Biber der Klimagerechtigkeits-Blog von Fridays For Future. Derzeit beuten Industrieländer Entwicklungsländer aus, damit ihre Wirtschaft ständig wächst. Klimagerechtigkeit versteht einen respektvollen Umgang zwischen Mensch, Tier und Natur: Jede*r auf diesem Planeten soll unter denselben Bedingungen leben können, ohne dass die Ressourcen der Erde ausgebeutet werden. Nur so haben auch künftige Generationen eine sichere, lebenswerte Zukunft.

 

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