Menschlichkeit, Social Media und das Jahr 2016

29. Dezember 2016

In wenigen Tagen ist das sogenannte „schrecklichste Jahr aller Zeiten“ vorbei. Soziale Medien haben im Jahr 2016 zwei unterschiedliche Versionen unserer Welt dokumentiert. In der einen Version sehen wir nur „das Böse“, zusammen mit den Gesichtern der Toten und zertrümmerten Häusern. In der anderen sehen wir, unter dem Hashtag #faithinhumanityrestored, „das Gute“, gemeinsam mit Menschen, die versuchen sich gegenseitig Hoffnung zu schenken und die Welt in solchen Zeiten, mit kleinen netten Gesten, ein bisschen schöner machen.

 

Das Drama namens 2016 und die Bilder, die wir alle niemals vergessen werden

Auf sozialen Netzwerken wird das Jahr 2016, passend zum bevorstehenden Jahresende, als „schrecklichstes Jahr in der Geschichte der Menschheit“ bezeichnet und das hat auch nachvollziehbare Gründe. Ob es nun historisch gesehen wahrhaftig „das schrecklichste Jahr“ war oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wir wissen trotzdem bestimmt alle, dass sich dieses Jahr ein erschütterndes Drama nach dem anderen zugetragen hat. Vor allem das Thema „Terroranschlag“ war in den letzten Monaten unser ständiger Begleiter.

Durch das Internet und die sozialen Netzwerke erreicht das Ganze zusätzlich eine andere Dimension. Man liest bzw. hört nicht nur in den Nachrichten von diesen Tragödien, man kann sie selbst auch live durch Handy-Bildschirme und Netzwerke wie Facebook verfolgen und sich dabei anschließend so hilflos wie ein neugeborenes Baby vorkommen. Eltern mussten ihre Kinder mit eigenen Händen begraben, Kinder ihre Eltern und Geschwister. Bilder von blutverschmierten Körpern, Tränen, Leid und die Angst, welche Menschen es als nächstes treffen könnte, brennen sich in unsere Gedanken ein. Es sind Bilder, die uns wahrscheinlich für immer verfolgen werden. Es sind Bilder für die echte (un)menschliche Wesen aus Fleisch und Blut verantwortlich sind. Es sind Bilder, die wir sehen müssen, damit wir wissen, dass diese Geschehnisse tatsächlich real sind und wir nicht einfach nur träumen.

 

Social Media zeigt aber auch, dass es Hoffnung für uns gibt

Das Internet zeigt uns, trotz all dieser unfassbaren Katastrophen, dass die Menschheit und „das Gute in uns“ nicht vollkommen verloren sein können. Täglich thematisieren Internet-User die vergangenen Geschehnisse mit ihren eigenen Worten. Diese sind gefüllt von Entsetzen, Scham, dem Gefühl der Hilflosigkeit und unendlicher Trauer. Sie zeigen tiefe Betroffenheit und kämpfen mit ihren eigenen Mitteln für eine lang ersehnte Veränderung. Natürlich haben Worte leider nicht die Macht jemanden wieder lebendig werden zu lassen, dennoch machen sie einen großen Unterschied. Sie zeigen das Vorhandensein unserer Menschlichkeit, welche viele für verloren halten.

 

#Faith in humanity restored

Genau diese „kleinen Dinge“, die unsere Welt ein bisschen schöner machen, lassen sich leicht auf sozialen Netzwerken finden. Unter dem Hashtag „faithinhumanityrestored“ findet man im Internet kurze Geschichten über „das Gute im Menschen“. Es geht hauptsächlich um sogenannte „random acts of kindness“.

Personen bedanken sich mit Shoutouts und erzählen zum Beispiel, dass sie ihre Geldbörsen oder Handys irgendwo liegen gelassen haben und diese tatsächlich von Wildfremden zurückgebracht wurden. Mehrere Leute posten, dass Fremde, ohne Grund, ihre Bestellungen in Restaurants oder Coffeeshops einfach mitbezahlt haben. Eine Frau freut sich öffentlich darüber, dass eine ältere Dame ihr beim Warten auf die Straßenbahn, einfach so, einen gültigen Fahrschein geschenkt hat. Eine andere Dame erzählt, dass sie während eines Staus beobachtet hat, wie ein Mann aus seinem Auto gestiegen ist und einem Obdachlosen seine warmen Handschuhe in die Hand gedrückt hat. Eine Social Media-Userin teilt öffentlich, dass sie mitbekommen hat, wie ihr Busfahrer mit einem scheinbar fremden Mann über seine Probleme gesprochen hat und mit aller Macht versucht hat, ihn mit seinen Worten aufzumuntern. Eine andere Person erzählt, dass ein Fremder mit seinem Auto auf der Straße stehen geblieben ist und seinen Regenschirm an sie verschenkt hat, um sie vor dem Regen zu schützen. Es werden unter dem Hashtag außerdem Straßenplakate und Fotos von verlorenen Objekten geteilt, damit sie leichter wiedergefunden werden. Das waren nur einige wenige Beispiele, es gibt noch Millionen weitere solcher Geschichten, die ihr selbst online nachlesen könnt. 

Ich möchte wirklich nicht verharmlosen, was in den letzten 12 Monaten (oder auch davor) passiert ist. Ich möchte in unseren letzten Tagen im Jahr 2016 nur daran erinnern, dass nicht alle Menschen scheiße sind. Güte, Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Rücksicht und Mitgefühl sind nicht verschwunden, auch wenn wir sie nicht ständig in den Nachrichten sehen. Wir müssen lernen, schreckliche Ereignisse thematisieren zu können, ohne die schönen Ereignisse der Welt komplett aus unseren Köpfen auszublenden. Kurz gesagt: Die Welt ist vielleicht zu oft unglaublich beschissen und grausam, sie ist aber auch sehr häufig verdammt cool und wunderschön.

 

Hoffen wir einfach, dass 2017 öfter "verdammt cool und wunderschön" und weniger "ziemlich beschissen und grausam" wird. Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Start ins neue Jahr!

 

 

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