Schauen Medien bei Verbrechen an Muslimen weg?

11. Februar 2015

Die Frage aus der Überschrift hätte ich gestern so beantwortet: "Nein, manche Muslime sind zu wehleidig und kommen gar nicht aus der Opferrolle heraus. Wenn was passiert, dann erfahren wir es auch. Gewalt und Unrecht haben ja keine Konfession. "

Heute bin ich doch etwas verdutzt. In der letzten Nacht starben drei junge muslimische Studenten in Amerika. Sie gingen auf die Chapel Hill University in North Carolina. Der 46jährige Täter stellte sich nach der Tat freiwillg der Polizei. Über das Motiv ist noch nichts bekannt. Was man weiß: Die drei Studenten waren Muslime. Deah Shaddy Barakat (23) und Yusor Mohammad (21) waren seit Dezember verheiratet, die 19jährige Razan Mohammad Abu-Salha war die jüngere Schwester. Sie wurden nach Polizeiangaben alle mit Kopfschüssen hingerichtet. Ein furchtbares Verbrechen, genauso wie jede andere Gewalttat, die auf dieser Erde geschieht.

Nachdem wir vorhin festgestellt haben, dass ja Verbrechen auf dieser Welt nicht nach Religionszugehörigkeit zu werten sind, müsste den einheimischen Medien diese Morde zumindest eine kurze Meldung wert sein. Doch das ist bis jetzt, 11:08, noch nicht passiert. Zur Erinnerung, die Tat ereignete sich rund um Mitternacht amerikanischer Zeit ( +6 Stunden Zeitunterschied). Und im Zeitalter des unbeschränkten Informationsflusses verwundert einen die langsame Verwertung dieser Nachricht.

Wir wissen, Nachrichten im Fernsehen decken nicht das ganze Tagesgeschehen auf der Welt ab. Nach der Agenda Setting Theorie "bestimmen die Massenmedien über welche Themen berichtet und weniger berichtet wird. Damit beeinflussen sie die Konsumenten, sich mit bestimmten Themen kognitiv und emotional zu befassen." Auf gut Deutsch: Nicht die Welt da draußen bestimmt, worüber ich morgens beim Kaffee mit dem Arbeitskollegen quatsche, sondern der Journalist, der aus einer Fülle an News das für ihn interessanteste rauspickt und ganz oben auf die Agenda setzt.

Warum dieser trockene Theoriediskurs? Als mögliche Erklärung, warum auf den Startseiten von österreichischen Medien Fotos von IS-Schergen abgebildet werden. Oder die Urteilsverkündung gegen die Salafisten-Organisation "Sharia 4 Belgium". "Vereitelter Anschlag in Australien" ist da auch zu lesen. Das hat alles seine Berechtigung, aber bitte, liebe Medienmacher: Gebt meinen muslimischen Mitmenschen und mir nicht das Gefühl, sie seien weniger wert als andere Menschen. Denn dann wähne ich mich vielleicht doch in der Opferrolle. Und das ist eine Rolle, die ich hasse.

Quelle: wral.com

rajkovic@dasbiber.at

 

Chapel Hill, Amoklauf, Agenda Setting, Medien,
egyptianstreets.com

 

 

 

 

 

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