„Scheiß auf … Integration!“

01. Juni 2022

Ich sitze gerade am Columbusplatz in der Hitze, und lasse mir Braids machen - und das in meiner Arbeitszeit. Friseur:innen der Friseursalons „Chaarisma“ und „AKWien.vida.Fachstudio“ haben sich im Rahmen der Veranstaltung „Auftakt Volkshilfe Community Work“ zusammengeschlossen, um jungen Besucher:innen eine neue Frisur zu verpassen.

 

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Open-Air-Friseursalon

Es ist gerade in meinem Leben die Zeit der Veränderungen, passend dazu bekomme ich eine gratis–Sommerfrisur. Mein neuer Look soll auffällig sein und zeigen: „ich bin hier“. Meine Friseurin kommt ursprünglich aus Nigeria, und hat sich die Flechtkunst im jungen Alter selbstständig beigebracht.

 

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Autorin im Open-Air-Friseursalon Foto: Maria Lovrić-Anušić

Die Hälfte meiner Akademie–Zeit ist bereits um: „Was kommt in der Arbeitswelt nach der Akademie auf mich zu?“, kommt mir in den Sinn, während ich die abenteuerliche Zeit bei Biber genieße. In der Mitte des Platzes steht eine Bühne und ich höre mir den Redebeitrag vom Stadtrat Peter Hanke an. Das Ziel der Veranstaltung ist, Geschäftstreibende und Künstler:innen aus Favoriten vorzustellen und den Zusammenhalt der Mitglieder der „Wien 10 – Connection“ zu stärken. Das Programm setzt sich aus Aktivitäten zusammen, aus den Arbeitsbereichen: Ökologie und Mobilität, Erinnerungskultur, Gesundheit und Körperpflege. Ich komme leicht mit Leuten ins Gespräch, indem ich sage: „ich bin von biber". So lerne ich auch Savo Ristić kennen, er promotet gerade sein neues Buch „ Scheiß auf … Integration!". Der Titel klingt ziemlich provokant. „Integration existiert nicht!“, sagt mir Savo überzeugt. Wir ziehen uns in den Schatten zurück, hinter den Bücherstand, um der Sonne zu entkommen.

„Integration ist ein Konzept, das davon ausgeht, dass Menschen mit Migrationshintergrund von Grund auf schlechter sind, als autochthone Österreicher. Sie müssen österreichische Werte lernen, weil man davon ausgeht, dass sie keine Werte haben. Aber in anderen Kulturen gibt es auch Werte – wer sagt, dass diese schlechter sind?“, erklärt mir Savo und ich nicke. „Was macht überhaupt gute Integration aus, und wer bestimmt wer integriert ist? Ist man gut integriert, wenn man ins Museum geht? In anderen Ländern geht man auch ins Museum, außerdem geht nicht jede/r Österreicher:in ins Museum. Wenn Asylant:innen z.B. ins Museum gehen müssen, um zu beweisen, dass sie integriert sind, so müssen auch alle Österreicher:innen ins Museum gehen, erst dann ist es gerecht. Dann ist es aber eine Diktatur.", ist sich Savo sicher. Außerdem ist er der Meinung, dass der Zwang zur Integration negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl hat. „Man wird automatisch in die Rolle „des anderen" gedrängt. Man hat das Gefühl, dass man sich immer beweisen muss, dass man integriert ist, und nützlich für Österreich. Man ist als Mensch nicht gut genug.“

Savo erzählt mir, dass er in einem kleinen Dorf im ehemaligen Jugoslawien aufgewachsen ist, und dass er nach Wien für ein Bauingenieur–Studium gekommen ist. Das Studium brach er ab, weil es nicht das war, was ihn glücklich machte. Er wollte einen Job mit mehr Bezug zu Menschen und machte eine Ausbildung zum Heilmasseur. Danach hat er sich hochgearbeitet und weitergebildet, und ist jetzt administrativer Leiter einer Rehabilitationseinrichtung im 22. Bezirk. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit dem Thema Integration und arbeitet schon an seinem zweiten Buch, welches Themen behandelt wie: selbstbewusst, würdevoll und unabhängig leben; Karriere und Burnout uvm. Er schenkt mir ein Exemplar seines neuen Buchs, und ich verspreche ihm es so schnell wie möglich zu lesen. Was ich über Savos Thesen denke, erfährt ihr demnächst in einem Beitrag, nachdem ich das Buch verschlungen habe.

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Savo Ristić

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