Tschusch is net gleich Tschusch!

11. August 2021

Ich sitze vor kurzem in Gesellschaft unter Menschen ohne direkten Migrationshintergrund. Irgendwann fallen die Wörter "Die schei** Tschuschn", die mich aus dem Gespräch mit meiner Kommunikationspartnerin reißen. Die Gastgeberin blickt mich peinlich berührt an, denn sie weiß ja, dies könnte gesessen haben, da ich zu den Tschuschn zähle. "Es ist nicht so gemeint, du weißt ja, man meint nicht dich, du gehörst ja nicht zu denen". Aha, aber zu wem gehören wir oder ich dann eigentlich? Wer ist gemeint und wer nicht?

Und auch wenn das Thema für die gesamte Gesellschaft schon ausgelutscht ist und nervt. Mich nerven solche Szenarien aktuell noch mehr. Ich weiß, welche Sorte Mensch als Tschusch bezeichnet wird - nämlich die, die sich nicht integrieren wollen. Mit einem Wort: Dodeln. Aber vor allem die, die von draußen kommen, keine Einheimischen sind. Dieser Aspekt lädt den ganzen Begriff erst auf. Gerade deshalb versetzt es mir einen Stich. Ich denke an meine gesamte EX-YU Familie. Die anständig hier arbeiten und ihre Steuern zahlen und vor allem an den Teil, der geholfen hat nach dem Zweiten Weltkrieg das Land aufzubauen. Stichwort: Gastarbeiter. Praktisch ist ihre halbe Identität bereits österreichisch. Wie kommt man also dazu sich sowas anzuhören? Man hat es so satt auf Fragen wie: „Woher kommst du eigentlich?“ zu antworten „Aus Wien“ worauf sofort und immer folgt: „Schaust gar nicht so aus, und du sprichst dafür ur gut deutsch“.

Soll man sich nach so einem peinlichen Versuch eines Kompliments besser fühlen, wenn man in Österreich geboren und aufgewachsen ist, und die gesamte schulische Laufbahn hier absolviert hat?

Eher nicht.

Das Wort Tschusch hat den eigentlichen Hintergrund: Hass gegen alle von draußen. Denn es ist der andere, der besser, schlechter, erfolgreicher oder blöder ist als "unsere" Leit'. Auch Rassismus genannt. Unbewusst oder bewusst gelebt, aber gegen ein Volk zu sein auf Grund von ethnischer Zugehörigkeit bedeutet rassistisch motiviert zu denken. Man könnte doch auch sagen Idiot, man sagt aber Tschusch weil man deutlich den Aspekt des Ausländers aufgreift. Leider wird bei einem Vergehen oder andersartigen Verhalten sofort jemand auf die Ethnie reduziert. Ist es nicht völlig irrelevant, welche Wurzeln jemand hat, wenn jemand gut oder schlecht ist? Kann die Mentalität über den Charakter eines Menschen völlig entscheiden? Muss man sich für seinen Migrationshintergrund schämen und diesen vertuschen? Idioten gibt's wohl in jeder Volksgruppe, oder? Oder sind demnach alle Ausländer Dodeln mit Scheuklappen? Und um all das kreist eine entscheidende Frage: Was muss ich noch tun, um zu Österreich vollwertig zu gehören?

Die „anderen“, die in dieses Land gekommen sind, haben mehr verdient als dein beschränktes Tschusch. Sie suchen nicht nach einem halben Jahrzehnt Arbeit nur eine Bleibe, sondern verhelfen zum weiteren Wirtschaftswachstum.

Ganz nach der Devise Mensch ist Mensch denken, und den Tunnelblick verlassen. Das wäre mal ein Anfang.

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