Viele Pflichten, wenig Rechte: Wann wird die Staatsbürgerschaft in Österreich zugänglicher?

09. Januar 2023

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Ernst Weingartner / Weingartner-Foto / picturedesk.com

In Deutschland soll das Staatsbürgerschaftsrecht modernisiert werden – wann wird das endlich in Österreich geschehen?

Einbürgerung nach fünf Jahren Aufenthalt, statt bisher acht Jahren, Erleichterungen beim Sprachnachweis, und die Staatsbürgerschaft für Kinder, deren Eltern schon mindestens fünf Jahre in Deutschland leben: Das sind nur einige Punkte aus dem neuen Gesetzesentwurf des deutschen Innenministeriums für den neuen Einbürgerungsprozess. Zudem soll der Staatsbürgerschaftstest für alle Ausländer wegfallen, die älter als 67 Jahre sind. Damit sollen vor allem die Verdienste der Gastarbeiter-Generation in Deutschland gewürdigt werden, der damals keine Integrations- und Sprachkurse zur Verfügung standen, und die maßgeblich für den wirtschaftlichen Aufschwung gesorgt hat, der Deutschland heute für Einwanderer überhaupt so attraktiv macht. Eine derartige Anerkennung vermisst man in Österreich immer noch, obwohl die GastarbeiterInnen, die ab den 60er Jahren kamen, hier häufig schon Großeltern sind.

Vermeintliche „Entwertung“

AnwärterInnen auf die österreichische Staatsbürgerschaft berichten von Schikane am Amt und langen Wartezeiten. Erst kürzlich berichtete etwa Heute von einem 22-jährigen, in Wien geborenen ungarischen Staatsbürger, der seit acht Jahren auf eine Antwort der Einwanderungsbehörde MA 35 wartet und von dem Mietzahlungsnachweise aus dem Jahr 2011 nachgefordert wurden, obwohl er zu dieser Zeit 11 Jahre alt war. Wir erinnern uns auch an das antirassistische Black Voices-Volksbegehren, das es um 619 Stimmen nicht in den Nationalrat schaffte – viele Betroffene von Rassismus konnten es ohne die österreichische Staatsbürgerschaft nicht einmal unterzeichnen. Wenn in Österreich von gescheiterter Integration gesprochen wird, wird kaum die Gesetzeslage kritisiert, die vor allem junge Menschen an den Rand der Gesellschaft drängt und es vielen Familien schwer macht, ein gutes Leben hier aufzubauen. Aufenthaltstitel sind nicht zuletzt eine kostspielige Angelegenheit und bedeuten für Betroffene vor allem: Viele Pflichten, aber wenig Rechte in Österreich. Statt von einer vermeintlichen „Entwertung“ der Staatsbürgerschaft durch Erleichterungen zu sprechen, muss man sich folgenden Problemen stellen: Österreichs Gesellschaft überaltert allmählich, es fehlen jetzt schon qualifizierte Fachkräfte in sämtlichen Bereichen – von der Pflege, über den öffentlichen Transport, bis hin zur IT – und der Wohlstand unseres Landes wird definitiv sinken, wenn nicht genug StaatsbürgerInnen nachfolgen, die in das System einzahlen.

Rettung der Demokratie

Sehen wir der Tatsache ins Auge: Auch Österreichs Demokratie sieht sich langfristig in Gefahr. Bereits bei den letzten Bundespräsidentschaftswahlen konnten – von knapp 9 Millionen Einwohnern – über 1,4 Millionen Menschen ihre Stimme nicht abgeben, weil sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen. Tendenz steigend. Immer weniger junge Menschen fühlen sich von einer Politik, die sie nicht mitgestalten können, repräsentiert. In Zukunft ist eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts notwendig, um nicht nur für mehr Teilhabe in unserem Land zu sorgen, sondern auch vielen in Österreich lebenden und Steuern zahlenden Menschen das Gefühl zu geben, dass sie Teil unserer Gesellschaft sind – das ist auch der Schlüssel zur erfolgreichen Integration.

 

 

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