Hey, das für viele Menschen einzigartig beschissene Jahr 2020 hat doch eine positive Wende bekommen! In meinem Heimatland Bosnien und Herzegowina fanden Lokalwahlen statt. Das klingt spannender als es ist, weil seit dem Ende des Krieges 1995 waren die Wahlen in Bosnien und Herzegowina gleichzusetzen mit einer Volkszählung. Bosniaken wählten die SDA (Stranka Demokratske Akcije), Serben die SDS (Srpska Demokratska Stranka) und Kroaten HDZ (Hrvatska Demokratska Zajednica). Das Wahlverhalten war ganz eng mit der Ethnie verknüpft. Deswegen ist das Programm der großen Parteien nur völkisch ausgerichtet, von Reformen keine Spur. Das hat sich am Sonntag zwar nicht grundlegend verändert, aber es gibt ein paar Lichtblicke. 

Das bürgerliche Parteibündnis "Četvorka" (dt.: Vierer), bestehend aus Naša Stranka (Unsere Partei), Narod i Pravda (Volk und Gerechtigkeit), Socijaldemokratska Partija BIH (Sozialdemokraten BIH) und Nezavisna Bosanskohercegovacka Lista (Unabhängige Bosnisch-Herzegowinische Liste) erreichte in Sarajevo-Stadt rund 66% der Stimmen. Die Partei des regierenden Bürgermeisters, SDA, kam auf 27%. Der Sieg ist insofern beachtlich, da der Spitzenkandidat von "Četvorka" Srdjan Mandić heißt und bosnischer Serbe ist. Trotzdem schenkte ihm das mehrheitlich bosniakische Wahlvolk in Sarajevo das Vertrauen.

Das macht Hoffnung. Sollte es tatsächlich eines Tages so sein, dass die Menschen in dem wirtschaftlich geschwächten Land nicht die Partei ihrer Volkszugehörigkeit wählen, sondern schlichtweg ihre beste Interessensvertretung? Die Partei, die nicht von nationalistischer Propaganda lebt und Lösungen für Menschen parat hält, egal, ob sie Allah, Jesus oder Cristiano Ronaldo anbeten. Die Partei, die an das friedliche Zusammenleben der drei Völker glaubt und auch daran arbeitet.

Man wird ja noch träumen dürfen....

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