Wenn sich deutsche Medien Angela Merkel unterwerfen

14. Juli 2015

Angela Merkel
Screenshot: Bild-Zeitung
Angela Merkel regiert seit 10 Jahren die Bundesrepublik Deutschland. Zu Beginn belächelt, genießt die Kanzlerin beim Volk und bei den Medien enormen Respekt. Doch das erinnert schon an Unterwürfigkeit. Deutsche Medien sind so unkritisch, wie nie zuvor.

Sommer 2012: Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA ist im vollen Gange. In Kärnten wird ein riesiger Korruptionssumpf entdeckt, den Jörg Haider und seine „Buberlpartie“ während ihrer Regierungszeit hinterlassen haben. Und während sich Deutschlands Politik in den Sommerferien befindet, sorgt ein Buch über Angela Merkel für Aufsehen: „Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut.“ Gertrud Höhler, die Autorin, die einst die Kanzlerin beraten hat, vertritt in ihrem Werk eine auf den ersten Blick ziemlich merkwürdige These: Deutschland erlebe seine dritte Diktatur. Nach Nationalsozialismus und Kommunismus herrsche nun der „Merkelismus“ über die Bundesrepublik. Denn Merkel schaffe es, sich an der Macht zu halten, wie kein Politiker oder keine Politikerin zuvor. Sie unterwerfe Südeuropa einem Spardiktat und betrachte alles andere als „Alternativlos“. Sie habe es geschafft, dass die EU-Staaten sich nicht mehr Brüssel sondern Berlin zuwenden.

Großer Rückhalt

Gewiss. Von einer Diktatur bei unserem großen Nachbarn kann man drei Jahre nach Erscheinen des Buches nicht sprechen. Immerhin darf nach wie vor frei gewählt, die Meinung frei geäußert, dem Wunschberuf nachgegangen und dem Rechtstaat vertraut werden. Merkel herrscht nicht allein, sondern befindet sich mit der SPD in einer Koalition. Den größten Rückhalt bekommt sie von ihrem Volk und den Medien. In den Rankings der beliebtesten Politiker rangiert Merkel stets auf den vordersten Plätzen. Von der ARD und ZDF, über die Bild-Zeitung bis hin zum Nachrichtenmagazin Spiegel, loben die Redakteure ihr konsequentes Auftreten.

„Mutter der Nation“

Nein. Deutschland ist keine Diktatur, aber das Anhimmeln der CDU-Politikerin gleicht einem Personenkult in Staaten, wo die Medien keine kritischen Organe sind, sondern eher an Fanclubs erinnern. Statt eine vierte Gewalt zu sein, nennen deutsche Medien ihre Kanzlerin ehrfürchtig die „Mutter der Nation“.

Die „Merkel-Verehrer“

Angela Merkel
Screenshot: Der Spiegel

Ganz deutlich wird es an der Griechenlandkrise. Elmar Theveßen vom ZDF nennt Merkel eine „Auctoritas“. So wurden Politiker im alten Rom bezeichnet, die die höchste Autorität besaßen. Laut Theveßen ist „Auctoritas“ mit „Verantwortung“ gleichzusetzen und Verantwortung bedeutet in diesem Sinne der „Grexit“. Merkwürdig. Wenn Merkel in ihren zahlreichen Reden behauptet: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“, stimmten die Medien ihr bei. Als sie kurz nach dem letzten EU-Gipfel gemeinsam mit Finanzminister Wolfgang Schäuble nun doch einen „Grexit“ in Erwägung zog, bekam sie ebenfalls großen Beifall von den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Springer Medien. Letztere sind anscheinend die größten „Merkel-Verehrer“.

Auf dem Titelblatt der Bild-Zeitung vom 7. Juli 2015, also ein Tag nach dem Referendum in Griechenland, fordert sie eine „Eiserne Kanzlerin“. Mit der Pickelhaube auf dem Haupt solle sie sich  „Preußischen Tugenden“ bedienen und Griechenland die Hilfe verweigern. Ex-Bild-Chef-Redakteur Michael Spreng schwärmt in der Talksendung „Günther Jauch“ von einer Frau, die ein Land mit 80 Millionen Einwohnern lenken kann und stets den Überblick behält. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ übertrifft sie alle. Auf dem Cover vom 23. März 2015 steht die Kanzlerin vor der Akropolis mit deutschen Wehrmacht-Soldaten mit der Aufschrift „THE GERMAN ÜBERMACHT. Wie Europäer auf die Deutschen blicken. Deutsche Überheblichkeit eben. 

Die „Merkel-Raute“ als nationales Symbol

Bei Fernsehinterviews wird die Kanzlerin von kritischen Fragen verschont. Der Bundestagswahlkampf von 2013 ist ein Paradebeispiel. In großer „Bananen-Republik-Manier“ wird sie in zweifelhaften Dokumentationen gelobt, angehimmelt, vergöttert und mystifiziert. Während die Medien keine Gelegenheiten ausließen, dem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück ein Fettnäpfchen nach dem anderen zu stellen, wird über die sogenannte „Merkel-Raute“ berichtet, die neben dem deutschen Bundesadler zum nationalen Symbol erklärt wird.

Es zeugt also von purer Heuchelei, wenn deutsche Medien den Personenkult der Staatsoberhäupter in der Türkei, Ägypten, Nordkorea und in Russland verurteilen und den Schönheitsfleck bei sich zu Hause nicht erkennen.

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