#whatishome

16. Mai 2019

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Pressegespräch
Wir haben beim Pressegespräch der Caritas über Heimat und Integration gesprochen. Foto: (C) Anna Helm

Anlässlich der in dieser Woche erscheinenden „Common Home“ Publikation waren wir bei der Caritas und haben im Rahmen des MIND-Projekts mit Geflüchteten, Migranten und Österreichern über das Thema Heimat und Integration  gesprochen.

Kein zurück

Ayat ist 23 Jahre alt, sie kam vor fünf Jahren aus dem Jemen nach Österreich. Ihr Vater ist Botschafter, die Familie kam wegen seiner Arbeit nach Wien. Ayat dachte, sie würde hier studieren und anschließend wieder mit der Familie zurück in das Heimatland kehren. Doch dann brach der Krieg im Jemen aus und es stand fest: Eine Rückkehr ist nicht mehr möglich. Noch bis vor zwei Jahren hätte Ayat Österreich nicht als ihre Heimat bezeichnet. Schon oft wurde sie auf offener Straße beschimpft. Anfangs, als sie noch nicht deutsch sprach, hat sie nicht verstanden, was die Leute sagten, doch an ihrem Gesichtsausdruck wusste Ayat, dass es keine lieben Worte waren. Die Sprachbarriere machte ihr auch in allen anderen Lebensbereichen zu schaffen. Schnell merkte sie, das Geografiestudium klappt ohne Sprachkenntnisse nicht und auch Freunde zu finden, fiel ihr schwer. In Österreich lerne man niemanden auf der Straße oder in der Bahn kennen, die Leute seien sehr introvertiert. Im Jemen sei das anders, erzählt Ayat. Die Sprache ist für sie ausschlaggebend, um sich zu integrieren. Wenn sie Menschen auf Englisch nach dem Weg fragte, bekam sie keine Antwort. „Es wird nicht akzeptiert, dass ich englisch spreche, die wollen unbedingt, dass ich deutsch lerne“, sagt Ayat. Häufig sprach sie fremde Menschen mit „du“ an, weil sie den Unterschied zwischen „du“ und „sie“ nicht kannte, was dazu führte, dass die Menschen sie für unhöflich hielten. Durch ihren Deutschkurs und ihr Praktikum bei der Caritas lernte Ayat die Sprache und neue Freunde kennen. Sie hat die Sozialarbeit für sich entdeckt und freut sich, Projekte unterstützen zu können oder als Dolmetscherin tätig zu sein. Mittlerweile fühlt sich Ayat in Österreich wohl. Besonders gefällt ihr, dass man hier Menschen aus allen Ländern der Welt begegnet und dass Frauen Fahrradfahren, beides sei im Jemen nicht üblich. Dennoch gibt es Dinge, die sie an ihrer Heimat besonders vermisst: „Unser Haus war immer offen, jeder konnte zu jeder Zeit kommen, wir haben zusammen gegessen und Tee getrunken, wir waren wie eine große Familie. In Österreich kann man niemanden unangemeldet besuchen, man muss vorher einen Termin machen.“

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Ayat kam mit 18 Jahren aus dem Jemen nach Österreich. Foto: (C) Anna Helm

 

„Woher kommst du?“

„Ich bin in Afghanistan geboren und ich bin in Afghanistan gestorben. Dann bin ich in Österreich wieder neu geboren“, lauten Shokats Worte, als er über den Begriff Heimat spricht. Vor elf Jahren flüchtete er wegen des Krieges. Anfangs fühlte er sich wohl und frei. Doch dann kam die Einsamkeit, die Langeweile, keine Beschäftigung. Freundschaften mit anderen Geflüchteten zu schließen, sei einfach gewesen. Die Schwierigkeit lag darin, Österreicher kennenzulernen, sagt Shokat. Es hat sehr lange gedauert, doch heute hat er hier mehr Freunde gefunden, als er es sich jemals hätte vorstellen können. Österreich ist zu seiner Heimat geworden. Shokat möchte nicht mehr von hier weggehen, auch nicht zurück nach Afghanistan. Er will nicht noch einmal von Null beginnen. Hier ist für Shokat übrigens Floridsdorf. Er kann sich nämlich nicht vorstellen, in einem anderen Bezirk zu wohnen, oder gar in einem anderen Bundesland. Oft wird Shokat gefragt: „Woher kommst du?“ Die meisten geben sich mit seiner Antwort „aus Floridsdorf“ nicht zufrieden. Es folgt die Frage „nein, woher kommst du ursprünglich?“ Das ärgert Shokat. Denn gerade Afghanen sind stark von Vorurteilen betroffen. Vor allem weiß er, wie schwer Afghanen es in Österreich haben. Sie werden nicht nur bei der Wohnungs- und Jobsuche diskriminiert, sie sind auch rassistischen Beschimpfungen ausgesetzt. Shokat wehrt sich dagegen, bringt Beleidigungen zur Anzeige und gibt anderen Betroffenen Ratschläge, beispielsweise dass sie sich an Stellen wie ZARA wenden können. Zudem ist er Gründungsmitglied des Vereins „Neuer Start“, der junge Geflüchtete in allen Lebensbereichen unterstützt.

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Shokat ist aus Floridsdorf. (C): Cecilia Tradowsky

 

Urlaub in Syrien

Nach sechs Jahren in Österreich bekam Rojin die österreichische Staatsbürgerschaft. Ihr erster Gedanke war „Jetzt kann ich nach Syrien, um Verwandte zu besuchen.“ Das war vorher nicht möglich. Heimat ist für Rojin ein schwieriger Begriff. Einerseits ist Syrien ihre Heimat, anderseits ist Österreich mittlerweile auch zu ihrer Heimat geworden. Im Eiltempo lernte Rojin die deutsche Sprache und begann schon nach kurzer Zeit bei der Caritas zu arbeiten. Beides sind für sie ausschlaggebende Faktoren, für ihre Integration und um sich hier wohlfühlen zu können.

 

 

 

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