WIR FAHREN RUNTER! Der Gastarbeiter-Ferienreport

01. August 2008

Der Gastarbeiter-Ferienreport: Es ist jedes Jahr eine kleine Völkerwanderung. Mayers, Hubers und Co fahren nach Kärnten oder gar Fuerteventura, der Bürgermeister in die Toskana, viele erholen sich auf Balkonien und der Rest der Stadt FÄHRT RUNTER. Im Sommer verschiebt sich für hunderttausende Wiener der Lebensmittelpunkt in den Südosten. Die Migranten und ihre Kinder fahren runter – in die alte Heimat.  

Von Ivana Cucujkić und Daniel Shaked (Fotos)

Es ist in vielen Großstädten der Welt so: Im Sommer werden sie zu verlassenen Betonwüsten, langweiliger und unerträglicher als jedes Männerkloster. Wieso? Na weil alle wegfahren, Urlaub machen. Während die meisten Wiener und Wienerinnen den x-ten Ferienklub auf Mallorca, Bibione, Fuerteventura gebucht haben oder wieder einmal nach Kärnten fahren, zieht es ein Drittel der Zwei-Millionen-Metropole vor allem an einen Urlaubsort - nach unten, in die alte Heimat nach Anatolien, Bulgarien, Serbien, Bosnien oder Kroatien.
Herr und Frau Gastarbeiter verreisen im Sommer übrigens nicht bloß für zehn bis vierzehn Tage. Da geht schon fast der gesamte Jahresurlaub drauf. Ein bisserl was wird für Ostern aufgehoben, ein paar Tage gehen auch für Silvester drauf. Hier noch der biber-Tipp: Unbedingt drei Tage für Notfälle wie Begräbnisse, Krankheiten oder Hauseinbrüche im Ferienhaus aufheben.


Çay, Shampoo, Alvorada-Kaffe, Schokolade und Kopftücher
Um für den Trip gut gerüstet zu sein, braucht es a ordentliche Organisation. Ein Gastarbeiter, der für paar Wochen seine Gemeindebauwohnung verlässt, muss auf „unten“ gut vorbereitet sein. Die alten Eltern, Verwandten, Bekannten, weniger Verwandten und weniger Bekannten hegen hohe Erwartungen. Konkret erwarten sie Geschenke aus dem Westen. Also ist das „A und O“ vor so einem Reiseantritt das richtige Shoppen.
Achtung: Diese Tipps werden Sie nur hier lesen können, so ein Reiseführer muss noch geschrieben werden. Zum Einkaufen also: Von Duschgel, Seifen, Shampoos, allerlei Hofer-Schokolade für die Dorfkinder über gefakte Sportschuhe für kleine männliche Verwandte bis zu bunt karierten, gestreiften Kopftüchern vom Mexikoplatz für alle möglichen Omas im Ort muss alles dabei sein. Das Klopapier, zehn Kilo Persil-Waschpulver, Plastikeimer, C&A-Klamotten, Alvorada-Kaffee, Milka-Schoko nicht vergessen.

Das heißt nicht, dass es das nicht eh alles bereits „unten“ geben würde. Aber wenn’s aus dem Westen kommt, schmeckt’s eben doppelt gut.
Ach ja! Biber-Tipp Nummer 2: Die Geschenke „für alle Fälle“ nicht vergessen. Etwa zwei Kilo Schokotafeln, Kik-T-Shirts und Bonbons als Reserve einkaufen. Für Spontanbesucher aus dem Dorf müssen die „Zapadnjaci“ („Westler“ auf Serbisch) oder „Yabanci“ (Ausländer auf Türkisch) gerüstet sein.

Wenn die Einkaufsliste fertig ist, ist auch der Kofferraum bis zum Rand gefüllt und das Autodach einen Meter aufgestapelt. Da wird neben dem kompletten Kleiderschrank alles raufgepackt, was hier nicht mehr gebraucht wird, zu schade zum Wegwerfen ist und für unten noch viele gute Dienste leisten wird: Dazu zählen unter anderem der alte Fernseher, die weiß-grünen Plastiksessel von der Terrasse oder der alte Ikea-Teppich für Omas Stube. Na und wenn auf dem Dach kein Platz mehr ist, kommt der obligatorische Anhänger zum Einsatz. Den hat jeder gute Gastarbeiter in seinem Keller stehen.

Ein paar Strafzettel & zwei tote Hunde später
Gefahren wird klassisch mit dem Auto. Die, die auf den Balkan müssen, sind schon in 8-20 Stunden am Ziel. Zwei-Tages-Torturen bei 40 Grad ohne Aircondition im Mercedes sind aber auch schon out. „Esterreicher“, die das Weite erst irgendwo in der Türkei, Sri Lanka oder im Iran finden, reisen heute modernerweise mit dem Flugzeug.
Biber-Tipp Nummer 3: PKW-Fahrer müssen leider zu den hohen Spritkosten auch noch das Geld für die Strafzettel unterwegs fix einplanen. In Serbien, Bulgarien und Co reicht leider schon das ausländische Nummernschild, damit die örtliche Polizei sicher irgendein Vergehen (er)findet. Bitte auch ein wenig Kleingeld für die drei Windschutzscheiben-Waschgänge durch kleine Zigeunerkinder beim Ampelstopp dabei haben. Und spätestens viel Staub auf der Landstraße und zwei überfahrene Hunde später ist es geschafft.  

„Und, wann fahrt ihr wieder zurück?“
„Zuhause“ angekommen, macht es im Ort schnell die Runde, dass welche aus dem Westen angekommen sind. Treffen Frau Özlem oder Herr Branko einen alten Schulkollegen von damals im Ortsbeisl, ist die erste Frage, die Frau und Herr aus dem Westen zu hören bekommen: „Und, wann fahrt ihr wieder zurück?“ Das ist vielleicht nicht böse gemeint. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass zwischen den Leuten „hier“ und „unten“ nach 20 Jahren ein Bruch entstanden ist, der geprägt ist von Neid, Protz und verklärtem Nostalgiegefühl. Auch durch Gespräche über „die guten alten Zeiten“ lässt sich das kaum mehr kitten.
Bei uns gehen die Jugo-& Türken-Discos in Konkurs
Was die Elterngeneration als wehmütige Zerrissenheit empfindet, schlägt sich bei dem im Ausland geborenen Nachwuchs etwas anders nieder. Die Kids der zweiten Generation verbinden mit „unten“ vor allem ein unbegrenztes Urlaubs- aber auch Freiheits-Feeling. Im Gegensatz zum Gemeindebau hat man dort immer machen können, was man wollte. Laute Musik spielen, schreien so viel man will, Party machen. Und keiner würde etwas sagen.
Hausordnung, Ruhestörung - was ist das bitte? Das große Sommerfeeling bricht über alle herein. Während in Wien die Jugo- & Türken-Lokale in Konkurs gehen, sind im Juli und August die Dorf-Discos Nacht für Nacht gerammelt voll.

Audi, Diesel & Zorica
Das permanente Gefühl der Leichtigkeit des Lebens festigt dann leicht in jungen Wienern ein falsches Bild der Eltern-Heimat. Es gibt eine schwer definierbare Heimatliebe, verbunden mit großem Nationalstolz der Jugendlichen der zweiten Generation. Sie lieben eine Heimat, in der der Großteil von ihnen nie gelebt hat, diese eben nur aus dem Urlaub kennt, wo alles „ur leiwand“ ist. Dazu kommt, dass sie unten von ihren Ferienfreunden etwas schief angeschaut werden. Werden sie von ihnen bloß gemocht, weil sie mit den Euros von Mami und Papi locker umgehen, mit dem neuen Audi herum chauffiert werden und das eine oder andere Diesel-Teil geschenkt bekommen? „Meine Tante aus Split wollte letztes Jahr, dass ich eine Umhängetasche von Levis nicht in der Stadt trage, weil die Leute sonst sofort merken würden, dass ich ein Ausländer bin, so ne blöde Kuh“, sagt Goran. Und wenn’s grammatikalisch in der Muttersprache ordentlich hapert, dann hat man auch die Lacher ab.

Sommerliebe adé, Paprika, Lamm und selbstgebrannten Rakija für „zu Hause“
Wenn alle Gastarbeiter plus Nachwuchs sich einmal versammelt haben, geht die Party erst richtig ab. Alle sind super gelaunt, alle sind in Party-Stimmung und niemand ist mit den Gedanken bei Job oder Schule. Meist ist sie schnell vorbei, die tolle Zeit da unten. Nach vier Wochen sind fast alle Bekannte, Freunde und Verwandte zumindest einmal getroffen worden. Hochzeiten und andere Großevents sind vorbei, man ließ sich sehen und bewunderte selber. Das brach liegende Haus wurde grundgesäubert, hie und da ein Anstrich verpasst. Viele ließen die alte Dorfliebe von letztem Jahr aufflammen, um sich bis zum nächsten Jahr die ewige Liebe zu schwören. Ein letztes Mal bekommt man liebevoll Schweinsbraten zum Frühstück serviert und unvergleichlich köstliche Fleischtomaten aus dem eigenen kleinen Anbau. Und noch einmal macht man sich für die Hetz am Abend fertig. Aber diesmal müssen wir früher nachhause kommen, denn morgen stehen wir um fünf Uhr früh auf. Packen Schuhschachteln voll mit Omas Eiern, Paprika und selbst gebranntem Schnaps. Drücken die Großeltern noch ein letztes Mal, fahren ab und schauen dem kleiner werdenden Dorf lange hinterher.
Bis zum nächsten Jahr und gute Reise nach Hause!

Mitarbeit:
Zwetelina Damjanova, Nergiz Saskin, Elvira Cucujkić, Amar Rajković, Eser Akbaba

Wohin die Reise geht: Yozgat, Osijek & Mostar

Die Destinationen Türkischer Wiener tragen klingende Namen wie Yozgat, Tunceli, Kayseri und Adapazar im tiefsten Anatolien. In Schumen, Kardschali oder Blagovgrad verweilen viele Gastarbeiter Bulgariens. Und die Familien Jovanović und Stojanović zieht es in den östlichsten Zipfel Serbiens nach Kučevo oder Negotin. Während Wiener Kroaten in Osijek, Split, Knin und in der Umgebung von Zagreb urlauben, heißen die „Ferienorte“ der Gastarbeiter in Bosnien Brčko, Tazin, Mostar und Široki Brijeg.

Wie der Tag vergeht:

10 Kaffee und Eintopf zum Frühstück

Man steht um 13:00 Uhr auf, isst Omas Palaćinke, Köfte oder Kupus (Krauteintopf) zum Frischtik, begrüßt baba (Oma) und deda (Opa) und schon hört man vor dem Haus eine Hupe. Das sind die Freunde, die dich mit Auto oder Moped abholen. Es werden Freunde besucht, von Haus zu Haus, dabei trinkt man am Tag mindestens zehn Kaffee und isst dazu selbst gemachte pita (Obststrudel). Dann ist schon wieder Abend und man macht sich fertig für die Nacht. DISCO!!!! Zu saisongerecht angepassten Gastarbeiter-Preisen bereiten Feierwütige aus der Diaspora (aus Österreich, Deutschland, Schweden, Norwegen, Schweiz, USA) der heimischen Gastronomie den jährlichen Spitzenumsatz.


Das Geld aus der Fremde: Millionen für die Heimat

Vor allem in den Sommermonaten geben die Gastarbeiter viel Geld in ihren Heimatländern aus. Aber auch übers Jahr fließen enorme Summen. Laut einer Studie der Weltbank belaufen sich die weltweiten Geldflüsse auf mindestens 200 Milliarden Dollar. Das ist drei Mal mehr als die weltweite Entwicklungshilfe. „Allein die serbische Diaspora – die größte Migranten-Gruppe Wiens – schickt geschätzte drei bis vier Milliarden Euro nach Hause. Genau weiß das aber niemand“, sagt Borko Ivanković von der Magistratsabteilung 17 für Integrations- und Diversitätsangelegenheiten. Denn ein großer Teil des Geldes wird nicht per Bank, sondern persönlich versendet – entweder per Bus oder durch Bekannte.

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Kommentare

 

vielen dank für den köstlichen blog, ersuche um zurverfügungstellung des einen oder anderen pita-rezeptes.

 

Meine Mutter ist im Urlaub, aber ich verspreche dir eines ihrer Geheimrezepte online zu stellen. Ich hoffe, es scheitert nicht an der Übersetzung.

 

ist deine Mama immer noch auf Urlaub?

 

neee ist sie nicht. Was hättest denn gerne?
Kann sein, dass es bissi länger dann dauert, weil alles übersetzt werden muss.

 

irgendwas wo obst drinnen ist...
ich denke, das funktioniert dann im gleichen maße auch mit käse oder gemüse

 

ich werde bei chefköchin nachfragen, wobei ich süsse-pita eigentlich nicht kenne (außer aus der ö-ungarischen monarchie importierten apfelstrudel). Du liest hier dann mehr davon.
lg

 

hab da eins mit geraspeltem kürbis und zucker...schmeckt fantastisch und ganz einfach...frag ich meine mutter. gibts grad in jedem supermarkt. hörst von mir..
iv.cucu.

 

ja rezept wär super. vor allem aber viele varianten.
kürbis-pita, apfel-pita, kartoffel-pita, käse-pita, spinat-pita . ich glaub das waren alle sorten , die ich jemals gegessen hab.

super bericht! aber die frage stellt sich mir, ob der mann eine perücke an hat,oder so eine naturhaarpracht?

und kennzeichen hättets vielleicht verdecken sollen :))

 

kürbis-pita=tikvara (ein sehr eigener Geschmack, entweder man liebt oder hasst es )
apfel-pita, wird meines wissens nach als apfelkuchen bei uns bezeichnet, verdient also den zusatz "pita" nicht
kartoffel-pita=krompiraca (meine Lieblingspita, unglaublich würzig und süchtigmachend; gibts in verschiedenen Ausführung bspweise als mjesani burek, d.h. zum hauptzutat erdäpfel kommt fleisch dazu)
käse-pita=sirnica (schmeckt bissi fad, sehr beliebt bei kleinen kids)
spinat-pita=zeljanica (sehr intensiver Geschmack, nicht zuletzt seit Popeye wissen wir, wie gesund Spinat ist, meins war sie trotzdem nie, liegt vor allem daran, dass mir meine Mutter als Kind sehr oft Spinat zum Essen gegeben hat, nun hab ich genug fürs ganze Leben;)

was den Mann mit dem Prachthaar betrifft: Er wäre sehr beleidigt, wenn ich ihm von deiner Vermutung berichten würde.

 

suuuper amar. kennst dich ja bestens aus. respekt.
aber bundeva ist nicht das gleiche wie tikva. ich glaube die pita heißt bundevara. bin mir nicht sicher.
alles andere verwende ich garnicht in der richtigen ausdrucksform. ich äußere meine wünsche an die oma immer mit "baba pravi mi pitu sa krompirom etc. hab das rezept etwas ausgeweitet und tu klein gehackte champignonstückchen zu den kartoffeln rein plus paprika gewürz.
bin schon gespannt auf die zahlreichen rezepte. andere gerichte auch nicht vergessen.
pogaca, sataras(h) usw.

 

jax hat geschrieben, es gibt apfel-pita, darum meine nachfrage, und vielleicht auch um den vergleich zu den unsrigen leckereien (obstig wie auch gemüsebasiert) herauszufinden.

 

hier hast du die richtige adresse für pite.

damit du zuerst weißt, wie sowas schmeckt und die unterschiede (obstig, gemüsebasiert) herausfinden kannst. wenns dir schmeckt und du ungefähr weißt, wie das ganze aussehen soll, mach dich dann ans rezept ran.

PITARA
Huberg 9/5
1160 Wien

 

...sehr orginalgetreu.

 

jeah , neue frau biberic.
willkommen :)

 

ich muss sagen, ihr alle seit sehr talentierte und ambitionierte Leute:)
immer weiter so...

 

danke *rotwerd* im namen der redaktion. :))

 

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