Tschuschin im Parlament

30. Juli 2009

Peinliche FPÖ-Abgeordnete, artfremde Interventionen von rechts außen: Die Grüne Abgeordnete Alev Korun, selbst gebürtige Türkin, berichtet über ihre ersten Monate im Nationalrat.

 

 



Eine Gruppe kanadischer Politikerinnen und Politiker besuchen das österreichische Parlament. Beim Treffen mit hiesigen Abgeordneten erzählen sie völlig selbstverständlich von ihren eingewanderten Vorfahren aus Rumänien, Ungarn, Italien ... „Kanada ist eben ein Einwanderungsland“, sagen sie stolz. Ein FPÖ-Abgeordneter meldet sich zu Wort: „Ah, jetzt verstehe ich den Unterschied zwischen Österreich und Kanada! Kanada hat das Land offensichtlich nur mit Ausländern aufgebaut, wir Österreicher dagegen haben unser Land immer selber aufgebaut!“.
Gekichere bei den Kanadiern. Sie halten die Wortmeldung für einen Scherz. Erst die peinliche Ruhe verrät ihnen, dass das kein Witz war. Der Vertreter der Parlamentsdirektion windet sich: „Jesus“, seufzt er...


Aba mia san goar net a so ...

Einen Monat nach meiner Angelobung als erste Nationalratsabgeordnete „mit Migrationshintergrund“ kommt ein Parlamentarier aus einer der beiden Rechtsaußen-Parteien zu mir und sagt, mich duzend: „Du, Frau Kollegin, ihr setzt euch ja für Langzeitasylwerber und für ein Bleiberecht für die ein!“. Ich: „Ja. Und?“. Er: „Ich kenn da eine junge Frau, die schon seit Jahren auf Asyl wartet und dann abgelehnt wurde. Es ist aber ganz eine liebe. Kannst du dich für sie einsetzen?“.
Ich: „Häh??? Ihr wollt doch, dass solche Leute sofort abgeschoben werden und alle unsere Vorschläge für ein Bleiberecht lehnt ihr ab!“ Er gedehnt: „Jaaaa, oba i bin goar net a so. Waßt eh, öffentlich kann i mi net einsetzen für die. (Dann sich zu mir neigend, flüsternd:) Du verstehst scho. I hob denkt, du könntest wos machen“. Und geht.  

Wer unsere Gastfreundschaft missbraucht ...
Mitte Juni diskutiert das Parlament meinen Vorschlag, Menschen, die über die sogenannte Familienzusammenführung nach Österreich kommen, ein unabhängiges Aufenthaltsrecht zu geben. Dies würde vor allem die Frauen stärken.
Nach mir meldet sich ein Abgeordneter der ÖVP zu Wort: „Ihrem Antrag können wir nicht Rechnung tragen. Wir sind nämlich der Meinung, dass wir gerade in der jetzigen Situation alles daran setzen müssen, Asylmissbrauch hintanzuhalten“. Ich rufe dazwischen: „Es geht um Familienzusammenführung!!!“. Er unbeirrt: „Wer unsere Gastfreundschaft missbraucht und in unserem Land straffällig wird…“, - Ich dazwischen: „HAALLOO, es geht um Familienzusammenführung!“. – Er weiter: „…hat kein Recht auf Asyl“.

Wenn’s Ihnen net passt ...

Bei der Debatte über die von mir befürwortete Abwahl von Martin Graf (Dritter Nationalratspräsident mit zu großem Hang nach rechts) ruft ein FPÖ-„Kollege“ mir zu: „Wenn’s Ihnen net passt, können’s ja wieder gehen“. Diese Freude werde ich ihm sicher nicht machen ...





wer ist sie

name: alev korun
funktion: abgeordnete der grünen
wurzeln: türkei, istanbul
problem: zu wenig schlaf, weil kleinkind und job

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Kommentare

 

das sind ja köstliche geschichten :-)
da erfährt man viel mehr als mit dem üblichen pr-mist, der uns tagtäglich eingedroschen wird

 

...wieso wundert mich das eben Gelesene nicht?

 

Mich wunderts echt auch nicht.
cooles interview scharf!

 

sehr lässig ...

 

Sehr sympathisch die frau korun :))

 

der Artikel war echt lustig zum Lesen

 

Dieser Artikel hat mir wirklich Freude bereitet.

Bin selbst Migrantin und möchte mich so gerne selbst politisch angagieren, weil es so vieles gibt in Österreich, was man ändern sollte. Mangels Staatsbürgerschaft geht das leider (noch) nicht. Wünsche Frau Korun viel Glück und gute Nerven und viel Spass bei der Tätigkeit als Nationalratsabgeordnete :-).

Wir sind stolz, dass du s geschafft hast :-)).

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