Achtung, Haram-Polizei!

07. November 2017

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Kopftuch, Männer, Muslime, Kritik, Doppelmoral
Foto: Mamo Issa

Warum man es als kopftuchtragende Muslima niemandem recht machen kann. 

Als ich das Kopftuch das erste Mal vor drei Jahren angelegt habe, hatte ich furchtbare Angst. Ich erinnere mich noch, wie ich mit Herzklopfen die Straße entlang gegangen bin und pedantisch auf die Blicke meiner NachbarInnen geachtet habe. Jede muslimische Frau kennt zumindest eine Frau, die wegen ihres Kopftuchs beleidigt, beschimpft und in manchen Fällen sogar verletzt wurde. Ich habe also von Anfang an mit dem Schlimmsten gerechnet. Worauf ich jedoch nicht vorbereitet war, waren die Beleidigungen, die mir MuslimInnen entgegengeworfen haben.

Was darf man mit dem Kopftuch?

Ich sitze in der U-Bahn, auf dem Weg nach Hause vom Freitagsgebet. Ein völlig fremder Mann – wie sich gleich herausstellen wird, ist er Muslim – spricht mich auf Englisch an. Nach kurzem Smalltalk sagt er mir, dass mein Kleidungsstil nicht zu meinem Kopftuch passt. Meine Hose und mein Hemd seien viel zu eng. Wäre es bei diesem einen Kommentar geblieben, hätte ich es vielleicht als einmaliges Erlebnis abgeschrieben und wieder vergessen.

In den letzten drei Jahren bin ich aber vielen muslimischen Männern – und auch einigen Frauen – begegnet, die sich selbst zu RichterInnen über kopftuchtragende Frauen ernannt haben. Sie urteilen und geben Musliminnen ungefragt „Ratschläge“, wie sie sich als Frau mit Kopftuch zu verhalten und was sie zu tragen haben. Ob nun direkt, indem sie ihnen sagen, dass ein Kopftuch und eine Hose unvereinbar wären oder indirekt, indem sie mit ihren FreundInnen im Bus darüber reden, dass man nicht auf religiös tun sollte, wenn man sich „so“ anzieht. Letzten Monat ist ein Twitter-User sogar so weit gegangen, die pakistanische Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai dafür zu kritisieren, dass sie an ihrem ersten Tag als Studentin an der Oxford Universität eine Skinny Jeans und Stiefel anhatte. Wen interessiert’s, dass sie mit 15 für ihr Recht auf Bildung fast getötet wurde, und sich jetzt endlich ihren Traum erfüllt? Das Wichtigste ist natürlich, was sie anhat!

Eine herrliche Doppelmoral

Es gibt eine Sache, die mir besonders zum Hals raushängt: Der Hinweis, ich repräsentiere – nun, da ich ein Kopftuch trage – die muslimische Community und den Islam. Deshalb sei es besonders wichtig, penibel auf mein Auftreten in der Öffentlichkeit zu achten. Ich soll immer feminin, hübsch und höflich sein, nur so gebe ich das perfekte Bild einer Muslima ab. Ob Männern solche Aussagen an den Kopf geworfen werden? Nicht, dass ich Wind davon bekommen hätte.

Damit setzt man Frauen unter Druck. Ja, wir sind Teil einer Minderheit, die momentan in der Öffentlichkeit keinen guten Ruf genießt. Ja, viele haben deswegen berechtigte Sorgen. Wenn wir aber erwarten, dass eine einzige Person das ganze Image einer Community trägt, unterscheiden wir uns nicht von den Menschen, die aufgrund der Taten eines einzigen Muslims auf den Charakter aller MuslimInnen in Österreich schließen.

Das wirklich Lachhafte an der ganzen Situation ist, dass jene muslimischen Männer, die mich in der Vergangenheit auf meinen „unanständigen“ Kleidungsstil aufmerksam gemacht haben, die islamischen Kleidungsvorschriften für Männer selbst nicht eingehalten haben. Das, obwohl sie viel einfacher ist als die der Frauen: Alles, was sie tun müssten, ist den Bereich ab dem Bauchnabel bis zu den Knien zu bedecken und – genauso wie Frauen - auf enge Kleidung verzichten. Aber die Männer, die mich für mein „Fehlverhalten“ kritisiert haben, hatten entweder Shorts an, die nicht lang genug waren oder enge Hosen und Shirts.

Hört auf!

Liebe Leute, die glauben, andere eines Besseren belehren zu müssen: Hört auf damit! Wir muslimischen Frauen mit Kopftuch sind in Österreich schon genug Kritik ausgesetzt, da braucht es keine Haram-Polizei aus der muslimischen Community, die uns erklärt, wie wir uns anzuziehen haben.

Es ist unangenehm, wenn der eigene Körper von Fremden zum Objekt gemacht wird. Es gibt zudem unterschiedliche Gründe, wie und warum eine Frau ein Kopftuch trägt. Es gibt Musliminnen, die am liebsten einen Turban tragen und solche, die nichts dagegen haben, etwas Haut zu zeigen oder in Skinny Jeans aus dem Haus zu gehen. Es gibt Musliminnen, die sich auch nur in langen Kleidern wohlfühlen, die ihren Körper gar nicht betonen und andere, die nur einen Teil ihres Haares bedecken wollen. Die muslimische Community ist keine homogene Gruppe und das sollten wir alle endlich verstehen. Jede Frau hat das Recht, sich so anzuziehen, wie sie es für richtig erachtet. Keine dieser Frauen ist alleine aufgrund ihres Kleidungsstiles weniger oder mehr muslimisch. Und wenn ihr schon nicht auf mich hören wollt, dann hört zumindest auf den Propheten Muhammed: „Allah sieht weder auf eure Körper, noch auf euer Aussehen, sondern in eure Herzen“ (überliefert nach Sahih Muslim). 

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Kommentare

 

sieht so aus, dass es gesellschaftspolitisch weiterhin äusserst spannend bleiben wird in A.

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