„Auch ein Anwalt braucht Elektriker“
Statistisch gesehen gehen Kinder aus Akademikerfamilien öfter an die Uni, als dass sie eine Lehre absolvieren. Der 24-jährige Vincenc Bauer ist die Ausnahme: Der Akademiker-Sohn hat eine Lehre in Elektro- und Gebäudetechnik absolviert. Mit uns spricht er über seinen Werdegang, Vorurteile und das Stigma rund um die Lehre.
Von Sueda Altinay und Florentina Glüxam, Foto: Christoph Liebentritt
BIBER: Vincenc, du kommst aus einer Akademikerfamilie. Wieso hast du dich so gesehen eher untypisch für eine Lehre entschieden?
VINCENC: Das liegt daran, dass ich mit 16 einfach faul war. Ich habe gemerkt, dass Lernen nichts für mich ist. Ich habe gemerkt, dass ich unglücklich werde, wenn ich die Schule weitermache. Deshalb habe ich mich für etwas Praktisches entschieden.
Und was genau war das?
Ich habe eine Doppellehre in Elektro- und Gebäudetechnik bei der ÖBB absolviert. Die Ausbildung war teils praktisch, dann aber auch sehr viel Theorie neben der Berufsschule. Ich bin also gelernter Elektriker. Jetzt arbeite ich seit knapp drei Jahren bei McShark als Vice Store Manager.
Wie hat dein Umfeld darauf reagiert, dass du eine Lehre machen willst?
Für meine Eltern gilt der Grundsatz: „Man muss etwas machen im Leben.“ Zuhause am Sofa sitzen und Film schauen ist nicht. Somit war es von meinen Eltern gewollt, dass ich entweder die Schule fertig mache oder eine Berufsausbildung. Ich hab mich dann für den Beruf entschieden. Mein Vater ist Geschäftsführer und hat Wirtschaft studiert, meine Mutter ist Pfarrsekretärin und studierte Versicherungsmathematikerin.
Sie haben dich also nicht zu einem Studium gedrängt?
Absolut nicht. Sie haben mir die absolute Freiheit gelassen und mich in meinem Vorhaben unterstützt.
Würdest du dich heute von selbst anders entscheiden?
Es gibt schon Momente, in denen ich mir denke, dass eine Matura zu haben gut wäre. Andererseits nein, weil ich mit meiner Wahl zufrieden bin.
Mit welchen Vorurteilen wirst du konfrontiert?
Die Lehre ist in der Gesellschaft allgemein sehr stigmatisiert. Ich hatte damals bei der Lehre relativ frisch eine Freundin, deren Mutter ziemliche Vorurteile hatte, da ich Lehrling war. Leider erkennen die Menschen eine Lehre nicht als gleichwertig mit einer höheren Ausbildung an. Was ich mir aber immer selbst gesagt hab, wenn ich mit blöden Kommentaren konfrontiert wurde: „Der Anwalt, der mich jetzt als Idioten sieht, braucht mich aber, wenn bei ihm zuhause der Strom nicht funktioniert.“ Ich finde das ganz wichtig, dass man sieht, dass diese Berufe super wichtig für unser Allgemeinwohl und unsere Gesellschaft sind. Mittlerweile ist das ein bisschen untergegangen, dass ich eine Lehre gemacht hab. Die meisten glauben, ich habe eine Matura und hätte studiert. Mir war aber auch immer wichtig, dass ich nicht wie dieser stigmatisierte Lehrlingstyp rüberkomme, der nichts im Leben schaffen will. Meinen Eltern war auch immer wichtig, dass ich höflich bin und ein gutes Auftreten habe.
Würdest du generell empfehlen, eine Lehre zu machen?
Absolut! Wenn es Leuten so geht wie mir, die in der Schule sitzen und eigentlich keinen Sinn darin sehen. Mit meinem jetzigen Job bei McShark bin ich sehr glücklich.
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