Beziehungsstatus: Angst.
Liebe:r Leser:in, hast du auch das Gefühl wie ich, dass intime Beziehungen immer verkrampfter, unverbundener und unmenschlicher werden? Ich erlebe immer wieder bei manchen Menschen bestimmte Haltungen ihrem Beziehungsstatus gegenüber, die mich narrisch machen.
von Jad Turjman
Gefühlt erzählen mir alle dieselbe Geschichte: "Wir treffen uns regelmäßig zum Netflixen und Vögeln. Hin und wieder gehen wir zusammen essen, reden über alles Mögliche, lachen über Andere und schreiben einander vor dem Einschlafen und nicht selten beim Aufwachen, aber Beziehung würde ich das nicht nennen. Um Gottes Willen. Wir dürfen nicht mal darüber reden. Sonst bin ich weg. Klar schweben da Gefühle, aber ich will mich nicht festnageln und dem Ganzen die Leichtigkeit nehmen. Ich möchte nebenbei weiterhin auf Dating-Apps aktiv sein dürfen. Vielleicht matche ich jemanden, der besser zu mir passt. Verstehst du mich?“ Wallah, nein, tue ich nicht, aber ich möchte gerne verstehen. Ich versuche ständig mein Empathievermögen zu trainieren. Manchmal gelingt es mir besser, manchmal weniger. Ich will verstehen, warum wir so schnell und unliebsam Menschen wegwerfen, so wie Kinder ihre Spielzeuge behandeln, warum wir eine Generation sind, die Angst vor Intimität und Verbundenheit hat und lieber in ihren Bedürfnissen und den der Anderen mit einem scharfen Messer herumstochert. Eine Freundin sagte mir über ihren Beziehungsstatus, den sie schon monatelang als „am Laufen“ bezeichnete: „Wenn ich mit dem Typen nicht offiziell zusammen bin, kann er mich nicht verlassen und ich bin die Frau meiner Emotionen.“ Nach einigen Wochen schrieb sie mir weinend, dass der Typ sich nicht mehr meldet. Sie war traurig, weil ihre Nicht-Beziehung beendet wurde. What a mess?
Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich ein Übermensch bin und die Dinge besser mache. Ich habe ebenfalls meine Bedürfnisse, meine früheren Verletzungen, Ängste vor Zurückweisung und vorm Verlassenwerden, die ich mit mir herumschleppe. Aber ich bin überzeugt, dass man keine tief verbundene Beziehung eingehen kann, solange man den Panzer der Coolness, des Wildseins und der Lässigkeit nicht ablegt. Wenn wir unsere Verletzlichkeit nicht zeigen können, gibt es keine echten, authentischen, zwischenmenschlichen Beziehungen für uns. You should take risk. Wir Menschen haben den Hang, immer mehr zu wollen, aber weniger zu investieren. Es geht mir nicht darum, zu sagen, dass nur geschlossene Beziehungen valide sind. Es geht mir um Menschen, die sich aus Angst nicht bekennen wollen, die an der Plastikoberfläche ihrer Gefühle bleiben, diese Ängste Freiheit nennen und für ihre Bedürfnisse keine Verantwortung übernehmen. Es geht mir um die innerliche Leere und unerfüllte Sehnsüchte, die die Nicht-Beziehung birgt. Was wir brauchen, ist Mut. Mut, zu unseren eigenen Bedürfnissen zu stehen. Mut, mit uns die Zeit alleine zu verbringen, die Einsamkeit auszuhalten und liebevolle Beziehung zu uns selbst pflegen zu können, und nicht auf jede halb potenzielle Chance zu springen, um den Schmerz nicht zu spüren.
Du stehst dir selbst im Weg zur Liebe
Ich bin nicht sonderlich mutig. Ich weiß jedoch, was ich will, ich möchte Verbindlichkeit und das kann mein Gegenüber erfüllen oder nicht. Ich habe mich von Tinder und Co. schon längst abgemeldet. Und das rate ich jedem und jeder, bevor du Dating-Apps runterlädst, lerne erst mal diesen einen Menschen im Spiegel kennen. Habe Mitgefühl mit ihm. Streichle seinen Schmerz. Umarme seine Dämonen. Realisiere, dass du ein Haufen Emotionen, Hormone und Bedürfnisse bist, und dass das schön ist. Aber diese Tatsache darf dich nicht von einem Sumpf in den anderen zerren. Der Vorteil ist, wenn man mit sich erst mal im Reinen ist, dass man es nicht nötig hat, seinem Bauchgefühl zu widersprechen, wenn es uns ganz eindeutig alle Alarmsignale sendet. Und dass man nicht nur bedürftig ist und nehmen will, sondern man kann auch geben. Aus diesem Bewusstseinsstatus wirst du zwangsläufig die richtigen Menschen anziehen. Rumi schrieb einst: „Deine Aufgabe ist nicht die Liebe zu suchen, sondern nur die Hindernisse in dir zu suchen, die du dagegen aufgebaut hast.“
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