Das war der biber-Shisha-Talk: „Muslimen reicht‘s“

25. Juli 2018

Biber Talk

Ein Bild wie aus einem Sommernachtsmärchen. Ein schattenspendender Kastanienbaum, ein persischer Teppich, ein holzgeschnitzter Couchtisch, Shisha-Nebelschwaden im Karls Garten. Das Setting für den ersten Biber-Shisha-Talk im Garten, neben der Kunsthalle am Karlsplatz hätte gar nicht malerischer sein können. Das Thema: „Muslimen reicht’s“ – eine Anspielung auf die aktuelle Biber-Cover-Geschichte, die über das Phänomen junger Austromuslime berichtet, die unter dem zunehmend verschärften Ton gegenüber ihren Glaubensbrüdern zu leiden haben. Sind die Maßnahmen und Pläne der Regierung, wie das Kopftuchverbot in der Schule, ehrlich gemeint, oder macht die Politik nur billige Propaganda auf dem Rücken von einer muslimischen Minderheit?

Biber Talk

Muamer Becirovic hatte es nicht leicht in der Runde. Er erfuhr eine Stunde vor der Diskussion, dass sein rhetorisches Geschick überhaupt gefragt wird. Becirovic sprang als Ersatz für den Wiener FPÖ Gemeinderat Leo Kohlbauer ein. Der hatte sich ursprünglich angekündigt, das Abendland zu retten. Blöderweise kam ihm eine Sommergrippe in die Quere, was er auch mit einem mitgeschickten Foto vom Fieberthermometer beweisen wollte. Zurück zu Muamer, der sich als säkularer Muslim sieht und trotzdem die Missgunst vieler anwesenden Muslime zu spüren bekam. Als Bezirksobmann der Jungen ÖVP in Rudolfsheim Fünfhaus steht er für viele Muslime stellvertretend für die antimuslimische Politik, die von der Bundespartei betrieben wird. Selbst als Querulant in der eigenen Partei von manchen betrachtet, spielte Becirovic gestern den „bad muslim“. Die rund 800.000 Muslime müssen sich endlich am Riemen reißen und mehr in der Gesellschaft reißen. „Wo bleiben die erfolgreichen Muslime in Wirtschaft, Politik?“, fragt er das Publikum und die anwesende Autorin Amani Abuzahra ("Mehr Kopf als Tuch") bzw. Gözde Taskaya von „Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft.“ Ein Raunen geht durch das Publikum. Und das sei an dieser Stelle erwähnt: Im Gegensatz zu gewöhnlichen Islam-Diskussionen, in denen über und nicht mit Muslimen geredet wird, bot der biber-Talk gelebte Diversität. Neben den schon erwähnten Personen, nahmen auch biber-Journalistin Melisa Erkurt und NMS-Direktor Christian Klar unter dem Kastanienbaum Platz.

Biber Talk

Die Diskussion blieb lange nicht so romantisch wie das Ambiente im Karls Garten am Karlsplatz. Den Vorwurf des „In-der-Opferrolle-Suhlens“ der Muslime, der auch aus der Politik bekannt ist, wollte Abuzahra nicht auf sich sitzen lassen. „Die Realität ist eine andere, wie „Zara“ (Zivilcourage und Antirassismusarbeit) oder die Diskriminierungsstelle für Bildung belegen. Die Übergriffe  auf sichtbare Muslima mit Kopftuch haben zugenommen, weil die Menschen in den politischen Handlungen ihre Legitimation für solche Aktionen finden“, so Abuzahra. Gözde Taskaya nickt zustimmend, Christian Klar sieht die Sache etwas anders. Der Direktor ist schon seit 30 Jahren im Schulgeschäft und angeblich sind alle seine muslimischen Schüler antisemitisch. "Wirklich alle?", ob das nicht ein Pauschalurteil ist, will Melisa Erkurt von Klar wissen. Die Biber-Journalistin ist eine Schul-Insiderin. Sie hat die Story des Jahres 2016 „Generation haram" über die Verbotskultur muslimischer Jugendlicher verfasst und leitet das prämierte biber-Projekt „Newcomer", das in sozialen Brennpunktschulen stattfindet. Also genau solche Schulen, wie die Franz Jonas Europaschule in Floridsdorf, deren Direktor Christian Klar ist. Der horcht mit einer überraschenden Forderung auf: „Alle religiösen Symbole verbieten, ganz egal, ob Kopftuch, Kippa, Kreuz.“ Mal eine neue Stimme in der Debatte, die zwar von einer religionsfreien Schulklasse spricht, aber das Kreuz als Symbol der christlichen Abendkultur nicht abhängen will.

Biber Talk

Aus dem Publikum kommen sowohl Meldungen, die sich kritisch gegenüber islamistischen Tendenzen äußern als auch jene, die in der Islam-Debatte eine fadenscheinige, fremdenfeindliche Diskussion sehen. Darunter ein junger Lehrer, der sich wundert, wo denn die ganzen Lehrerinnen mit Kopftuch bleiben. Wie auf Knopfdruck meldet sich eine 28-jährige Lehrerin, die ihren Dienst im September anfangen wollte. Blöderweise wollte sie keine Schule aufnehmen, deswegen überlege sie auch etwas anderes zu machen. Die alles entscheidende Frage des Abends: Was war zuerst? Henne oder Ei? Die Diskriminierung von Muslimen oder ihr „Mindset“, das sie selbst in diese Rolle führt? Der Talk bot zwar keine endgültige Antwort – jedoch eine große Anzahl an gegensätzlichen Polen, die sich auch eine Stunde später leidenschaftliche Wortgefechte lieferten. Für Christian Klar liegt die Bringschuld eindeutig bei Muslimen, denn in „Österreich kann es jeder schaffen, der es möchte.“ Erkurt sieht das nicht so und ergänzt den Satz mit – „wenn er weiß und männlich ist“. Dafür gibt es Applaus und anschließendes Kopfschütteln, als der Direktor von einem positiven Integrationsbeispiel aus seiner Schule spricht: „Ein junges, hübsches, afghanisches Mädchen mit wallendem Haar". Im Umkehrschluss: Ist Integration nur ohne Kopftuch möglich? Solange Kippa und Kreuz da auch mitmachen, gar keine schlechte Idee.

Text: Amar Rajkovic

Fotos: Kristjan Morina

Biber Talk

TV Tipp: Die biber Talk Diskussion könnt ihr ab 19:00 im ORF Wien in "Wien heute" anschauen und hier auf der Facebook Seite von Plan B.

 

scharfe Post

Noch mehr scharfer Journalismus gefällig? Den gibt's einmal wöchentlich auch in dein E-Mail-Postfach. Und zwar hier.

Bereich: 

Kommentare

 

wie vor keine überflüssigen "Talks" mit Buddhisten, Juden, Hindus oder Atheisten nötig...

Das könnte dich auch interessieren

Collage: Zoe Opratko
   Keine Bevölkerungsgruppe wird in...

Anmelden & Mitreden

7 + 3 =
Bitte löse die Rechnung