Auch sie gehören zum Straßenbild Istanbuls – die Transsexuellen. Melis und Burçin über ihren Arbeitsalltag zwischen Nachmittags- Soaps, Polizeikontrollen und erogenen Zonen.

Als wir eintreten, stehen die Kekse schon bereit, Melis gießt uns einen heißen Tee in die hübschen
Cay-Gläser. Dabei muss sie aufpassen, dass sie sich nicht zu sehr bückt, schließlich hat sie sich für

die Arbeit hergerichtet und tragt deshalb einen Minirock. Burcin, die Altere der beiden, ist leger gekleidet, mit Pulli und Jeans, dazu ein roter Lippenstift. Die beiden Transvestiten wohnen seit Kurzem zusammen, im verrufenen Viertel Tarlabaşı, nahe bei Taksim. „Ich war schon immer so“, erzählt die 20-jahrige Melis. „Vor der Pubertat hielten mich die Freunde meiner Eltern fur deren Tochter. Ich möchte gänzlich zur Frau werden, inşallah.“ Fur Burcin kommt eine OP nicht in Frage, „das wurde meiner Arbeit schaden. Zu mir kommen Männer, die beides wollen:
Oben Frau unten Mann. Melis arbeitet „passiv“, also setzt ihre „Männlichkeit“ bei ihren Kunden

nicht ein. Durch die Einnahme von weiblichen Hormonen, die das Brustwachstum fordern, ist dies sowieso nicht mehr moglich.

Der Tagesablauf der beiden ist immer derselbe. Meistens schlafen sie bis elf oder zwölf Uhr vormittags. Dann wird gekocht und eine Serie nach der anderen geschaut. Am Abend ruft die Arbeit.

Melis ist in einem Szeneclub angestellt. Wenn sich jemand für sie interessiert, ruft man sie an den Tisch und bietet ihr etwas zu trinken an. Bei der Wahl ihrer Kundschaft ist sie zwar nicht wählerisch

aber „er muss viel Bares haben“. Burcin steigt schon mal in ein Auto. „Es ist schon einmal vorgekommen, dass ich alleine zu vier, fünf Männern ins Auto gestiegen bin. Ich checke die Leute ab und erkenne sofort, wenn jemand keine gute Seele hat.“

Die Polizei in Istanbul macht den beiden das Leben nicht leicht. „Die haben es auf uns abgesehen. Neulich bin ich in einem Cafe gesessen und habe mir einen Kaffee gegönnt, als die Beamten

hereinstürmten und mich ohne Grund aufs Revier schleppten.

Dort musste ich einen Wisch unterschreiben, darauf stand, dass ich das öffentliche Ärgernis erregt hatte.“

Die beiden halten weiter durch, denn sie fühlen sich gefragt:

„Die Manner holen sich bei uns, was sie zu Hause nicht kriegen. Wer einmal bei einem Transvestiten war, kann darauf nie wieder verzichten. Wir sind selber Manner und kennen unsere erogenen

Zonen. Frauen streicheln mal hier und mal da – und das war’s dann auch schon.“