Fette Karre, leerer Tank

11. Juni 2012

 

 

Smartes Phone, steile Karre, geiler Style: das gehört für viele junge Migranten zur Grundausstattung. Doch wer kann sich das alles wirklich leisten?

Es ist einer der schönsten Augenblicke im Leben des Dragan F*. Er sitzt in seinem neuen, tiefer gelegten BMW 7 und fetzt über die Ottakringer Stra.e. An der Seite seine heiße Braut, am Rücksitz seine Kumpels Nenad und Branko. Sie parken vor der Disko, dann feiern sie die Nacht mit Vodka, Gin und Turbofolk durch. Dragan schmeißt eine Runde nach der anderen. Mit seinen 2000 € monatlich kann der Checker sich das leisten, genauso wie sein smartes Handy und seine Marken-Klamotten. Nur sein BMW ist auf Pump. Eine Rate abzustottern ist leichter als sparen, denkt sich Dragan.

PS-Falle

Nach der Disco braust er nach Hause. Er übersieht ein Auto. Es kracht! Schwer verletzt ist niemand, doch sein Auto ist ein Totalschaden. Plötzlich sitzt Dragan nicht mehr in seinem BMW, sondern auf einem riesen Berg Schulden: Für den Kredit muss er weiter blechen, dazu kommt ein Versicherungsregress, weil er bei dem Unfall alkoholisiert war. Sein Schuldenberg wächst mit der Zeit auf 75.000 €. So wie Dragan stecken viele junge Migranten in der Schuldenfalle. Sie wollen zeigen, was sie haben – ob unter der Haube, am Handgelenk oder in der Handytasche. Es kann ihnen nicht schnell genug gehen. Und wenn das Sparschwein für den passenden Status zu mager ist, nehmen sie sich locker und lässig einen Kredit. Spielt die Hausbank nicht mit, gibt es ja immer noch den Kredithai um die Ecke. Das geht so lange, bis alles stillsteht – zum Beispiel der protzige Audi vor der Tür, weil das Geld für den Tank fehlt. „60-70 Prozent aller, die die Schuldnerberatung aufsuchen, sind Migranten“, sagt Alexander Maly von der Wiener Schuldnerberatung. Die Dunkelziffer ist groß. Die meisten Schuldenopfer trauen sich erst gar nicht zu ihm. „Vor der Schuldnerberatung war ich Sozialarbeiter. Seither weiß ich: Menschen reden lieber über ihre Alkoholsucht als über ihre Schulden.“

Die Durchschnittsverschuldung unter verschuldeten Migranten liegt bei 37.000 €. Männer sind häufiger verschuldet als Frauen, die Frauen holen aber auf. Bei den Männern sind Autos und Wetten die gef.hrlichsten Schuldenfallen, bei Frauen der Shopping-Wahn, die Handy-Sucht oder die Bürgschaft für den Ehemann.

Handy-Falle

Ajse A., die 30-jährige Türkin, fährt mit 81.000 € Schulden sogar Autofreak Dragan davon. Ihr wurde eine Kombination aus Handy-Sucht und Kaufrausch zum Verhängnis. Als das erste iPhone auf den Markt kommt, muss Ajse es sofort haben. Aus dem bestehenden Handyvertrag kommt sie nicht raus, deshalb unterschreibt sie einen neuen. Daraus werden in Summe vier Verträge mit einer monatlichen Grundgebühr von 200 €. Alexander Maly sagt: „Die Handyanbieter mit ihren Null-Euro-Handys haben sich zu einer richtigen Plage für die Geldtasche entwickelt. Viele Jugendliche unterschätzen die Kosten, die monatlich über zwei Jahre lang anfallen.“ Da die Jungs einem iPhone alleine nicht nachgaffen, legt sich Ajse die neuesten Hosen und schicksten Blusen aus den Trendläden zu oder shoppt ihre Lieblingsteile per Mausklick im Internet. So häuft sie Schulden bei insgesamt 40 Gläubigern an.

 

Wett-Falle

Von Telefonieren und teuren Autos hält Srdjan T. nichts. Er geht lieber nach der Hackn auf ein Bierchen ins Wettbüro. Anfangs setzt er sich regelmäßig zu den Spielautomaten und zockt eine Runde. Später packt ihn das Pokerfieber. Mit den Jahren sammelt der 30-jährige Bosnier 200.000 € Schulden an. Wegen seines guten Einkommens bekommt er bei drei österreichischen Banken einen Kredit. Für den einen bürgt seine Frau, für den anderen sein bester Freund. Beide stehen jetzt mit über 50.000 € in der Kreide.

Fitness-Falle

Im Gegensatz zu Srdjans Schulden sind die von Halil R. Peanuts. Heute ist er 22. Zum 18. Geburtstag schreibt er sich sofort ins Fitness-Center ein. Der Vertrag läuft auf ein Jahr. Weil er die Kündigungsfrist verpennt, muss er ein weiteres Jahr bezahlen. Eine Zerrung im Muskel, die er sich beim Pumpen holt, setzt ihn für längere Zeit außer Gefecht. Als er wieder arbeiten kann, sagt sein Chef auf der Baustelle: „Wir mussten wen Neuen beschäftigen, du bist raus für diese Saison. Im nächsten Jahr geht’s für dich weiter.“ Sein Job ist futsch, die Rechnungen bleiben. Halil rutscht ins Minus und wenn er heute noch pumpt, pumpt er höchstens seine Eltern an.

 

Egal ob Dragan, Ajse, Srdjan oder Halil - sie sind nicht die einzigen, die leiden. Oft ziehen sie ihre Liebsten mit in den Schuldenstrudel, die für sie bürgen und dabei oftmals selbst Schulden machen.

Kredit-Falle

Mit der Finanzkrise 2008 sind die Banken vorsichtiger geworden. Sie prüfen ihre Kunden auf Herz und Nieren, bevor sie den Geldhahn aufdrehen. Nicht so der Kredithai ums Eck, der „in jeder Lebenslage“ hilft. Er bietet „Soforthilfe ohne Sicherheit“ und „ohne lange Warterei“ - „gerne auch in der Muttersprache“. Wenn Leute, wie Dragan, Ajse oder Srdjan dann in der Falle sitzen, bei.t der Kredithai mit Wucherzinsen zu. „Sie kassieren ihre Provision und vertschüssen sich. Natürlich gibt es auch seriöse Kreditvermittler. Aber viele von ihnen sind dubios und man sollte ihnen auf keinen Fall trauen“, sagt ein Bankberater.

Rettungsanker

Für viele junge Schuldenopfer bleibt nur ein Ausweg: der Privatkonkurs. „Viele fürchten sich davor. Doch das ist die einzige Chance, dem Teufelskreis aus Pf.ndungen und l.stigen Inkassobüros zu entkommen“, sagt Maly. Wenn man Konkurs anmeldet, wird sieben Jahre lang alles gepfändet, was pfändbar ist. Anschließend ist man schuldenfrei. Zurück zu Dragan: Er hat eingesehen, dass er Hilfe braucht.

Deswegen fährt er nun regelmäßig zur Schuldnerberatung - nicht mit dem BMW, sondern mit der Bim.

 

von Amra Dučić und Philip Tomsich (Fotos)

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Kommentare

 

Ich habe oft den Eindruck, dass sich diese jungen Männer mit Migrationshintergrund (und nicht nur die) oft nur wie halbe Männer fühlen, wenn sie diese Gegenstände nicht haben. Smartphone, Markenklamotten, eine Designeruhr am Handgelenk, und ein getunter BMW sind auch begehrenswerte Objekte - ich lege selbst Wert auf einige dieser Dinge, aber ich für meinen Teil habe keine nennenswerten Schulden. Das Problem liegt an unserer Gesellschaft, in der man nur etwas zu sein scheint, wenn man dieses oder jenes besitzt. Schulden stehen nicht auf der Stirn geschrieben, was dazu führt, dass man den Schein leichter wahren kann, wofür man ja auch bewundert wird. Alles unnötig. Ich habe mich vor einem halben Jahr dazu entschieden, nicht mehr bei diesem Spiel mitzumachen, denn eigentlich, ist es meist nicht der "kleine Mann" (mit oder ohne Migrationshintergrund), der davon profitiert, sondern der große Mann, den man meist nie im Leben zu Gesicht bekommt. Das System profitiert auch davon, denn Arbeitsleistung hält die Wirtschaft in Schwung...alles gut und schön, aber wenn sich Menschen dabei selbst in die Schuldenfalle manövrieren, sage ich, zeugt es von Charakter rechtzeitig die Notbremse zu ziehen. Das ist viel mehr wert, als alles zu besitzen. Man ist kein besserer Mann, wenn man dauerhaft über seine Verhältnisse lebt, und man muss nicht alles haben.

 

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