Kopftuch mit Köpfchen
Mein Name ist Menerva. Nein, das ist nicht der Nachname, sondern der Vorname. Aber nicht nur mein Vorname mutet vielleicht ungewöhnlich an, sondern eher mein Aussehen mit meiner Persönlichkeit kombiniert. Ich bin – halt´ dich fest – Kopftuchträgerin. Und ab sofort Mitglied der Biber-Akademie.
Ich bin, wie geschrieben, Kopftuchträgerin, die Deutsch kann u n d studiert u n d arbeitet. Unter uns „Kopftüchlern“ ist das kein außergewöhnliches Phänomen, aber für Außenstehende grenzt dies an ein Wunder. Ich bin eine typische Wienerin, die auf den ersten Blick aussieht wie eine Inderin oder 23-Jährige aus Pakistan, aber eigentlich bin ich Ägypterin.
Karriere und Kopftuch sind kein Widerspruch
Mir ist klar, dass das Kopftuch-Thema in und von den Medien ausgeleiert ist; dass jeder eine eigene Meinung dazu hat; dass nicht alle damit leben. Es wäre schöner, wenn m i t uns, und nicht ü b e r uns geredet wird. Im Studium und Privatleben habe ich immer das Gefühl, für den Ruf einer Gruppe verantwortlich zu sein. Dass ich etwas mehr beweisen muss als andere, weil ich ja die bin, die daheim in den Augen anderer unterdrückt wird. Ich hab oft das Gefühl, dass ein Spotlight auf mich gerichtet ist und ich genauestens beobachtet werde. Ich stelle für die österreichische Gesellschaft etwas dar, und zwar die Frauen meiner Religion.
Durch BIBER bin ich meinem Traum näher
Mir war schon immer klar, dass ich schreiben möchte. Beobachten, Ideen kreieren, zu Papier bringen. Schon mit 13 schrieb ich mit der Hand meine erste Geschichte, die beachtliche 75 Seiten hatte. Mit dem Alter wurden meine Ideen und Interessen komplexer, keine einfachen Liebesgeschichten, sondern richtige Themen. Ich fing an, Fragen zu stellen. Ganz ungeniert. Als Akademikerin beim BIBER habe ich jetzt die Chance, mehr zu fragen, mehr zu schreiben, aber vor allem mehr zu lernen. Die Möglichkeit beim BIBER möchte ich eher so nutzen, dass ich meine persönlichen Gedanken mit intensiver Recherche und den Ratschlägen der Akademieleiter vereine. Ich will auf keinen Fall, dass die Themen, die ich bearbeite, hauptsächlich daraus bestehen, dass ich als Kopftuchträgerin über andere Kopftuchträgerinnen schreibe, die eine andere Kopftuchträgerin kennen, die ein Kopftuch trägt, und dass alle Kopftuchträgerinnen diskriminiert werden, weil sie ein Kopftuch tragen. So, und Schluss mit dem Blödsinn.
Wer ist denn nun das Mädl, das so frech aus dem Kopftuch über das Kopftuch spricht?
Vom Struwwelpeter zum Wiener Mädl
In Wien aufgewachsen, erlebte ich eine traumhafte Kindheit. Ich verbrachte sie nämlich im Prater. Mein Vater verkaufte Essiggurken und Wassermelonen, ich assistierte, reichte ihm immer das Wechselgeld. Er arbeitete auch im Kursalon, und somit war der Stadtpark großer Teil meiner Kindheit. Die Eltern beherrschten die deutsche Sprache fast gar nicht. Im Kindergarten dachte ich, Arabisch und Deutsch seien ein und dieselbe Sprache. Ich wusste nicht, dass Ägypten und Österreich zwei verschiedene Länder sind. Ich dachte einfach, dass Omas Haus so weit weg sei, dass man nur mit einem Flugzeug hinkommt. Dass ich „wo anders herkomme“ haben mir die Kinder im Kindergarten schnell klargemacht mit Aussagen wie „Deine Haut ist dunkel, weil du schmutzig bist “, oder „Deine Haare sehen aus wie die vom Struwwelpeter“. Es entstand ein Durcheinander in meinem Kopf. Ich konnte das, was geschah, nicht verstehen. Meine Eltern konnten es mir auch nicht erklären.
Weil meine Eltern wollten, dass ich nicht nur im Kindergarten, sondern auch zu Hause Deutsch spreche, brauchte ich Verbündete. Meine Mutter schickte mich immer mit ägyptischen Leckerbissen zu den Nachbarskindern, mit denen ich spielte und natürlich Deutsch sprach. Leiwand! Später in der Volksschule half mir die Mutter dieser beiden Kinder, Karo und Max, noch mehr mit der deutschen Sprache. Vor Ansagen und Schularbeiten lernten wir zu dritt. Sie machte uns immer Grießkoch mit Kakao. Ich werde diese Zeit niemals vergessen, denn diese Momente sind Grundbausteine meiner Persönlichkeit geworden.
Bis zur 7. Klasse verging die AHS-Zeit sehr schnell. Bis ich mich im Maturajahr für das Kopftuch entschied, obwohl ich früher vehement dagegen gewesen war. Ich glaubte, dass Religion im Herzen stattfindet und dass Kleidung damit nichts zu tun hat. Auch ich hatte gerne Miniröcke getragen und gerne die Haare auftoupiert, um sexy zu sein. Aber als ich die Bedeutung vom Kopftuch verstand, entschied ich mich eben dafür.
Ich wollte nie das Kopftuch tragen, aber dann...
Ausschlaggebend war eine Klassenkameradin, die fragte, wieso Frauen im Islam ein Kopftuch tragen müssen. Ich hatte keine Ahnung und fing an zu recherchieren. Nach einigen Tagen kam ich zu dem Entschluss, dass die sexuellen Reize einer Frau im Islam so heilig sind, dass sie sie nur mit einem Mann teilen darf - ihrem Ehemann. Die Idee war für mich sehr romantisch und als ich weiter forschte, entdeckte ich auch, dass es eine Art Verhüllung ist, damit die Gesellschaft auf die Persönlichkeit der Frau achtet und nicht auf ihre Körbchengröße. Heutzutage sind es doch Männer, die Trends in Sachen Mode setzen, sie zeigen Frauen indirekt, wie sie aussehen sollen – eben so, wie Männer sie gerne hätten.
Ich überlegte nicht lange und fühlte mich mit Kopftuch sofort besser. Prompt entstanden Gerüchte in der Schule, dass ich Krebs hätte und mir die Haare ausfallen würden, oder die beliebtere Variante: Ich bin wem versprochen und „muss“ heiraten. Leute aus meinem Freundeskreis distanzierten sich, andere sind auf mich zugekommen. Es war für mich unerklärlich, warum das Stückchen Stoff mich als Person für viele Leute komplett in Frage stellt. Auch später bei Bewerbungsgesprächen am Telefon scheine ich für die Stelle wie geschaffen. Vor Ort reagieren die Leute auf mich wie auf Bin Ladens Enkerl.
Ich musste mir schon die Frage stellen: Sehe ich selbst das Kopftuch als Hindernis, oder ist es tatsächlich eines? Und wenn es eines ist, warum ist es so? Immerhin sind Kopftuchträgerinnen heutzutage fast in jedem Bereich aktiv.
Mit der Zeit habe ich verstanden, dass es eine wechselseitige Melancholie ist. Viele Kopftuchträgerinnen reden sich selbst ein, dass sie niemals einen Beruf finden könnten, solange sie ein Kopftuch tragen. Und viele Firmen würden niemanden einstellen, der nicht selbstbewusst genug ist, er selbst zu sein.
Wir lesen uns im BIBER
Das Kopftuch ist ein Teil von mir, aber es bestimmt nicht alleine, wohin ich gehe. Es definiert mich nicht als Ganzes, es steckt noch so viel mehr in mir. Ja, heutzutage bin ich stolz darauf, dass ich eine Gruppe in der Gesellschaft vertrete, das macht jede von uns - mal als gutes, mal als schlechtes Beispiel. Aber vor allem präsentiere ich mich selbst, meine Gedanken und meine Persönlichkeit. Ich lade dich dazu ein, Teil davon zu sein!
Lies mich, versteh mich, kritisier´ mich, wenn du im BIBER auf meine Beiträge stößt.
Kommentare
Super süße :) Freu mich schon
Super süße :) Freu mich schon auf mehr!
Und dass du dachtest, das Haus deiner Oma sei nur weit entfernt, ist unglaublich lieb haha
damals waren Deutsch und
damals waren Deutsch und Arabisch ja auch eine Sprache :D
Hm ich find das echt traurig
Hm ich find das echt traurig ... Ich habe auch nie von mir selbst gedacht, ich sei irgendwie anders. Naja und in der ersten Kindergartenwoche bin ich dann nachhause und hab gefragt: "Mama, was ist eigentlich ein Tschusch?"
Naja, bei mir war dann immer
Naja, bei mir war dann immer die Anspielung auf meine Hautfarbe...
wow, du hast ja eine sehr
wow, du hast ja eine sehr interessante lebensgeschichte!!
;)
;)
Ich liebe diesen Satz: "Ich
Ich liebe diesen Satz: "Ich will auf keinen Fall, dass die Themen, die ich bearbeite, hauptsächlich daraus bestehen, dass ich als Kopftuchträgerin über andere Kopftuchträgerinnen schreibe, die eine andere Kopftuchträgerin kennen, die ein Kopftuch trägt, und dass alle Kopftuchträgerinnen diskriminiert werden, weil sie ein Kopftuch tragen."
hahah :D du hast ihn auch
hahah :D du hast ihn auch laut in der akademie vorgelesen :D
ooooh ja das struwwelpeter
ooooh ja das struwwelpeter problem kenn ich zu gut. super blog, freu mich auf mehr geschichten von dir!!
freu mich auf mehr feedback
freu mich auf mehr feedback von dir ;)
wo bleibt der riesengroße
wo bleibt der riesengroße Zwerg? :P
hahah :D da wo er hingehört
hahah :D da wo er hingehört ;)