Krisensitzung mit Aladdin Jameel

22. April 2022

Er imitiert alle möglichen Akzente, macht Witze über Ausländer:innen, Österreicher:innen und sieht die Bühne als eine Therapie: Aladdin Jameel. Der Wiener Comedian mit turkmenisch-kurdisch-arabisch-assyrischen Wurzeln über die österreichische Stand-Up-Szene, seine harte Kindheit und darüber, warum sein neues Programm „Krisensitzung“ heißt.

Interview: Aleksandra Tulej, Fotos: Zoe Opratko

Foto: Zoe Opratko
Foto: Zoe Opratko

Die nervigste Frage zuerst: Kannst du auf Kommando lustig sein?

Nein. Es passiert so oft, dass Leute zu mir kommen und mich auffordern: „Erzähl einen Witz“. Das geht nicht auf Kommando, und das ist schon sehr nervig. Oder sie erzählen mir Witze und ich denke mir dann so „Bitte, mach das nie wieder.“ (lacht)

In den meisten deiner Sketches imitierst du verschiedene Akzente. Macht das für dich einen Unterschied, ob ein Migra-Comedian oder ein Ur-Österreicher solche Witze macht ?

Ich bin mit diesen Leuten aufgewachsen. Ich hab das aufgesaugt. Es gibt Comedians, die ich jetzt nicht namentlich nennen will, die diesen „Cuxl Slang“ auf der Bühne machen, und es klingt einfach nicht gut. Und die machen das immer und immer wieder. Ich frage mich da schon, ob die keine Freunde haben, die denen einfach mal sagen „Bro, das klingt scheiße, lass das einfach.“ Sollen die doch den Wiener Dialekt nachmachen, das ist dann auch authentischer und lustig.

Foto: Zoe Opratko
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Gewinnspiel: Biber verlost hier Tickets für Aladdins nächsten Auftritt

Dein neues Comedy-Programm heißt „Krisensitzung“. Warum?

Ich habe in den letzten zwei Jahren einfach arg viel Krise geschoben. Wallah, Krise durchgehend.  Ich habe eine Trennung hinter mir, nach einer fast elfjährigen Beziehung. Ich habe Weed angebaut, wurde dabei erwischt. Darüber rede ich auch auf ganz detailliert der Bühne, dass ich ein schlechter Drogendealer bin (lacht). Wenn ihr erfahren wollt, was da genau war, kommt zu meiner Show. Zu all dem kam dann eben Corona, ich hatte gar keine Kohle. Ich wollte nicht für 1100 € irgendwo 40 Stunden arbeiten. Und Comedy war das einzige, das ich gut konnte.

Kannst du das von Natur aus oder hast du das gelernt?

Ich habe keine gescheite Ausbildung. Ich habe eine Lehre als Kommunikationstechniker gemacht. Klingt kompliziert, heißt aber einfach Handys reparieren. Und mit Social Media und Comedy kenne ich mich halt aus. Ich habe von klein auf Leute nachgemacht. Aber was so einfach ausschaut, ist zu einem Großteil Arbeit. Dieses ganze Stimmen Nachmachen zum Beispiel. Da musst du ganz stark auf die Atmung und Körperhaltung achten. Manchmal stehe ich morgens auf und fange vor dem Spiegel an, irgendwelche Akzente nachzumachen. Dann schaue ich mich an und frag mich, was mit mir eigentlich falsch ist (lacht)

Foto: Zoe Opratko
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Du hast ja bei weitem keine einfache Kindheit gehabt. Du bist mit deiner Familie aus dem Irak geflüchtet, ihr wurdest 1999 Österreich nach Istanbul abgeschoben. Wieder in Österreich angekommen konntest du in der Schule nicht benotet werden und musstest auf die Hauptschule wechseln. Und das ist nur ein Auszug deiner Vergangenheit. Verarbeitest du das alles auch in deiner Comedy?

Ja total. Die Bühne ist eine Art Therapie für mich. Ich verarbeite meine Erlebnisse auf eine humoristische Art und Weise und wenn ich Menschen zum Lachen bringen kann, gibt mir das echt viel.

Du sagst ja, dass du über alles mögliche Witze machst. Aber wie stehst du dazu, wenn beispielsweise eine Joyce Ilg mit Luke Mockridge, gegen den es Vergewaltigungsvorwürfe gibt, Witze über KO Tropfen macht, wie neulich auf Instagram? Was soll daran lustig sein?

Das war null witzig.

Kannst du von Comedy leben?

Jetzt nicht. Ich kann vielleicht hin und wieder ein paar Rechnungen davon zahlen. Aber bei den meisten Open Mics bekommst du meistens einfach nur Getränkebons. Aber ich habe eine Kreativagentur mitgegründet, davon kann ich leben. Von Comedy aber nicht.

Foto: Zoe Opratko
Foto: Zoe Opratko

Wie steht deine Familie zu deiner Karriere ?

Am Anfang waren sie natürlich nicht begeistert. Sie kennen das halt nicht, es gibt vor allem in Wien keine berühmten Comedians, vor allem keine Ausländer. Aber ich habe meinen ersten Auftritt vor meiner Mutter und meiner Schwester gehabt, und die fanden mich null witzig. (lacht) Meine Mutter hat mir Tipps gegeben, was sie anders machen würde. Aber im Ernst: Meine Familie hat mich immer sehr unterstützt.

Bekommst du auch Hate?

Schau mich an: Ich bin quasi Moslem mit Tattoos. Ich sage Sachen, die vulgär sind und nicht in das Weltbild mancher Leute passen. Unter manchen meiner Videos schreiben die Leute immer wieder alles mögliche – ich habe auch schon Morddrohungen von Fascho-Türken bekommen, weil ich einen Witz über Erdogan gemacht habe. Das war einfach ein Wortspiel über eine Airline: Ich habe irgendwas mit „Air-Dogan“ gesagt und das hat schon gereicht.

Was wünscht du dir von der österreichischen Comedy-Szene?

Dass mehr junge Menschen zu Stand-Up-Shows kommen. Mein Ziel ist ein Stand-Up-Club in Wien, wo wir jeden Tag ein volles Programm haben. Aber ich denke, es braucht einen großen österreichischen Migranten-Comedian, der in Deutschland komplett abreißen wird. Dann werden es die Österreicher erst checken. Das ist immer so, das beste Beispiel ist ja RAF Camora. Seine alten Sachen sind ur gut, aber die haben niemanden interessiert, und erst nachdem er nach Deutschland gegangen ist, wird er auch in Österreich gefeiert.

 

Die Termine und Tickets für Aladdins Krisensitzung findet ihr auf Instagram @aladdinjameel - auf dasbiber gibt es Karten für die nächste Show zu gewinnen! Mehr von Aladdin gibt es auch hier auf TikTok

 

Foto: Zoe Opratko
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