OUT of AUT: Kuba das arme Paradies

04. Mai 2010

Für Europäer ist Kuba eine Mischung aus frappierender Schönheit und irritierendem Verfall, kulturellem Reichtum und materieller Armut. Für Kubaner ist ihr Land vor allem eine Herausforderung.

Von Iga Niżnik und Jakob Mühlstein (Fotos)

Ein Europäer, der auf Kuba landet, kann zuerst nur eines: schauen und staunen. Schmucke Häuser der Kolonialzeit stehen neben verwahrlosten Ruinen, Parolen von Che Guevara und Fidel Castro mahnen auf großen Flächen, sowjetische Ladas und amerikanische Chevrolets aus den 50er Jahren füllen die Straßen, hübsche Kinder in roten Schuluniformen spielen in Schulhöfen. Außerhalb der Städte ist Kuba saftig und grün, voller exotischer Pflanzen. Die Strände könnten nicht weißer, das Meer nicht türkiser und die Sonnenuntergänge nicht kitschiger sein. Mit 330 Sonnentagen im Jahr und warmen Temperaturen herrscht ewiger Sommer – kein Wunder, dass Kubanerinnen selbst die Röcke von Dienstuniformen kürzen.

Bevor es zu spät ist
„Fahr’ lieber heute als morgen nach Kuba, denn wer weiß, wie lang es noch so sein wird wie jetzt.“ Diesen Rat hört oft, wer mit dem Gedanken spielt, Kuba zu bereisen. Seit 1959 gibt es hier ein sozialistisches Regime. Seine Anführer Che Guevara und Fidel Castro halten sich gut: ersterer als Volksheld und beliebtes T-Shirt-Motiv, zweiter an der Macht. Obwohl der 84-jährige Fidel 2008 wegen Krankheit die Macht an seinen Bruder Raul übergab, hat er de facto noch immer das Sagen. Ein Voyeur, wer das Land sehen will? Bevor das Regime sein vom Westen oft prognostiziertes Ende findet? Für die meisten Touristen ist das kein Thema. Die meisten kommen zuerst für drei Tage in die Hauptstadt Havanna, um die must-sees abzuklappern: das echte Floridita, das Hotel Ambos Mundos, in dem Schriftsteller Ernest Hemingway wohnte als er in Havanna lebte, die Kolonialbauten,
die zahlreichen Museen, oder die Camera Obscura, eine Art Überwachungskamera, erfunden von Leonardo Da Vinci. Dann geht es in ein abgeschottetes Hotelressort, in eine Welt, die mit dem realen Kuba wenig zu tun hat: etwa zu den wundersamen
Pfahlbauten im Stil der Ureinwohner im Sumpfgebiet Guama, oder zum Schnorcheln ins Touristenmekka Varadero. Viele zieht es auch nach Trinidad. Die Stadt, die im 19. Jahrhundert durch ihre Zuckerplantagen reich wurde, ist heute ein Museum: sie lebt ausschließlich für – und ausschließlich von – Touristen. Dort kann man alles tun, was das Urlauberherz begehrt.


Die Dollars der Touristen
Tourismus gibt es auf Kuba erst seit knapp 20 Jahren. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und wegen des Handelsembargos der USA herrschte Hunger, zu Tausenden flohen die Menschen von der Insel in die nur 170 Kilometer entfernten USA. Seitdem ist auf Kuba alles Mangelware – bis auf die gute Laune. Der Tourismus war für das Regime der einzige Ausweg, schnell die nötigen Dollars ins Land zu holen. Gleichzeitig entstand auch eine Parallelwelt für Reiche und machte die so auf Gleichheit bedachten Kubaner zu einer zwei-Klassen-Gesellschaft. Der Mindestlohn auf Kuba beträgt 10 Euro im Monat,
ein Professor oder Arzt verdient 50 Euro. Die Preise für Touristen sind aber fast wie in Europa: eine Nacht im Hotel kostet 30 Euro, eine Taxifahrt 5 Euro und ein Eis oder Kaffee 1 Euro. Die Folge: Fast jeder, der im Tourismus arbeitet, versucht, an
Geld zu kommen. Ein Taxifahrer, Kellner oder Fremdenführer kassiert mit Trinkgeldern an einem Tag, was ein anderer im
Monat verdient.

Mangel und Überfluss
Während sich in all-inclusive-Hotels die Tische biegen, ist für Kubaner die Beschaffung des täglichen Essens eine Herausforderung. Das Gros der Lebensmittel geht in den Tourismus, den Kubanern bleiben nur die Basics. Derzeit gibt es seit Wochen keine Milch. „Die Menschen haben die Gewohnheit verloren, zu frühstücken“, sagt Lehrerin Miriam. Vielleicht auch eine Erklärung, warum das Essen in den Restaurants so eintönig schmeckt: Die Menschen scheinen das Kochen verlernt zu haben. Dafür sind sie Meister im Erfinden und Improvisieren. Egal ob Kühlschränke aus den 70er Jahren, sowjetische Aufzüge und Oldtimer aus den 50ern – alles funktioniert. Na ja, nicht immer: Autos mit offenen Motorhauben, in denen emsig geschraubt wird, gehören fix ins Stadtbild. Genauso wie Ruinen und leerstehende Häuserskelette: Über Jahrzehnte investierte der Staat lieber in den armen Osten, statt Havannas Kolonialerbe zu retten. Erst seit der Öffnung für den Tourismus wird wieder saniert und renoviert – zumindest dort, wo Urlauberaugen hinschauen könnten. Der Mangel an erschwinglichen Lebensmitteln und Verbrauchsgütern in den staatlichen Läden macht das Schröpfen der Ausländer zur gängigen Praxis - und die Kubaner
besonders erfinderisch: Man bietet Fremden, was man hat. Essen, Schlafplatz, einen Ausflug in eine besonders schöne Bucht, einen Salsa-Kurs. Oder man betrügt sie: mit aus Bananenblättern gerollten Zigarren, Wucherpreisen, oder falschen Briefmarken.

Stolz und Cuba Libre
Wer als Tourist Kontakt zu den Einheimischen sucht, bringt seine Gastgeber in Gefahr. Das Regime versucht alles, um das Kennenlernen zu unterbinden. „Um die Ausländer zu schützen“, so die offizielle Version. Wer mit Ausländern öfters erwischt wird, dem droht ein Umerziehungslager. Bei Einbruch der Dunkelheit suchen die Einheimischen dennoch die Nähe zu Fremden – nicht nur, um nach Seife oder Gewand zu fragen, sondern aus einfacher Neugier. Denn die Insel zu verlassen, ist kaum leistbar. So beschränkt man sich auf den Austausch über das Leben in der Fremde. Auf Englisch, auf Spanisch und bei selbst gemischten „Cuba Libre“. Dann hört man Kubaner, die stolz sind: auf ihr Bildungssystem, auf das Gesundheitswesen (die Kindersterblichkeit ist niedriger als in den USA), auf Möglichkeiten, die andere nicht haben. Kubaner können auf Staatskosten
eine Geschlechtsumwandlung machen und an Homosexualität stößt man sich wenig. Herkunft und Hautfarbe spielen keine
Rolle. Wenn man mit jungen Menschen spricht, ist von einem Regimewechsel selten die Rede. Die meisten Jugendlichen scheinen einfach nur etwas mehr Geld zu wollen, ein etwas komfortableres Leben, leistbares Reisen. Wer nach Kuba kommt, sei übrigens gewarnt: Man kann sich dort leicht anstecken. Nicht mit tropischen Krankheiten, sondern mit Lebensfreude und guter Laune.

INFO:
Sprache: Spanisch .
Klima: April bis November Regenzeit,
Rest: Trockenzeit. Sommertemperaturen .
Kosten: Flug ab 800 Euro, Hotel ab 15 Euro pro Kopf und Nacht.
Lage: Karibik. 8738 km von Wien.
Buchtipps: Kuba. Von: Bert Hoffmann. Verlag C.H. Beck 2009.
Cuba Libre. Von: Yoani Sanchez. Verlag Heyne 2010.

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