Sarajevo darf Istanbul werden

07. Januar 2012

"Ben acim gel,  yemek yemege gidelim!", hallt es durch die Straßenbahn. Ich denke mir nichts dabei, der Klang der türkischen Sprache ist für mich als Wienerin das Normalste auf der Welt. Erst nach ein paar Sekunden fällt mir ein, dass ich mich ja gerade in Sarajevo befinde...


 


Camouflage


Sie sind  laut, großzügig, warmherzig und etwas aufdringlich, - somit fallen sie bei uns gar nicht auf. Nur ihre Sprache entlarvt sie als Ausländer. Doch von dem schlechen Ruf, der sie hierzulande verfolgt, ist unten keine Spur. Die Türken sind ein angesehenes Volk in Sarajevo. Die renommiertesten Shopping-Malls sind von ihnen erbaut, ihre Serien locken täglich Millionen unserer Leute vor die Glotze, und die edlen türkischen Colleges in Sarajevo erinnern an amerikanische Elite-Unis.


 


Integration bei Shisha und Schwarztee


Und auch Shisha-Lokale sprießen plötzlich aus Sarajevos Straßen, die Türken haben das gute Geschäft gewittert und es boomt tatsächlich. Die Sarajlijas entdeckten ihre Liebe zu Nargile und türkischem Schwarztee, sitzen rauchend in der orientalischen Location und unterhalten sich mit Freunden, türkischen Studenten, dem Besitzer - je nachdem wer gerade zum Plaudern vorhanden ist. Von Aus- oder Abgrenzung der Türken ist keine Rede und ich kann es nicht glauben, als mir meine Sitznachbarin Selma in perfektem Bosnisch erzählt, dass sie eigentlich aus Istanbul kommt und erst seit 2 Jahren in Sarajevo Medizin studiert und Bosnisch lernt. 


 


Klein-Istanbul


"Sarajevo ist wie Istanbul, nur kleiner und persönlicher", sagt sie und erklärt mir, dass es in der Türkei zum guten Ton gehört, im Ausland zu studieren. In der vergangenen Zeit zeigte sich jedoch, dass es für türkische Studenten in Wien und anderen mitteleuropäischen Großstädten ziemlich schwer war akzeptiert zu werden, deswegen verlegte sich der Trend nach Sarajevo. Hier seien die Menschen offener, freundlicher, "einfach genau so wie daheim", schildert mir Selma.


 


Ich für meinen Teil, freue mich für Sarajevo, das jetzt noch multi-kultureller wird, für die türkischen Studenten, die bestimmt die Zeit ihres Lebens in dieser Wahnsinnsstadt haben werden und für mich, weil ich im Heimaturlaub nicht auf Shisha und Döner verzichten muss.

Kommentare

 

wenn ich in sarajevo bin könnt ihr mich im baghdad finden. bestes shisha lokal. das gibts aber schon seit jahren

 

ein paar schlechte gibts auch.. im "larsa" schmeckt die shisha nach seife..

 

ich hab eh diesem sommer gesehen, dass irgendwie jedes zweite kaffee in der bascarsija jetzt shisha anbietet. die meisten sahen jetzt aber nicht so nice aus. ich bleib beim baghdad. gute shisha und das wlan von nachbarlokal ist frei zugänglich :)

 

ohaaa!! wlan! das hat mich jetzt definitiv überzeugt !! :)

 

Sarajevo ist cool aber es  wird echt mal Zeit die Fassaden neu zu streichen. Was sagt ihr dazu ?

 

ich könnte ja jetzt sagen, dass das oldschool ist und zur geschichte gehört. aber das ist bledsinn. :-D  natürlich gehört das geändert, wie so viele optische aber vorallem politische umbrüche.. ich wüsste nicht wo ich anfangen sollte..

 

Ja, natürlich gehört renoviert, wie auch neu gebaut, aber das passiert in Sarajevo, wenn es passiert, immer ohne jegliches Konzept, und das führt meistens nicht unbedingt zu einer Verschönerung des Stadtbildes. Zu den neu erbauten Glaskomplexen kann man stehen, wie man will. Wenn Häuser renoviert werden, dann wird meistens ein Stockwerk dazugebaut und für das Streichen der Fassaden reicht die Farbpalette von knallorange bis blitzbalu (kurz: markerfarben) - und zwei solche Häuser nebeneinander verursachen zumindest bei mir migräne...

 

Endlich hat sich Sarajevo das gute Beispiel Mazedoniens befolgt :D Bei uns b´gibt es sowas seit Jahren und wir haben einige türkische Gemeinden, Moscheen, Lokale, Restaurants etc... Hab gehört das Seculku Shisha Bar (oder so) eine Expansion in Skopje plant :D

 

Mazedonien scheint (Erzählungen nach) ja allgemein das Erbe der Vergangeheit besser in die Gegenwart integrieren zu können als so manche andere Staaten des ehem. Jogoslawiens. Das lässt sich auch auf ihren Umgang mit Kommunismus umlegen. Es scheint mir, als müsste man sich in Mazedeonien nicht so strikt zw. Europa, osmanischem Reich, Sozialismus und eigenem Nationalismus entscheiden und es ergibt trotzdem alles ein Ganzes. Aus meiner Sicht wäre das der einzig richtige Weg für die gesamte Region...

 

Schon gut, aber Belgrad lassets mir bitte in Ruhe.

 

wieso, wie meinst du das bitte??

 

naja ich meinte, Belgrad soll so bleiben wie es ist und net türkisch.

 

ich schätze, da spricht ein echter Belgrader.

 

;-)

Ist das gut oder schlecht?

 

Das kommt drauf an, ob du in einem Blog über Sarajevo von Belgrad anfängst, weil dich der Blog an deine Stadt erinnert und du, wie jeder andere Städter, uns die Liebe zu deiner Stadt mitteilen wolltest, oder ob du deine Aussage, dass Belgrad nicht Istanbul an das FPÖ-Plakat "Wien darf nicht Istanbul werden" anlehnst, auf welches der Titel dieses Blogs ironischen Bezug nimmt, oder du jeden sarajevofreundlichen Blog als Angriff gegen etwas belgraderisches siehst - in beiden zweiten fällen: schlecht!  

 

Ich habe nix gegen Sarajevo, meine Mama ist von dorten :-)

 

belgrad ist türkisch. die architektur, die geschichte, die liebe zu rakija...

 

ist aber Istambul noch viel griechischer als Belgrad türkisch

 

ja mei, dann is es halt so. sagt ja keiner wos...

 

Ich bin eine Mazedonier-Türkin (keine Ahnung, wie man das auf Deutsch nennen soll) und dort klappt es sehr gut mit den ganzen Moschees, türkischen Cafés usw. Allerdings gibt es auch immer wieder Anfeindungen und Probleme wegen der Sprache (es gibt türkische und albanische Schulen neben den mazedonischen), alles in allem aber kommt man dort als Türkin gut zurecht. :)

 

habe mal von einem Freund, der selber in Mazedonier-Türke ist, das sie sich als ethno-mazedoner bezeichnen.... ob das ein scherz war, weiß ich nicht :) kommst du aus tetovo? oder vielleicht debar?

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