Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt

24. April 2011

Du kannst so viele Fremdwörter wie du willst verwenden, die besten Zeugnisse von allen vorweisen, einen IQ, der jede Skala sprengt, besitzen und trotzdem, intelligent bist du allein dadurch bestimmt nicht. Denn was ich in letzter Zeit häufig bemerke ist, dass es vielen Menschen an einer Art von Intelligenz mangelt, die viele unterschätzen. Intelligenz, die man nicht erlernen kann, die nicht messbar ist, die man hat oder eben nicht, die Rede ist von sozialer Intelligenz. Oft wird deren Wichtigkeit durch kuschelige Begriffe wie Taktgefühl oder Empathie verschleiert, Fakt ist aber, dass in vielen Alltagssituationen dieses emotionale Wissen wesentlich gefragter und von weit höherer Relevanz ist, als jenes, das wir unter dem klassischen Intelligenzbregriff verstehen.

Wie ich auf dieses Thema komme? Neulich auf der Arbeit höre ich wie mein Arbeitskollege einem unserer Kunden (ca. 17J, Migrant) einen Sachverhalt darzulegen versucht. Mindestens 4 Fremdwörter und  3 lateinische Begriffe, sowie schwülstige Satzkonstruktionen und eine Anspielung auf den neuen Vizekanzler verwendet er in seinem, dadurch hervorgerufenen, Monolog. An der Mimik des Burschen erkenne ich, dass er nichts verstanden hat, schlussendlich fragt er noch, wann er das Abo den kündigen müsse, "ad libitum", antwortet mein Kollege lächeld. Aha.

Dass man mit einem Jugendlichen nicht genau so reden kann wie mit einem Akademiker, ist leicht gesagt. Aber, ob dein Gegenüber einer von der Sorte Jugendlicher ist, die den Standard lesen und jedes Werk Hesses gierig verschlingen, und ob der Mann mit dem Ing. vor seinem Namen, wirklich nur deswegen gebildet sein muss oder doch mehr mit dem Lugner gemein hat als nur den Titel, das lässt sich nur dann feststellen, wenn man selbst über etwas soziale Intelligenz verfügt um die Situation zu erfassen, die Person zu registrieren und damit den Umgang mit ihr individuell gestalten zu können.

Kürzlich, in einem Gespräch mit einer Bekannten, hoch gebildet würde unsereins sie nennen, brilliert durch eine sagenhafte Wortgewandtheit, die einen blendet und damit vielleicht über den ein oder anderen, nicht gar so brillianten Inhalt hinwegtäuscht, schüttelt sie verständnislos den Kopf, als ich sie auf ihre Meinung zu dem ganzen, lächerlichen Rummel rund um Kates Magerfigur kurz vor der Royalen Hochzeit, anspreche, "Ich wüsste nicht einmal, wer diese Kate ist, hätte mir eine Freundin nicht vor Kurzem von ihr erzählt, sowas interessiert mich wirklich nicht,  dieser ganze Klatsch & Tratsch, diese: Fremdwort1, lässt die Menschheit doch nur verblöden, so ein: Fremdwort2." Kunstpause. "Unnötig, hätte nicht gedacht, dass DU dich mit soetwas auseinandersetzt..." 

Hm... schon einmal etwas von Weltwissen gehört?! Du beschränkst dein Leben doch ungemein, wenn du dich nur mit einem Sujet, in ihrem Fall, der Literatur, befasst. Gut, in diesem Gebiet bist du dann ein Profi, kannst lange Brandreden darüber  halten, die nicht minder wissenschaftlich klingen, als eine Doktorarbeit zur Quantenphysik, kannst jede bedeutende Jahreszahl, jeden Autor im Schlaf nennen, aber ganz ehrlich, das ist doch keine Kunst, jeder, der sich lange mit ausschließlich einem Gebiet auseinandersetzt, würde professionell klingen, wenn er sich darüber äußert, aber kaum wird ein anderes Thema angeschnitten, was so gar nichts mit dem seinen zu tun hat, verliert er sich. Soziale Kontakte leiden darunter nicht weniger, ist man doch nur im Stande mit seinesgleichen zu kommunizieren, wie viele interessante Menschen und Gespräche einem dadruch verwehrt bleiben, darüber sind sich solche Menschen anscheinend nicht im Klaren.

Doch zurück zur sozialen Intelligenz. Dass du kein unemanzipiertes Heimchen bist, wenn du bei der Familie deines Freundes zu Gast, dein Geschirr wegräumst, oder kein Trampel, wenn du deiner Freundin A. , die brutale Ehrlichkeit schätzt und sich mit dieser auch selbst auszeichnet, sagst, dass sie die neue Jeans fett wirken lässt, aber auch keine Lügnerin bist, wenn du in der selben Situation, deiner Freundin B., die sehr komplexbehaftet und unsicher ist, deine Meinung schonender beibringst, das macht soziale Intelligenz unter anderem aus.

Seine eigenen Emotionen kennen, wissen wo man wie seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann, wie man seine Emotionen situationsgemäß gar beeinflusst, um so an sein Ziel zu kommen, erfolgreicher, beliebter und in die Gesellschaft integrierter zu sein, ist wichtiger als Faust zu zitieren oder die Hauptstädte dieser Welt zu kennen. Ein Mensch, der sich in andere hineinversetzen kann, versteckte Signale im Verhalten anderer herausliest, besitzt die Basis für jede andere zwischenmenschliche Beziehung. Der Umgang mit den Gefühlen anderer, zu wissen wie und worüber man mit jemanden reden kann, wo man sich wie verhält, das bedeutet für mich Intelligenz.

Ich gebs zu. dieser Text ist von meiner Wut gegen diese abwertende "who the f*ck is Kate?" Bekannte getrieben und emotional hoch aufgeladen. Geschafft, das 100ste "emotional" in diesem Text, yes!

Kommentare

 

Ich finde den Blog sehr gut gelungen!

 

will gar nicht viel herumreden! super blog! du hast auch meiner meinung nach vollkommen recht mit deinen argumenten!

in meinem Freundeskreis verwenden wir jedoch den Begriff Staßenintelligenz :D, etwas was man eben nicht aus Büchern etc. lernen kann^^

 

danke :))

 

Hab ich doch immer gesagt :) Ausbildung (oder allgemein ein Fachwissen) sagt nicht immer etwas über die Intelligenz aus. Wie im Blog richtig erwähnt, gibts ja auch die Emotionelle und Soziale Intelligenz. Und diese kann man meiner Meinung nach eigentlich nicht erlernen (vielleicht durch hartes Training kann man sich in dem Feld etwas verbessern). Vielle ausgebildete Leute lassen gerade diese zwei Arten von Intelligenz vermissen!

 

super super super super super blog.
ein fremdwort1, fremdwort2, fremdwort3, fremdwort4, fremdwort5 blooog.

Dieser Typ, der den Jugendlichen mit Fremdwörter vollspuckt ...
glaubst du, dass er nicht im stande ist anzunehmen, dass der jugendliche ihn nicht vesteht?

oder macht er das extra, weil ihm das scheißegal ist, obs der jugendliche versteht, weil ihm ja nur wichtig ist, dass er hochgscheit rüberkommt?

wenn das 2. der fall ist, dann ist das sowas von egoistisch und asozial, dass der lieber einen schweigenden menschen vor sich hat, der nichs versteht, und sich in seiner gegenwart blöd vorkommt (was dieser wahrscheinlich in diesem fall will), als einen dialog zustande zu bringen.

oder gehören fremdwörter für die fremdwortspucker bereits so sehr zum wortschatz, dass sie das einfühlungsvermögen verlieren, was der durchschnittsbürger versteht? ist für sie dann zb "jovialität", was für die masse als wohlwollend herablassendes verhalten beschrieben werden kann?

mich hat die übertriebene verwendung von fremdwörtern immer genervt. vor allem komme ich aus einem umfeld, wo ich mir stets die einfache sprache behalten muss und will, um mit menschen so persönlich und vertraunswürdig, wie möglich reden zu können.
ich will mir die einfachheit in der sprache behalten.
kloar, könnte man fremdwörter büffeln, gleich ein ganzes fremdwörterbuch kaufen und sich jeden einfachen begriff durch schickimickiintellektuellenwörter ersetzen lassen. entfernt man sich allerdings nicht von vielen menschen dadurch, denen man das gefühl gibt, dümmer als man selbst zu sein? und dann schweigen sie meistens darüber, wenn sie etwas nicht verstanden, um nicht nach außen zu signalisieren, wie sie sich gerade fühlen - DUMM.

ich habe mich oft, vor allem während der unizeit gefragt, warum zum teufel die leute kompliziert erklären, obwohl es einfach sein könnte und eine größere menschenmasse erreichen würde. aber nein! warum einfach, wenn es kompliziert geht.
aber es gibt leute, die sich am liebsten selbst zuhören und sich vor allem selbst verstehen. da scheint das publikum dann doch egal zu sein.

p.s.:
meine oma hat keine fremdwörter auf lager, hat aber mit ihrer einfachen sprache öfter kluge weisheiten von sich gegeben, als manch ein intellektueller, der sich durch seine komplexe aussprache mehr von den leuten distanziert hat, als sie anzusprechen und zu überzeugen.

 

mein besagter kollege ist eine mischung aus: ist schon gewohnt so zu sprechen, dass es ihm gar nicht mehr auffällt und wenn es es ihm auffällt, spricht er trotzdem so weiter, weil er obergescheit rüberkommen will

noch mehr als übertriebe verwendung von fremdwörtern, hasse ich es, wenn sie eben alles schlecht machen, was nicht aus den nachrichten, welt der wunder, galileo und gott weiß was, entsprungen ist. diese typischen: "was - du liest die heute zeitung, oh mein gott!", "was - du schaust türkische seifenopern, omg!" "was - du weißt, dass angelina jolie noch ein kind adoptieren will, OMG hast du kein leben?!" - sager. uur ungut. denn wenn man das alles tut, schließt es ja nicht aus, dass man genau so den falter liest, nachrichten guckt und weiß, wer der neue vizekanzler ist.

diese klugscheißerei hat nichts mit intelligenz, sondern vielmehr mit überheblichkeit, äähm präpotenz, zu tun

 

straßenintelligenz - schlagfertigkeit:
ich wunder mich immer, wie schlagfertig und goschat die kinder unten in bosnien sind, vor allem die, die am land leben und aufwachsen.
den ganzen tag schwirren sie durch die gegend, lassen sich spiele einfallen, haben zum teil mit älteren kindern und jugendlichen zu tun und lernen coole und freche sprüche, wie am laufband.
wenn du dann zurück nach österreich kommst und dann die gut behüteten stadtkinder reden hörst, kommen sie dir wie mauerblümchen vor.
nicht selten werden dann diese "schwabokinder" aus österreich von den dorfkindern im sommer verarscht.

unterschiede in der schlagfertigkeit von parkkindern und kindern, die kaum alleine über die straße gehen dürfen, merkt man aber auch hier. was sich die kids im park ab und zu an sprüchen zuwerfen, traust du einem 6jährigen eigentlich nicht zu. und dann gehts ab!

und irgendwann büffelt ein nichtparkkind seine bücher und gilt dann als angebildet intelligent.
straßenintelligent ist dann eher das parkkind, das sich in dieser manchmal unfairen und gefährlichen welt besser zurecht findet, als jemand, der 103920284 bücher gelesen hat.

 
 

Liebe Melisa,
Du hast es auf den Punkt gebracht. "Immer man selbst sein" heißt in der Tat nicht, unangepasst als Klotz durch die Gesellschaft zu wackeln.
Ich glaube, Mao Tse Dong hat mal gesagt (ich bin mir nicht sicher, ob er es war und es ist mir genauso bewusst, dass dieser mann nicht unkritisch zu zitieren ist^^), dass man sich in einem fremden Land wie ein Fisch im Wasser zu bewegen versuchen sollte. "Fremdes Land" kann man ja austauschen durch alles mögliche.
Aber zum Glück ist ja "Emotionale Intelligenz" (hat ja viel mit sozialer Intelligenz zutun) inzwischen schon mehr ein Faktor und die Fähigkeit, sich Wissen anzueignen ist auch schon als "dem reinen Faktenwissen ebenbürtig" anerkannt.

Und ja... Mir sind auch schon diverse solche untergekommen. These: Kann es sein, dass diese soziale Anpassungsunfähigkeit vielleicht bei Männern verbreiteter ist als bei Frauen? Mein persönlicher Eindrücke und Erfahrungen bilden jetzt die Grundlage dieser Meinung, nicht meine sexistischen Vorurteile gegenüber Männern. (:

 

hmmm kann sein. wahrscheinlich weil sie einfacher gestrickt sind. sorry männer, nicht bös gemeint, ist aber bewiesen :-D umso komplexer du als mensch bist, desto unanpassungsfähiger wirst du und wir frauen befassen uns wesentlich mehr mit unserer identität, vor allem aber, haben wir ein bestimmtes bild, wie wir rüberkommen wollen, nur passen wir das manchmal nicht an unser "publikum", das uns wahrnimmt an, und deshalb wird deine these vl. auch stimmen:)

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