„Sind wir für Österreich weniger wert?“

02. Juni 2022

Ukraine-Flaggen in ganz Wien, gratis Öffis, Erleichterungen am Arbeitsmarkt und beim Aufenthaltsrecht. Während Ukrainer:innen in Österreich einen neuen Wind der Willkommenskultur spüren, fragen sich „schon da gewesene“ Geflüchtete aus Syrien, Bosnien und Afghanistan: Sind wir für Österreich weniger wert?

Von Aleksandra Tulej, Illustrationen: Aliaa Abou Khaddour

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Illustration: Aliaa Abou Khaddour

Ich schäme mich ein bisschen, das zu sagen. Aber ich habe keine Motivation mehr, den Ukrainer:innen hier zu helfen“, erzählt die Syrerin Haya* und beißt sich auf die Unterlippe. „Bei den Syrern damals habe ich alles gemacht, wo ich nur helfen konnte – gedolmetscht, koordiniert und überall versucht, sie zu unterstützen,“ setzt sie energisch fort, „aber bei den Ukrainern denke ich mir: Der österreichische Staat tut eh schon genug. Ich weiß, dass die Menschen nichts dafürkönnen. Es ist schrecklich, dass sie fliehen müssen. Ich weiß ja, wie das ist. Aber ich tue mir immer schwieriger, mit ihnen Mitleid zu haben.“ Haya betont zwar, dass sie versuche, sich für die Ukrainer:innen zu freuen. Sie fragt sich aber, warum die Erleichterungen beim Integrationsprozess von Ukrainer:innen so schnell durchgegangen sind, und warum sie und viele andere so lange darauf warten mussten.

Guter Flüchtling, schlechter Flüchtling?

Wie Haya geht es unzähligen Migrant:innen, die in erster Generation in Österreich leben, die in ihrer Heimat ein Studium oder eine Ausbildung abgeschlossen und auf eine sichere Zukunft hingearbeitet haben. Dann kam der Krieg und mit ihm die Flucht. Oft dauerte es Jahre, bis es mit dem Aufenthalt, mit der Arbeitserlaubnis und Nostrifizierung (Anerkennung des Studienabschlusses) klappte – wenn überhaupt. Menschen, die jetzt aus der Ukraine nach Österreich geflohen sind, sollen es leichter haben.

Die „guter Flüchtling, schlechter Flüchtling“-Debatte ist seit der Fluchtbewegung aus der Ukraine in Österreich Dauerthema. Vor allem Geflüchtete, die seit Jahren in Österreich leben, begrüßen die neuen Maßnahmen zwar, sehen sich aber im Vergleich ungerecht behandelt – nicht nur, was die rechtliche Situation anbelangt, sondern auch bezüglich der Solidarität mit der Ukraine.

Doch wie sieht die rechtliche Situation nun aus? Haben Ukrainer:innen es wirklich so viel leichter? Wie läuft das in der Praxis? Konkret will die türkis-grüne Regierung die Regeln für den Arbeitsmarktzugang lockern und Bürokratie abbauen, um qualifiziertem Personal einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen zu können. Das betrifft u. a. auch die „Blaue Karte“ (s. Infobox) und andere Lockerungen, durch die Ukrainer:innen die Integration am Arbeitsmarkt leichter gemacht werden soll. Auch was die Aufenthaltsbewilligung anbelangt, gibt es Unterschiede. Ukrainer:innen bekommen bei ihrer Ankunft den Ausweis für Vertriebene. Bei anderen Staaten, wie beispielsweise Syrien, gibt es beim Ayslantrag eine individuelle Prüfung des Antrags. Die gibt es für Ukrainer:innen nicht. Hier gelten unterschiedliche Rechtsgrundlagen (s. Infobox). „Ich glaube schon, dass in vielen Bereichen eine Integration am Arbeitsmarkt einfacher sein wird", sagt Arbeitsminister Martin Kocher zu den Vorwürfen, dass Ukrainer:innen im Vergleich zu anderen Geflüchteten besser behandelt werden. Das liege laut Kocher auch daran, dass Englisch in der Ukraine weiter verbreitet sei, und auch Abschlüsse leichter anerkannt werden könnten, so der Arbeitsminister in einem Interview mit PULS24.

„Hier ist alles so bürokratisch, dann studiere ich halt nicht“

Haya ist 30 und in der syrischen Hauptstadt Damaskus geboren. Nach ihrer Matura im Jahr 2008 hat sie den Bachelor an der Universität in Damaskus gemacht. „Irgendwann wurde der Weg zur Uni zerbombt, spätestens da konnte ich nicht mehr zu den Vorlesungen“, erzählt sie. 2016 kam Haya nach Österreich. „Ich durfte hier lange nicht arbeiten. Ich habe schwarz als Babysitterin gearbeitet, ehrenamtlich gedolmetscht, alles.“ Um hier den Master machen zu können, hat Haya noch ein Dokument über den Nachweis ihres Bachelorstudiums gefehlt – sie hat es bei der Flucht zurückgelassen und hatte bis heute keine Möglichkeit, es zu holen. „Ich hatte den ISIC-Ausweis (Anm.: International Student Identity Card). Aber immer hat noch etwas gefehlt, es gab keine klaren Regelungen“, sagt Haya frustriert. „Ich wollte unbedingt weiterstudieren und arbeiten. Am Anfang war ich sehr motiviert, aber dann dachte ich mir irgendwann: Hier ist alles so bürokratisch, dann studiere ich halt nicht.“ Unzählige Stunden hat Haya damit verbracht, Dokumente nachzureichen, von Behörde zu Behörde zu laufen. Bis sie irgendwann nicht mehr konnte. Heute arbeitet sie als freiberufliche Fotografin und wartet auf ihre österreichische Staatsbürgerschaft. Haya ist wütend und genervt von der europäischen Doppelmoral, was Geflüchtete angeht. Sie sieht eine klare Bevorzugung ukrainischer Geflüchteter, nicht nur, was den Arbeitsmarkt angeht. „Überall diese Ukraine-Flaggen, überall Solidarität. Sie sind hier klar willkommen. Bei uns war das damals ganz was anders“, erinnert sie sich an 2016 zurück. „Krieg ist Krieg. Aber ich denke mir echt langsam schon: Ist mein Leben für Österreich weniger wert? Warum war es für uns so viel schwieriger, hier anzukommen?“, fragt sie wütend.

„Die Konkurrenz­situation ist verständlich“

Dieser Tenor ist laut Migrationsforscherin und Kulturwissenschaftlerin Judith Kohlenberger kein neues Phänomen. „Das konnte man schon 2015 beobachten, als Geflüchtete aus dem Kosovo oder Tschetschenien meinten: Bei den Syrern klatschen alle, die sind hier willkommen, bei uns war das damals aber nicht so.“

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Judith Kohlenberger Foto: Elodie Grethen

Es ist für Kohlenberger nicht verwunderlich, dass eine Konkurrenzsituation entsteht, wenn die jeweils neue Generation der Geflüchteten mehr Möglichkeiten und Rechte hat. „Der zentrale Unterschied jetzt im Vergleich zu 2015 ist sicherlich der politische Diskurs. Man ist auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene geeinter. Damals wurde die EU-Massenzustromrichtlinie (s. Infobox) nicht aktiviert. Jetzt schon. Der Grundkonsens, dass Hilfe angeboten werden muss, ist da.“ Allerdings betont Kohlenberger auch, dass es in der Praxis auch für Ukrainer:innen schwieriger aussieht, als es scheinen mag. Was den Arbeitsmarkt angeht, scheitere es oft an der Beschäftigungsbewilligung. „Es ist nicht so, dass die einen jetzt alles bekommen, und die anderen gar nichts. So rosig ist es auch für Ukrainer:innen nicht.“ Trotzdem würde Kohlenberger sich wünschen, dass die Erleichterungen auch für andere Gruppen gelten könnten. „Dass ein Standard geschaffen wird, der nicht mehr unterschritten werden kann.“

Putzen mit Diplom in der Tasche

„Es interessiert mich nicht, dass bei euch Krieg ist, in drei Monaten musst du wieder zurück! Das ist nicht unser Problem.“ An diese Worte eines Beamten der Wiener Fremdenpolizei, die 1992 gefallen sind, erinnert sich die heute 67-jährige Goca noch allzu gut. „Natürlich wollte ich wieder zurück nach Bosnien. Wir alle wollten zurück. Aber es gab nichts, zu dem ich hätte zurückkehren können“, sagt sie ernst. Goca war in einer Situation, in der sich jetzt unzählige Ukrainer:innen wiederfinden. Vom Krieg vertrieben, die Heimat zerstört, das bisherige Leben aufgegeben, und jetzt vor einem Neuanfang in Österreich.

Aus drei Monaten wurden bei Goca über dreißig Jahre. Sie ist 1955 in Bosnien geboren. Sie hat nach der Matura in Mostar Wirtschaft studiert. „In Mindestzeit, ich hatte auch immer sehr gute Noten. Ich wusste, dass das wichtig ist, wenn ich mir eine Zukunft aufbauen will“, fügt sie hinzu. Nach ihrem Studium arbeitete Goca in einem Statistik-Institut in Mostar. 1991 brach dann der Krieg aus – Goca floh 1992 nach Österreich, ihr Ehemann blieb in Bosnien. In Österreich angekommen, musste Goca Geld verdienen, um sich und ihre Söhne zu erhalten. „Ich musste an Geld kommen, egal wie. Ich war mir für nichts zu schade, das Wichtigste war, dass wir hier überleben. Alles andere konnte warten. Ich machte mir keine Illusionen. Ich wusste, dass ohne Deutsch nichts geht.“ Aber Geld für einen Deutschkurs hatte Goca anfangs nicht. „Also bin ich Putzen gegangen – natürlich schwarz.“ Trotz Diplom in der Tasche.

Survival-Modus

Goca erinnert sich an ihre Anfangszeit in Österreich, als sie eines Abends im Jahr 1992 vor dem Fernseher saß und „Wetten, dass…?“ lief. In der Sendung wurde eine Spendenaktion für Geflüchtete aus dem Jugoslawienkrieg gestartet. Goca war eine von ihnen. „Das war schön zu sehen“, sagt sie nachdenklich. Aber dieses Erlebnis ist auch das Einzige, das ihr positiv in Erinnerung geblieben ist, was die Willkommenskultur in Österreich anbelangt. Im Alltag war es um einiges härter.

Ihr Diplom hätte sie zwar nostrifizieren lassen können, das wäre allerdings mit unglaublich viel Bürokratie, Geld und Zeit verbunden gewesen. Vor allem Letzteres fehlte ihr – sie war alleine mit zwei kleinen Kindern in Wien angekommen und hat im Survival-Modus versucht, hier ein neues Leben aufzubauen. In ihrer Heimat war Krieg, sie wartete jeden Tag auf Informationen, ob alle aus der Familie noch am Leben waren, gleichzeitig stemmte sie den Haushalt, erzog ihre Kinder und ging arbeiten. Abends besuchte sie Fortbildungen und Deutschkurse, tat alles, damit ihre Kinder es hier gut haben. Goca erzählt in einem Schwall, ihr Kaffee am Tisch ist längst kalt. „Egal, das ist eine Art Therapie für mich, dass ich all das endlich erzählen kann“, winkt sie ab und schlürft die kalte Brühe. „Versteh mich nicht falsch. Ich war und bin immer noch sehr dankbar, dass ich in Österreich leben und arbeiten durfte“, sagt sie demütig. Sie war eingeschüchtert und verunsichert, wollte keine Ansprüche stellen. Und so ging sie jahrelang weiterhin putzen.

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Illustration: Aliaa Abou Khaddour

„Du nix Deutsch“

Sie erzählt von dem schroffen Umgang der österreichischen Beamt:innen ihr gegenüber. „Wenn ich die Menschen beim Finanzamt bat, langsamer zu sprechen, sind sie ausgezuckt. Sie haben mich immer wieder so behandelt, als wäre ich weniger Wert, nur weil ich nicht so gut Deutsch konnte. Dabei wusste ich – ohne jemanden niederzumachen bitte – dass ich viel gebildeter bin als mein Gegenüber.“ Goca erinnert sich an viele Stunden bei Ämtern, Verzweiflung und heimlich vergossene Tränen. „Das waren andere Zeiten, es gab kein Internet. Alles ging viel langsamer“, erzählt sie. Irgendwann klappte es aber mit dem dauerhaften Aufenthalt. Nach jahrelangem Hin und Her konnte Goca auch ihre Dokumente nachreichen und bekam 2002 ihr Studium nostrifiziert. 2008 trat sie eine Stelle in einer Steuerberatungskanzlei an. „Damals dachte ich zum ersten Mal: Da gehöre ich hin, hier bin ich richtig. Mathe und Zahlen, da fühle ich mich wohl“, strahlt sie. Dort blieb sie auch bis zu ihrer Pension. Heute lebt sie mit ihrem Mann in Wien und genießt die Zeit mit ihrem Enkel – das bereitet ihr die größte Freude. „Nochmal - ich bin dankbar für alles, dankbar für Österreich. Nur der Weg war echt schwer. Vielleicht hatte ich einfach nur Pech im Leben, aber ich wünschte, dass ich nicht so viele Tränen hätte vergießen müssen.“

Als Anfang Februar der Krieg in der Ukraine ausbrach, kamen bei Goca Erinnerungen und Ängste hoch, die sie dreißig Jahre lang verdrängt hatte. Sie freut sich, wenn sie sieht, dass Ukrainer:innen es in Österreich am Arbeitsmarkt einfacher haben sollen – denkt aber auch, dass die österreichische Politik heuchlerisch ist, damit zu argumentieren, dass „diese Leute ja eh wieder zurückgehen werden.“ Auch OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig äußerste sich Anfang Mai so dazu: „Bei den Syrern war klar: Wer einen Aufenthaltstitel bekommt, wird bleiben. Aktuell wollen die Geflüchteten zurück in die Ukraine. Dort wiederum hoffe man auf deren Rückkehr und auf den Wiederaufbau.“ Goca zuckt mit den Schultern und fragt: „Wohin? Wohin zurück?“

Vom Juristen zum Bademeister

Ein „Zurück“ gab es auch für ihn nicht. Der 62-Jährige Mir Abdul Samed Farid hat in Afghanistan an der Universität in Kabul Jus studiert. Dort hatte er ein „sehr gutes und schönes Leben“, wie er sagt. Er war Anwalt, hat gutes Geld verdient und ihm stand eine glückliche Zukunft bevor. Bis der Krieg ausbrach. 2001 flüchtete er nach Österreich. Es gab Schwierigkeiten mit der Aufenthaltsgenehmigung, nach einem Jahr hat er sie dann bekommen. Er musste jegliche Dokumente vorweisen – über seinen Studienabschluss, über seinen vorherigen Arbeitsplatz. Er hatte alles da, nur sein Diplom wurde hier nie anerkannt. Er musste aber Geld verdienen, um seine Familie hier zu erhalten. Deshalb begann er, in einer Küche als Abwäscher zu arbeiten. Dort blieb er jahrelang, heute arbeitet er als Bademeister in Wien. Mir Abdul Samed Farid sieht die Willkommenskultur und die gesetzlichen Vorteile, die Ukrainer:innen geboten werden, eher kritisch. „Das sind europäische, christliche Leute, die werden anders behandelt als wir“, meint er. „Als ich nach Österreich gekommen bin, ist schon die Polizei gekommen, nur weil man als Afghane sein Fahrrad falsch angekettet hat. Jetzt, wenn ein Ukrainer irgendwo in der Kurzparkzone parkt, ist das kein Problem. (Anm. d. Red: Die Regelung für die kostenlose Öffi-Nutzung und gratis Parken für Ukrainer:innen in Wien ist mit Ende Mai ausgelaufen) Er ist ja ein Geflüchteter. Aber das waren wir genauso.“

„Erstens ist es auch für Ukrainer:innen in der Praxis auch nicht so einfach. Nicht alle bekommen die Aufenthaltsbewilligung und Arbeitserlaubnis. Man muss sich selbst darum kümmern, was oft schwierig ist, wenn man kein Deutsch spricht“, so Kommunikationswissenschaftlerin Lidiia A­kryshora, die seit 2013 in Österreich lebt. „Diese Vergleiche sind grausam. Man kann nicht vergleichen, welcher Krieg ,schlimmer‘ ist. Der Grundtenor in der Community, was dieses Thema anbelangt, ist: Leute, seid ihr verrückt? Die Welt geht unter, und wir diskutieren hier darüber, wer es besser und wer schlimmer hat?“, so die gebürtige Ukrainerin. „Man sollte aus der Geschichte lernen: Den Aggressor benennen und sich einigen, um gegen ihn gemeinsam zu kämpfen“, will sie noch loswerden.

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Lidiia Akryshora Foto: Klaus Ranger

„Warum legt Österreich sich selbst Steine in den Weg?“

Senada ist 1992 genau wie Goca vor dem Jugoslawienkrieg geflüchtet. Sie ist heute 52 Jahre alt und stammt ursprünglich aus Bosnien, dort hat sie ihre Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester gemacht. Auch sie dachte, dass sie nur ein paar Monate in Österreich bleiben würde. In Graz angekommen, musste Senada schnell Geld verdienen – alles andere war zweitrangig. Ihr fehlte jegliche Information darüber, wie sie ihre Ausbildung hier anerkennen lassen kann. „Ich habe jeden Job gemacht, der mir unterkam: Ich war Zimmermädchen, Kochgehilfin – alles, was ging.“ Ihr Diplom wurde in Österreich mit der Ausbildung einer Pflegehelferin (mittlerweile lautet die Bezeichnung Pflegeassistenz) gleichgesetzt. „Ohne jemanden zu beleidigen, aber das sind zwei verschiedene Ausbildungen.“ Senada ist einfach sauer und wütend über den österreichischen Umgang mit qualifiziertem Personal aus dem Ausland. „Österreich legt den Leuten und irgendwie ja auch sich selbst so viele Steine in den Weg. Das ist alles so bürokratisch und so viel Papierschwachsinn.“ Auch heute arbeitet Senada noch in einem Altersheim in Graz. „Die Leute glauben, wir sind nur Arschputzer“, so Senada. „Dabei sind wir viel mehr als das. In der Pflege mangelt es sowieso immer an Kräften – warum wird es den Leuten dann so schwer gemacht, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen?“, fragt sie. Senada zeigt sich verständnisvoll darüber, dass Ukrainer:innen vieles erleichtert werden soll. Sie betont aber, dass Europa ihrer Ansicht nach rassistisch handelt und den Geflüchteten aus beispielsweise Syrien oder Afghanistan das Ankommen und Weiterleben sehr viel schwerer gemacht hat als den Ukrainer:innen jetzt. „Ich bin gespannt, wie das jetzt weitergeht, wenn der Arbeitsmarkt für die Ukrainer:innen geöffnet wird.“

 

* Name von der Redaktion geändert


WELCHE NEUEN REGELUNGEN GIBT ES NOCH?

QUALIFIKATIONEN:

Speziell für Vertriebene aus der Ukraine wurde kürzlich beschlossen, dass sie in Österreich eine so genannte „Blaue Karte“ erhalten. Die Blaue Karte ermöglicht nicht nur einen Zugang zu Arbeitsmarkt und Krankenversicherung, sondern ist auch ein Identitätsdokument.

Zuständig für die Aufenthaltskarte ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Österreichweit wurden laut BMI stand Ende Mai 71.850 ukrainische Geflüchtete erfasst und 62.000 Vertriebenenausweise ausgestellt, davon 59.904 verschickt. Die Beschäftigungsbewilligungen für Ukrainer:innen werden vom AMS innerhalb weniger Tage ausgestellt. Ukrainische Geflüchtete können also von Anfang an mehr Geld in Österreich verdienen, als Menschen aus anderen Drittstaaten, die oft sehr lange auf ihre Genehmigungen warten.

Auch was die universitäre Laufbahn angeht, gibt es Erleichterungen: So erlässt die Universität Wien Studierenden aus der Ukraine die Studiengebühren und hat ein eigenes Stipendium für sie ausgeschrieben. Was die Anerkennung von Studienabschlüssen betrifft, gibt es laut der Universität Wien keine Sonderregelung. Für die Nostrifikation, also Anerkennung ausländischer Uni-Abschlüsse, ist das Bildungsministerium verantwortlich. Die Nostrifizierung muss man beantragen, wenn man außerhalb der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums studiert hat. In der Praxis gestaltet sich dies aber schwierig.

AUFENTHALT:

Für vertriebene Ukrainer:innen gilt die EU-Massenzustromrichtline. Diese Richtlinie ist für den Fall einer Massenzuflucht von Staatsangehörigen aus Drittländern und Staatenlosen in die EU gedacht, die aus Gebieten vertrieben wurden, in denen „ein bewaffneter Konflikt oder dauernde Gewalt herrscht“ oder die „ernsthaft von systematischen oder weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen bedroht waren oder Opfer solcher geworden sind“ – und die deshalb nicht sicher und dauerhaft zurückkehren können. Sie werden nicht als „Flüchtlinge“, sondern als „Vertriebene“ begriffen und brauchen für eine maximal drei Jahre dauernde vorübergehende Aufnahme nur ihre Identität nachweisen oder diese glaubhaft machen; das vereinfacht das Verfahren.

Wie ist das mit den Uni-Abschlüssen?

In Österreich sind Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen für die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse zuständig. Für die Ukraine gibt es derzeit lt. Universität Wien keine Ausnahmeregelungen.

Achtung: Für eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft wird keine Nostrifizierung benötigt, da hier nur der/die potenzielle Arbeitgeber:in beurteilt, ob durch das im Ausland absolvierte Studium auch entsprechende Qualifikationen erworben worden sind.

Da kommt es nämlich häufig zu Missverständnissen sowohl auf Antragsteller:innen - als auf Arbeitgeber:innen- Seite, die meinen, eine Nostrifizierung sei in jedem Fall zwingend notwendig. Dies ist nur notwendig, wenn ein österreichischer Abschluss (oder ein in Österreich nostrifizierter Abschluss; für EU/EWR Bürger:innen gibt es im Recht Ausnahmen) Voraussetzung für eine Berufsausübung in Österreich ist - das ist z. B. bei Apotheker:innen oder bei Lehrer:innen der Fall.


 

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