Ivanas Welt: "Urlap" all inclusive

08. Juli 2022

Fahr’ma wieder runter. Heuer residiere ich auf Schwiegermutters Terrasse. Turska kafa und Dorfgossip inklusive.

von Ivana Cucujkic-Panic


Wieder ganz normal Urlaub machen. Raus aus Wien. Weg von Balkonien. Ab ans Meer. Ins Ausland. Nach zwei Pandemiejahren sehnt man sich nach dem Gewohnten. Cluburlaub, Charterflug, Gyrosplatte. Und nach Heimaturlaub. So wie früher. Ferien wie damals. Wo der letzte Schultag einen langen Sommer im vlahischen Dorf voller Flirts mit den süßen Dorfjungs (das sehr wahrscheinliche Verwandtschaftsverhältnis muss man halt beinhart verdrängen), Babas Fleischtomaten, Dedas oarge Marille, Traktoraction und Dorfgossip einläutete. Fahr‘ ma wieder runter.


Urlap ist, wenn man den Grenzbeamten schmiert
Keine Notwendigkeit, die uns aus dem westlichen Hamsterrad hetzt. Nein, keine Beerdigung oder Hochzeit, die uns auf den roten Dorfteppich verpflichten. Einfach nur die Sehnsucht nach der ultimativen Überdosis Eskapismus. Flucht ins Früher, ins bessere Damals. Als wir Kinder im rappelvollen Kombi zwischen Mitbringsel-Duschgel, ausrangiertem Herd und Provianttasche die nächsten tausend Kilometer um den halben Sitzplatz rauften. Als wir dem ungarischen Grenzbeamten einen Zehner fürs Vordrängeln in den Pass schoben. Als die erste Amtshandlung als Gastarbeiter im „Urlap“ der Gang zum Flatrate-Friseur war und berüchtigte Dorf-Omis um uns Gastarbeitertöchter aka potenzielles Heiratsmaterial für ihre Enkel buhlten.

Als jeder Tag erst im Morgengrauen mit Burek und Joghurt auf der Terrasse der Gastarbeiter-Villa seinen Ausklang fand. Ja, heuer fahren wir wieder runter. Nur ist wenig noch wie damals. Der Traktor rostet auf dem Nachbarhof. Omas Fleischtomaten kaufen wir importiert im Supermarkt. Von Opas Selbstgebranntem ist nur mehr eine halbe Colaflasche übrig. Und diese wird streng rationiert. Niemand mehr da, der die Tore zur Einfahrt weit aufsperrt und sehnsüchtig auf den anrollenden Kombi aus Wien wartet. Die Villa ging zum Schleuderpreis an andere Gastarbeiter.


Der Dorfjunge bleibt
Den süßen Dorfjungen, den gibt es noch. Meine Sommerliebe 2001. (Ein Verwandtschaftsverhältnis ist sehr wahrscheinlich ausgeschlossen. Sagten sie uns.) Mit unseren beiden Kindern checken wir dieses Jahr bei meiner Schwiegermutter ein. Wenn wir den Grenzbeamten erfolgreich bestochen haben und die Kühlbox bis auf die letzte Extrawurstsemmel leergefuttert wurde. Wenn sich das dreihundertachtzigste „sind wir schon da, wann sind wir endlich da, er hat es mir genommen, ich muss kaka, JETZT“ als dröhnendes Surren in den Schläfen manifestiert, noch vor Nickelsdorf. - Jetzt weiß ich auch, warum meine Eltern Nachtfahrten bevorzugten. Alles vergeben. Vollstes Verständnis. Mit meiner frischen Föhnfrisur zum Nulltarif setz ich mich dann auf die Terrasse mit Blick auf die Donau und Rumänien. Schwimu serviert mir „turska kafa“, der mich wahrscheinlich bis Urlaubsende wachhalten wird. Und wenn ich Glück habe, treffe ich auf eine alte Dorf-Omi, die mir den hottesten Tratsch in Town erzählt. Urlap fast wie damals.

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