Wer ist hier der Boss

04. September 2012

 

 

Sie verdient mehr als er. Was zunehmend Alltag wird, empfinden junge Machos als Albtraum. Doch es gibt auch Pärchen, bei denen ihr Kontostand nichts an seinem Stehvermögen ändert. Biber-Redakteurin Delna Antia taucht ein in die Welt der Haushälter, männlichen Musen, Alphatierchen und Sofa-Sultane.

 

 

„Und wenn es nur soviel ist“, Teo kneift die Augen zusammen und macht eine winzige Lücke zwischen Daumen und Zeigefinger, „Ich muss auf jeden Fall mehr verdienen als sie!“ Wir lachen, aber mein türkischer Kollege macht ein todernstes Gesicht: Eine Frau, die mehr Kohle scheffelt als er, kommt für ihn nicht in Frage.

 

Doch die Zeiten für die Teos da draußen werden härter. Rollentausch ist angesagt: Frau macht Money, Mann macht Papa-Monat. Für traditionelle „Macho-Gesellschaften“ natürlich ein Super-GAU. Sie haben noch klare Vorstellungen darüber, was männlich ist und was nicht; Wäschewaschen während sie auf Business-Reise ist, gehört sicher nicht dazu. Doch gerade Migrantinnen geben in Sachen Karriere so richtig Vollgas. Da muss man sich nur mal in der biber-Redaktion umschauen.

 

Der Machtwechsel findet nicht nur in den Management-Etagen, sondern auch in der Küche statt. Von der Frauenministerin wird das kräftig unterstützt: Sie hat den „Papa-Monat“ eingeführt und fordert eine Quote für Frauen in Managementposten. Zudem haben die Mädels, was die Zahl der Uni-Abschlüsse betrifft, ihre männlichen Kollegen schon längst überholt. Und die internationale Wirtschaft macht vor, wer in Zukunft den Ton angibt: Frau. Ob bei Facebook, Yahoo oder Siemens.

 

An Teo scheint das vorbeigegangen zu sein. Hm, nur an ihm? Spricht mein Kollege vielleicht nur aus, was sich die meisten seiner Artgenossen denken, sich aber in unserer emanzipierten Welt nicht mal zu flüstern trauen? Bedroht „ihr“ Kontostand „sein“ Stehvermögen? Abwegig ist Teos Beuteverhalten schließlich nicht: Studien besagen, dass das Sexleben leidet, wenn die Rollen sich komplett verkehren und er daheim auf sie wartet und sie draußen fett Karriere macht.

 

Gut, ich beschließe der Sache auf den Grund zu gehen und mich im Beziehungsleben meines Umfelds einmal umzuhören. Bei den bosnischen Kolleginnen, beim Mädlsabend mit Freundinnen und bei Pärchen, die das „Problem“ kennen. Dass die Finanz-Causa heikel ist, merke ich schnell: Niemand will mit vollem Namen genannt werden. Deswegen nenne ich sie den Sofa-Sultan, den Haushälter, Muse-Mann und das Alphatierchen.

 

 

Der Sofa-Sultan

„Frauen aus Ex-Yu oder der Türkei wollen am liebsten einen Mann aus der Heimat heiraten. Am besten aus dem gleichen Dorf“, erklären mir die biber-Kolleginnen. Super Sache: Sie verliebt sich in ihn und seinen Heimatbezug, er verliebt sich in sie und ihr Visum. Doch einmal verlobt und verheiratet, erwartet die Frischvermählten oft harte Alltagsrealität in Österreich: Sie geht Tag für Tag arbeiten, er wartet auf seine Arbeitsbewilligung – auf dem Sofa. Das zehrt an seiner Männlichkeit und ihrer Kraft. Wie bei Sandra, 24, und Samir, 27, aus Bosnien. Wenn die Büroangestellte abends heim kam, saß er auf dem Sofa und zockte PlayStation. Sie setzte dann das Essen auf und wusch abends noch die Wäsche. Als dann nach vier Monaten die Arbeitsbewilligung für Samir endlich eintraf, änderte sich jedoch nichts. Es wurde schlimmer. Nun „durfte“ er arbeiten, „wollte“ aber nicht. Der gelernte Techniker war sich für die Aushilfsarbeiten, die er zunächst nur ausüben durfte, zu schade. Und zu Hause erst recht nicht. Putzen passt ins Männlichkeitsbild von Samir nicht rein. Dass sie arbeiten ging und damit nicht zu Hause war, noch ok, aber, dass er kochen und waschen sollte? Nein, das „könne“ er ja auch gar nicht.

 

Zocken statt Kochen

 

Also verdiente sie weiterhin die Brötchen und schrubbte am Wochenende die Wohnung. Er ging dafür immer häufiger ins Wettbüro. Selbstverständlich zockte er mit ihrem Geld, sie teilten sich ja ein Konto. „Meins-Deins-Denken“ ist bei Jugos nicht sonderlich ausgeprägt. Doch das Ungleichgewicht zehrte an der Beziehung. Meine Kollegin erzählt mir, dass in ihrem Bekanntenkreis schon viele Beziehungen an einer ähnlichen Situation gescheitert sind. Die Männer fangen an zu trinken oder werden spielsüchtig, die Frauen halten die physische und psychische Doppelbelastung der „Alleinversorgerin“ nicht aus. Ausnahmen gäbe es auch, sagte sie, der Freund einer Bekannten sei ganz happy den Aushilfsjob als LKW-Fahrer. Die Regel ist das nicht.

 

 

Der Haushälter

„Was blieb mir anderes übrig?“, fragt Mark. „Natürlich hatte Sina die Letztentscheidung, was die Schlafzimmereinrichtung anging.“ Sina, 30, verdient rund 2000 Euro netto, Mark, 26, in schlechten Monaten nur die Hälfte. Das österreichische Paar ist gerade zusammengezogen. Die Lehrerin hatte bereits einiges angespart und konnte mal locker die Einrichtung übernehmen, der freie Redakteur musste dagegen zusehen, überhaupt über die Runden zu kommen und war froh, die Waschmaschine beizusteuern. Trotzdem, am Anfang unseres Gesprächs betonen beide, dass „Geld absolut kein Thema ist“, aber nach und nach merke ich: Es ist doch eins. Eigentlich wollen sich die beiden alle Kosten teilen: Wohnung, Betriebskosten, Lebensmittel. Aber immer geht das bei Mark nicht. Wenn er wenige Aufträge hat, muss sie tiefer in die Tasche greifen und zwar möglichst unauffällig. So ging Sina zum Beispiel oft „heimlich“ zum Supermarkt, um ihn nicht damit zu konfrontieren. Und beim Urlaub verzichtete sie: Statt in die Karibik ging's im Sommer nach Kroatien. Das hat sie natürlich schon gewurmt. Ihm gefiel dagegen nicht, dass sie sich einfach so das neue MacBook bestellte, während er überlegen musste, wie er die Miete zusammen kriegt. „Manchmal wünsche ich mir für ihn eine Festanstellung“, sagt Sina. Aber die scheint Mark nicht im Sinn zu haben. Erstens mag er sein gemütliches Leben zu Haus und zweitens könne er ja Sina trotzdem etwas bieten – nur eben nicht Geld.

 

Der Mann im Haus

 

Das stimmt. Während Sina nämlich der Arbeit frönt, schmeißt Marko daheim den Haushalt. Er kocht jeden Abend für beide, putzt und wäscht – und kann sich dabei super die Vaterkarenz vorstellen. Sina findet das spitze: „Endlich ist der Mann mal in der Rolle, zu Hause zu bleiben.“ Und sie würde ihre Arbeit auch „brauchen“. Ein Männlichkeitsproblem hat Mark damit nicht. Vielmehr habe „Mann“ mit einer emanzipierten Frau an der Seite deutlich weniger Druck, stets der Alleinversorger zu sein. „Außerdem sind meine Freunde alle so Luschen, die gerne kochen“, grinst er Sina an.

Vor Mark hatte Sina keine „Lusche“, sondern einen sehr reichen und spendierfreudigen Ex. „Aber die jetzige Position gefällt mir um einiges besser“, erzählt Sina, „Ich bin stolz, auf das, was ich erreicht habe und mir selbst leisten kann.“

 

 

Der Muse-Mann

Wenn Alex spielt, leuchten Marias Augen. Verständlich. Sieht ja wirklich zum dahinschmelzen aus, wenn der Gitarrist auf der Bühne steht. Maria ist Halb-Rumänin, selbstständig, super erfolgreich. Sie arbeitet bei der UNO, verdient gut. Heute hat sie ein Kleid an und strahlt ihn an. Dabei ist Alex nicht gerade Lenny Kravitz, was die Auftragslage betrifft, im Gegenteil. Aufträge sind rar, an einem Abend springen nicht mehr als 150 Euro pro Bandmitglied raus. Trotzdem, Maria genießt es, die Freundin eines Künstlers zu sein und seine Auftritte zu besuchen. „Aber zusammenleben kommt für mich nicht in Frage. Ich bin froh, eine eigene Wohnung zu haben.“ Schließlich muss sie morgens arbeiten und kann nicht erst um 15 Uhr frühstücken. Kreative drehen nämlich erst ab 22 Uhr auf und verstehen partout nicht, dass ihre fleißig arbeitende Freundin dann schon Zähne putzen muss. Trotzdem, das Duo „Karrierefrau und Künstler“ liegt im Trend. Samantha von „Sex and the City“ hat es ja schon vorgelebt: Keine Job-Konkurrenz in der Beziehung und beide sind auf Augenhöhe.

Dass ihr Künstler-Mann nicht die dicke Kohle nach Hause bringt, stört Maria nicht, das liegt schließlich in der Natur der Sache: Musik & Co ist nicht mit Investmentbanking zu vergleichen und daher kann sie auch keine monetären Sicherheiten erwarten. Dafür macht er ja „Kunst“ – und das wiegt mehr als Money.

 

Fake-Bezahlung

 

Frauen fühlen sich oft geschmeichelt, die Herzensdame eines mysteriösen Künstlermannes zu sein. Dafür verzeihen sie sein langes Schlafen und sein mageres Konto. Und beginnen ihn einzuladen: Mal zum Frühstücken, mal ins Kino und wenn es sein muss, auch auf den Urlaub. Natürlich beiläufig, so, dass es für ihn nicht unangenehm ist – auch ein Musiker ist schließlich ein Mann. Daher schieben die feinfühligen Damen ihm im Restaurant das Geld unterm Tisch rüber. Ein Klassiker: Frau mag romantisches Candle-Light-Dinner, Mann keine blöden Blicke vom Italo-Kellner. Die „Fake“-Bezahlung ist für beide okay, schließlich würde er ja einladen, stets und immer, nur kann der „Muse“-Mann meistens nicht. Maria nimmt das gelassen, welcher stinknormale Bürohocker würde sie so beschenken wie ihr Alex: Er hat ihr eines seiner Stücke gewidmet und spielt es gerade für sie. Unter seinen Locken blinzelt er zu ihr rüber. Welche taffe Lady würde da nicht weich werden?

 

 

Das Alpha-Männchen

Zum Schluss wage ich mich doch noch in die Höhle eines klassischen Alpha-Mannes und interviewte einen Prototypen, der mein modernes Weltbild dahinschmelzen lässt – ein bisschen. „Ist es in Ordnung für dich, wenn deine Frau mehr verdient als du?“, will ich wissen. „Nein.“ „Wieso?“ „Geld macht Stärke aus und kein Mann will schwach wirken.“ Aha. „Käme also keine Frau in Frage, die mehr verdient als du?“ – „Nein.“ Das war deutlich. Aber ich gebe nicht auf: „Was, wenn sie im Laufe der Beziehung anfängt, mehr zu verdienen, wäre das für dich ein Grund Schluss zu machen?“ Endlich, er wird weicher: „Nein, aber es würde mich anspornen, noch erfolgreicher als sie zu werden, um so wieder mehr zu verdienen.“ Für meinen türkischen Interviewpartner wäre es undenkbar, dass sie ihm heimlich Geld gibt. „Ich bin ja kein Schmarotzer!“, findet er empört. Langsam begreife ich, für einen Mann wie ihn ist der moderne Rollentausch völliger Unfug. Er würde weder alles auf den Euro genau „teilen“ wollen, geschweige denn, sich von ihr etwas zahlen lassen und eher würde er tot umfallen, als dass er sich an ihrem Konto bedient. Gut, so modern ist er schon, dass dieser Alphamann es toll und sexy findet, wenn seine Freundin einen interessanten Job macht – aber bitte in Maßen. Sie soll es nicht übertreiben, schließlich muss sie ja noch Zeit für ihn haben.

 

Luxus gegen Backen

 

Denn, wie war es anders zu erwarten: Liebe geht bei so einem Mannsbild immer noch durch den Magen: „Meine Freundin zeigt mir ihre Liebe durch süße Worte, lecker zubereitetes Essen und Selbstgebackenes.“ Klar, dass dann die Frau schwer Karriere machen kann – welche Dame stellt sich schon gern nach 20 Uhr an den Backofen? Andererseits, mein Interviewpartner strahlt etwas aus, von dem andere Männer nur träumen können: Sicherheit. Frauen fliegen nach wie vor auf diesen Geruch. Logisch, sie kriegen irgendwann Kinder. Mein Interviewpartner lebt mit seiner Freundin noch nicht zusammen. Um ihre Existenzen kümmert sich also jeder selbst. „Aber, da ich kein Mann großer Worte bin, versuche ich ihr die Wünsche zu erfüllen, die sie sich selbst nicht leisten kann.“ Das kann von neuen Ohrringen bis zum schicken Rock alles sein. „Sie ist ja nicht angewiesen auf meine Geschenke und Einladungen – das ist ein Luxus, den sie sich auf jeden Fall durch ihre Liebe verdient hat.“ Hach, ich seufze. What a man. – Ist dieses Alphamännchen etwa der letzte Romantiker auf diesem Planeten? Oder doch nur ein übler Macho, der mit einer starken Frau nicht umzugehen weiß, sich gleich bedroht fühlt und ihr am Ende verbietet in die Arbeit zu gehen? Weltkonzerne könnte sie an seiner Seite auf keinen Fall führen, denn erstens käme er mit ihrem Gehaltszettel nicht zurecht, zweitens würde er keinen Papa-Monat machen und drittens: Er mag doch so gern Selbstgebackenes.

 

Von Delna Antia und Philipp Tomsich (Fotos), Kardelen Ari (Fotos)

 

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Kommentare

 

Dieser Macho Teo

 

Super Artikel ;)

Das sind alles Beispiele die man immer häufiger beobachten kann.

Es ist immer schön zu sehen, dass es aber doch auch (und hoffentlich immer öfter) Männer gibt, die sich eine 'Hausmann' Rolle gut vorstellen können und dabei nicht gleich komplexe kriegen.

 

Interessant ist an dem Artikel aber auch, wie sehr auch noch die Frauenrolle in den Frauen fixiert ist.

In den Beispielen hier ist es den Frauen ja quasi unangenehm mehr zu verdienen und sie 'decken' ihren Mann vor anderen.

Ich glaube sie tun das auch, weil es ihnen eben auch unangenehm ist, nicht nur weil es ihren Männern unangenehm ist.

 

 

 

Hi kleines M! 

Danke für dein Feedback, denn ja, ist mir auch so gegangen: Wir Frauen sind noch nicht modern genug für den modernen Mann! Frauen wollen zwar Karriere, aber lange noch nicht Verantwortung - das macht ihnen Angst. Was ja auch irgendwo verständlich ist, weil Frau von Natur aus irgendwann "abhängig" ist: als Schwangere/bzw. mit Baby. Wenn da der Mann nicht "stark" ist, fühlt sie sich nicht gut aufgehoben. Und "stark" bedeutet nun mal meist immer noch "starke Schulter", sprich Sicherheit, sprich Versorger, sprich Moneymaker ;)   ....Aber ich glaube uns, in der GenerationY, geht's da schon anders: Wir sind mehr "Team-Paare" und teilen Talente auf: wer besser im Karriere machen ist, geht raus und bringt die Brötchen heim, wer besser für ein schönes Nest sorgt, macht eben das. Egal ob männlich oder weiblich. Bloß, eine Sache ändert sich nicht: Frauen bezahlen keine Urlaube ;) Das ist Männersache - ebenso wie das Bezahlen beim Italiener. Irgendwo sind eben Grenzen ;)

 

 

Ich wage mal eine Vermutung in diesem Kontext zu teilen: 

Habt ihr es mal Überlegt, wenn eines Tages es kein Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen gibt, dass dieses Mindset bezüglich Männer als Versorger (sowohl von Männer- wie auch von Frauenseite) ein echtes Problem werden könnte?

Es wird noch mehr Frauen geben (mit hohem Gehallt) die noch weniger Partner finden können,

und es wird noch mehr Männer geben (mit niedrigem Gehallte) die ebenfalls schwieriger Partner finden. 

 

Ich wage mal der Behauptung, dass sich einige von der Politik das überlegt haben, und angesichts der abnehmenden Geburtenrate in Österreich (auf jeden Fall unter 2 pro Frau), die Politik gar nicht interessiert ist großartig die Situation zu ändern.

 

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