Ich hasste mich

Depression
Marko Mestrovic

Alles fing mit einem Jungen an, der mir falsche Hoffnungen machte, womit mal die Depri-Phase bei mir schon mit 14 anfing. Traurigkeit und Weinen waren bei mir angesagt, sobald ich in meinem Zimmer war. Geweint habe ich, bis ich einschlief. In der Früh stand ich auf und konnte nach einer Zeit nicht mehr in den Spiegel sehen, da ich langsam mein Selbstwertgefühl verlor. Ich fing an, mich zu hassen. ​Ich wusste schon immer, dass ich dünn bin, nur bemerkte ich es erst so richtig, als ich um mich nur noch Mädchen hatte, die äußerlich reifer waren als ich. Mein Schwarm mochte immer nur Mädls, die reifer als ich waren, was mich gekillt hat, da ich ihn 4 Jahre lang liebte. Ich schrieb ihm Gedichte, Lieder - einfach alles Mögliche tat ich für ihn, was ihm aber scheiß egal war. Als ich ihn fragte, ob er mit mir zur Schulball gehen möchte, meinte er,"Wäh! Sie ist ja ur schirch, ich mag sie gar nicht!". Ich schlief nächtelang nicht mehr. Mein Kopf dachte nur noch daran, wie schirch ich bin, warum ich nichts wert bin, warum meine Liebe nicht erwidert wird.

Wertschätzung

Ich meinte immer wieder, dass ich andere nur enttäusche, was mich dazu brachte zu denken, warum ich  überhaupt noch lebe. Es zerstörte mich innerlich und später auch äußerlich. Ich fing an zu denken, ob das Leben für die anderen einfacher wäre, würde ich sterben. Am ärgsten ist, wenn du für deine Freunde alles getan hast und sobald du in eine andere Schule gehst, brechen sie eiskalt den Kontakt ab, obwohl sie dir am wichtigsten waren. Sobald ich wenigstens eine Person fand, die mir Wertschätzung zeigte, war sie nach kurzer Zeit wieder aus meinem Leben verschwunden, da sie jemand anderen fand, mit dem sie lieber Zeit verbrachte als mit mir. Obwohl ich wusste, dass ich mir selbst generell weh tun werde, indem ich anderen was hergebe (Liebe, Freundschaft, Freunde wegnehmen lassen,..), tat ich es trotzdem, da ich mir scheiß egal war. Ich dachte, dass es nie enden wird, Leute zu enttäuschen und Menschen zu verlieren.

Selbstverletzung

Mein Tiefpunkt begann, als ich anfing mich am Arm zu ritzen. Ich habe keine Schmerzen dabei gespürt. Ich habe mich bis zum Gehtnichtmehr gehasst. Ich wollte die Schmerzen spüren, ich habe mich so sehr nach diesen Schmerzen gesehnt. Dachte nur noch über Selbstmorde nach, zum Beispiel meine Adern durchzuschneiden, Waschpulver zu essen oder eine Überdosis Tabletten zu schlucken. Jeden Abend saß ich in meinem Zimmer im Dunkeln und konnte nur noch an negative Dinge denken. Sevenfactor-Videos (schlimmsten Ausschnitte aus verschiedenen Horrorfilmen, die dann in Videos für ca. 1min. gezeigt werden) waren das Einzige, was mich beruhigen konnte, da ich mich bei diesen Videos wohl fühlte. Ich war nicht mehr ich selbst, sondern ein Mädchen, das süchtig nach Ritzen war. Ich war das Mädchen, das sich überall am Bein, an den Armen, Händen, unter meiner Brust und am Oberschenkel ritzte. Das Mädchen, das zu viel Beruhigungstabletten schluckte. Ich konnte nur noch lange T-Shirts, lange Hosen und falls Röcke, dann mit Strumpfhosen tragen. Mein Körper war die ganze Zeit versteckt, leider kam dann Sommer und ich trug Kleidung, bei der man mehr als nur meinen Kopf sah. Viele waren geschockt, als sie meine Narben sahen. Sie haben mich angeschaut, als ob ich eine Außerirdische wäre. Da wusste ich, ich war das Selbstmordmädchen, mit dem man nichts zu tun haben wollte. Ich wollte nur noch sterben, um die Schmerzen nicht zu spüren. 

Behandlung

Diesen Stress konnte ich kaum noch ertragen. Geheimnisse, die ich nicht ausplaudern konnte. Streit mit Eltern, da sie mich gar nicht verstanden. Als ich von Menschen träumte, die mir schlechte Dinge taten, hatte ich eine Woche lang Angst vor Menschen. Ich war voller Wunden, müde, dunkel angezogen, einfach nur am Boden zerstört. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich konnte nichts mehr essen. Ich probierte es, aber dann wusste ich schon, dass ich auf das WC musste. 3 Kilo nahm ich ab, was mir Angst einjagte, da ich nur noch 42 Kilo wog bei 1,62cm. 

Irgendwann konnte ich nicht mehr und ging zum Hausarzt und erzählte ihm, dass ich mich gar nicht mehr kann. Ich konnte mich gar nicht mehr auf die Schule konzentrieren. Ich bekam in der Schule nur noch 5er. Aber die Lehrer standen hinter mir und halfen mir die Schule durchzuziehen und dafür danke ich ihnen aus tiefstem Herzen. Vom Hausarzt bekam ich eine leichte Beruhigungpille verschrieben.

Psychatrie

Am nächsten Tag ging ich zur Schulpsychologin, die mir empfahl, zur AKH Jugendpsychiatrie zu gehen. Als ich dort ankam, sah ich depressive Jugendliche, die anscheinend die gleichen Probleme hatten. Man sah die Ritzer an ihren Armen. Dort gab es auch Jugendliche, die so richtig magersüchtig waren und da wusste ich, dass ich am richtigen Ort war um meine Probleme zu lösen. Es war mir klar, dass diese negativen Dinge nicht so schnell vergehen werden. Dort konnte ich meine Probleme freilassen, die ich in mir selbst hielt. Ich musste meine Ritzer zeigen und die Ärzte meinten, dass ich öfters die Jugendpsychiatrie besuchen solle und dass ich eine Therapie durchführen müsse. Es waren so richtig harte Zeiten, aber ich wusste, dass es nach einer Zeit wieder gut werden würde. Noch heute habe ich ab und zu Depri-Phasen, aber dank allen, die mir geholfen haben, kann ich sie überwinden, ohne mir selbst wehzutun.

Nikolett Lakatos, 15 Jahre, Schule des bfi Margareten

Kommentare

 

Hey Nikolett! Ich finde du hast meinen größten Respekt das hier alles zu veröffentlichen und zu berichten.

Ich selber habe mit ähnlichen Dingen gekämpft wie du. (Teilweise noch immer) nur ich hatte nicht den Mut dazu meine Geschichte aufzuschreiben wie du. Ich kenne die Reaktionen anderer wenn sie auf deine Narben schauen. Es ist einfach nur ein schreckliches Gefühl wenn alle anderen mit kurzen Hosen rumlaufen ohne deren Narben mit ihrer klarer und Narbenfreier Haut. Meine Narben sind an den Armen teilweise verblasst was ich sehr schön finde, den noch hab ich genug Stellen an den Beinen die mich an meine Vergangenheit erinnern. Wenn du willst können wir mal darüber reden. ( Nur wenn du eine Ansprechperson oder Freundin) brauchst, Ich wünsche dir das beste!.

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