Evolutionstheorie à la Nachtwerk

03. Februar 2016

Das "Nachtwerk" stand für Spaß, Spannung und Schlägereien. Doch im wissenschaftlichen Kontext ergeben sich ganz neue Perspektiven und Erkenntnisse.

Es ist Samstag. Schulfrei für die einen, der letzte Arbeitstag der Woche für die anderen. Trotzdem ein Tag, an dem alle zusammenkamen. In einem zweistöckigen, nach Lagerhalle anmutenden Gebäude, irgendwo im Nirgendwo des 23. Bezirks, traf man sich, um die Nacht zum Tag erwachen zu lassen. Leute - überwiegend Türken und Jugos - aus Österreich strömten in die Diskothek mit dem Namen „Nachtwerk“ und verbrachten die Nacht in einem großen, von Zigarettenaroma durchströmten Raum, der im Sommer auch gerne mal nach Kotze und Schweiß roch.

Der Geruch spielte nur die zweite Geige, denn warst du schon um 23 Uhr drinnen, hattest du genug Zeit, dich zu akklimatisieren – jene körperliche Anpassungsprozedur, die auch Besteiger des Mount Everest durchmachen müssen. Doch bevor es Abend wurde, galt es einige Sachen zu erledigen: sich neue Kleidung kaufen, schnell ins Münz-Solarium (aber bitte Turbo) und die Augenbrauen zupfen gehen (Mann und Frau). War dies alles getan, war nur noch Geld für Eintritt und Mineralwasser übrig. Gott sei Dank haben da noch die meisten bei Mama gelebt.

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Gladiatorinnen und Hühnerbrüste

Die Großraumdiskothek war wie eine Versuchsanstalt für soziobiologische Experimente. Alle Stadien, die der Mensch in der Evolution vom Einzeller zum Homo Sapiens durchgemacht hatte, durchlief ein Besucher innerhalb einer Nacht. Das erste Stadium ist die eingangs erwähnte Gewöhnung an die Luftzusammensetzung und das subtropische Klima, vergleichbar mit dem ersten Landwirbeltier vor 360 Millionen Jahren, das nach dem Verlassen des Wassers beim ersten Atemzug beinahe elendig krepiert wäre. War diese kritische Phase überstanden, holte man sich was zum Trinken. Bei der sogenannten Tequila-Party waren zehn Shots absolute Pflicht. Diese Pflicht ergab sich aus der Not, denn alles andere war nach Solarium, Augenbrauenzupfen und Kleiderkauf zu teuer. Waren die Leute betrunken, wurden auf der Bühne die ersten Paarungstänze aufgeführt, bei denen die prächtigsten Exemplare das Hemd aufknöpften, um ihre männliche Hühnerbrust zu entblößen. Parallel dazu kam es zu ersten Rudelbildungen. Man unterschied die Sippen von der roten, der blauen oder grünen Bar. Nicht selten kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen unter den Rudeln, oft auch um Weibchen. Die brutalen Gladiatorinnen dürfen hier nicht ausgelassen werden. Sie waren oft mit langen Fingernägeln und Extensions für körperliche Auseinandersetzungen gewappnet. Die Verteidigungstechnik mit der Haarverlängerung wurde als Täuschungsmanöver für die Gegnerin entwickelt und um potenzielle Männchen anzulocken.

Man sieht, das Nachtwerk war eine faszinierende Fauna, lehrreicher als jeder Zoobesuch. 

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