Lasst eure Kinder da raus

23. Mai 2017

Der kroatische Sänger Marko Perkovic, unter dem Pseudonym Thompson bekannt geworden, genießt in seiner Heimat Kroatien und unter der kroatischen Diaspora hohe Beliebtheit. Kein anderer spaltet Gesellschaft und Politik so stark wie er.

Ich bin auf einem Kindergeburtstag. Lauter bunte Tischgirlanden und jede Menge Luftballons um mich. Nachdem dann auch das letzte Stück vom Geburtstagskuchen verschlingt ist, beginnen sich die Gläser mit Alkohol zu füllen. Die Stimmung steigt. Und dann passiert's: Grölende Bekannte, sie umarmen sich und heben ihre zwei Finger in die Höhe. Euphorisch singen sie „neka vide da nas ima“ (übers.: Sie sollen sehen, dass es uns gibt). Danach folgen Songs wie „E moj narode“ (übers.: Oh mein Volk) und „Bojna Cavoglave“ (übers.: Bataillon Cavoglave). Das Geburtstagskind wird von seinem Papa huckepack genommen. Dem Jungen wird etwas ins Ohr geflüstert. Was dann kommt, ist unerträglich. Der Kleine hebt seinen rechten Arm und macht den Schlachtruf der faschistischen Ustasa. In mir kocht es. Ich stehe mit meinen nicht-kroatischen Freunden auf und gehe, denn hier hört Toleranz auf.

Kroatiens Staatsspitze energischer Perkovic-Fan

Dass meine Bekannten klare Freunde von hetzerischen Propagandatexten des kroatischen Musikers Marko Perkovic sind, bringen sie mit einem solchen verantwortungslosen Verhalten deutlich zum Ausdruck. Nachdem massive Proteste in Kremsmünster in Oberösterreich ein Konzert des umstrittenen Sängers verhindern konnten, wurde auch vor einigen Tagen von der slowenischen Behörde aus Sicherheitsgründen ein Thompson-Auftritt in Maribor abgesagt. Daraufhin folgte deutliches Unverständnis und Kritik an Slowenien vonseiten der kroatischen Regierung. Der kroatische Premier, Andrej Plenkovic, kommentierte das Konzertverbot mit einem „gar nicht gut“.

Auch die kroatische Präsidentin, Kolinda Grabar-Kitarovic, die bekennende Anhängerin des vaterlandsliebenden Thompson ist, wollte das Verbot mit dem slowenischen Staatsoberhaupt, Borut Pahor, klären. Sie machte ihren Standpunkt klar, Musik solle zusammenführen, solche Verbote aber bewirken das Gegenteil. Dass der Sänger in einigen seiner Lieder die Ustasa-Ideologie verherrlicht, ist bekannt und kein Gerücht. Musik, die offensichtlich aus der radikalen rechten Ecke kommt, schürt Wut und Verbitterung, die auf nächste Generationen unreflektiert übertragen werden. Daher würde ich stark zu bezweifeln wagen, dass so etwas verbindet.

Der Kultsänger polarisiert wie kein anderer, viele seiner Texte schreibt und komponiert er selbst, zu seinen Konzerten eilen tausende von patriotischen Herzen. Die Verbreitung von Hetze und Hass gegen alles, was nicht kroatisch ist, ist in einigen seiner Songtexten mal deutlich mal latent vorhanden, was von seinen Verehrern oftmals heruntergespielt wird, wozu sich schon meine biber-Kollegin in Vergangenheit ausführlichen geäußert hatte. Bei den Fans punktet er mit seiner rauchigen Stimme und auch viele seiner Balladen lassen Thompson-Anhänger butterweich werden.

Um Solidarität mit dem kroatischen Star zu zeigen und damit ein Zeichen gegen das Konzert-Verbot in Slowenien zu setzen, veröffentlichte Grabar-Kitarovic auf ihrem Instagramprofil ein Video, das sie Arm in Arm mit den kroatischen Ministern und dem kroatischen Militärbischof, Jure Bogdan, zeigt. Gemeinsam trällern sie das Thompson-Lied „Lijepa li si“ (übers.: Wie schön du doch bist), wie das kroatische Medium Index berichtet, und machen den Fall zu einem politischen Thema. In Kroatien ist und bleibt Perkovic ein großer Sänger, er weist gute politische Verbindungen auf, wodurch er besonderen Schutz genießt. Da ist es dann auch überhaupt nicht schlimm, wenn Thompson während einer religiösen Veranstaltung an einer katholischen Schule in Sibenik das populäre Lied „Bojna Cavoglave“ spielt, das mit der faschistischen Grußformel der Ustasa-Bewegung „Für die Heimat bereit“ eröffnet wird.

Seid’s ihr jetzt ganz deppert?

Was haben extremer kroatischer Nationalismus, engstirniger Glaube und Lieder, die zu Bluttaten aufrufen, unter Kindern und Jugendlichen zu suchen? Mit einem solchen Verhalten wird allemal bewiesen, nicht bloß patriotisch, sondern rechtradikal gesinnt zu sein. Eine harmlose Geburtstagsfeier wird zur Plattform für Propaganda und Intoleranz gegenüber anderen Völkern gemacht und damit möchtet ihr Vorbilder für eure Kinder sein?

Fremdscham überkommt mich, da viele meiner Bekannten einfach nicht darüber nachdenken wollen, welche Bedeutung solche Lieder wirklich nach außen tragen. Stattdessen identifizieren sie sich mit den Texten des Sängers, Perkovic vermittelt der kroatischen Diaspora ein „Wir“-Gefühl, Tränen kullern sogar bei seinen Zuhörern, sie schreien „Heroj“ und blicken zu ihm auf. Gekonnt weiß der strenggläubig-konservative, familienliebende und stolze Thompson mit seinen Zuhörern zu spielen und macht mit seinem ultranationalen Image gutes Geld. Wer Frieden und Respekt vor anderen Religionen und Nationen bei einer Band sucht, die nach einem Maschinengewehr benannt wurde, hat ein fragliches Verständnis von demokratischen Werten.

 

 

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

.
„Bis ich 13 Jahre alt war, dachte ich,...
Collage: Zoe Opratko
   Keine Bevölkerungsgruppe wird in...
Illustration: Aliaa Abou Khaddour
„Bin ich gut genug? Habe ich verdient,...

Anmelden & Mitreden

9 + 10 =
Bitte löse die Rechnung