Letztklassenmedizin

01. Februar 2016

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte 2011 nachgewiesen, dass man sich als Privatversicherter bis zu 20 Wochen Wartezeit bei Operationen ersparen kann - und das in öffentlichen Spitälern. Ob man am Sonntag in der Kinderambulanz des SMZ Ost mit einer Privatversicherung weniger gewartet hätte, konnte vorerst keiner beantworten.

Ein Mann sitzt mit seiner schlafenden Tochter im Arm am Boden, weiter drüben wird diskutiert. Beim betreten des überfüllten Wartezimmers sticht einem der Schweißgeruch in die Nase und die Unruhe der Wartenden steckt jeden Neuankommenden an. Es sind nicht Szenen aus einem überfüllten Flüchtlingslager, es ist später Sonntagnachmittag in der Kinderambulanz des Donauspitals.

Dem Mann, der zuvor am Boden saß, platzt der Kragen. Er geht mit hastigen Schritt zur Krankenschwester: „Sie haben mir um 13 Uhr gesagt es sind noch sechs Leute vor mir und jetzt, um 18 Uhr, sind immer noch sechs Leute vor mir? Eine Frechheit ist das!“ Er ist nicht der einzige, der seit mehreren Stunden darauf wartet, gerufen zu werden. Eine Familie, die ebenfalls seit Mittag da ist, ist kurz vor der Resignation: „Wir haben keine Ahnung, in welcher Reihenfolge die Leute drankommen. Unser Sohn hatte heute Schüttelfrost und Atembeschwerden, wie dringend muss ein Fall sein, um nicht sechs Stunden warten zu müssen?“. Die Rezeptionistin hat darauf keine Antwort und meint sie habe „so etwas noch nie erlebt“.

Getummel

Plötzlich bricht ein Aufruhr aus, dem sich mehrere Väter anschließen und sich bei der rauskommenden Krankenschwester beschweren: „Ihr sagt, es seien drei behandelnde Ärzte hier. Wie kann es dann sein, dass man nur in einem Behandlungszimmer versorgt wird?“. Dem Gerücht, es sei nur ein Arzt im Dienst, entgegnet die Krankenschwester, dass zwei Mediziner zugegen wären, was für noch mehr Verwirrung sorgte.

Einer der aufgebrachten Väter tritt gegen die Tür, die Polizei wird gerufen, die nach zehn Minuten zur Stelle ist. Es sind chaotische Zustände, in denen man nur schwer den Überblick behält, das merken auch die Beamten, die schnell in die Arzträumlichkeiten verschwinden, um die Umstände zu klären.

Die Polizei scheint etwas bewirkt zu haben, denn das Wartezimmer leert sich langsam, was auch daran liegt, dass mehrere gleichzeitig behandelt werden. Nach Stunden des Wartens kommt nun auch die Familie mit dem Jungen, der an Atemnot litt, an die Reihe. „Endlich!“, so der Ausruf des Vaters.

Ein Sprecher des Krankenhausbetreibers begründet diesen hohen Andrang an Patienten damit, dass die Grippewelle im Anmarsch ist. Man habe im Nachhinein weitere Ärzte mobilisiert und versucht, diese Anzahl nicht nur zu bewältigen, „sondern auch jedem Patienten bei der Behandlung Zeit gewidmet."

Nach der Behandlung des Jungen berichtet der Vater ernüchtert: „Wir haben so lange gewartet, damit uns die Ärztin sagt, dass 'eh alles ok' ist. Es ist offensichtlich, dass sie uns nur schnell abfertigen wollte.“ 

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

.
„Bis ich 13 Jahre alt war, dachte ich,...
Collage: Zoe Opratko
   Keine Bevölkerungsgruppe wird in...

Anmelden & Mitreden

8 + 1 =
Bitte löse die Rechnung