Wie ich mit einem Buch meine Dämonen besiegte

14. Juni 2024

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Bei einer Lesung von "Eine Blume ohne Wurzeln" im Amerlinghaus, März 2024. (Foto: privat)

Ein Stück seiner persönlichen Geschichte innerhalb eines Buches zu verarbeiten, braucht nicht nur viel Fingerspitzengefühl beim Schreiben, sondern verlangt auch eine große emotionale Bereitschaft, sich damit der Öffentlichkeit zu stellen. Insbesondere, wenn es Etappen in dieser Geschichte gibt, die lange Zeit in der eigenen Familie, Freundes- und Bekanntenkreis unter Geheimhaltung standen – aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung oder Schamgefühl seinen Nächsten gegenüber. 

Vor ungefähr einem Jahr befand im Manuskriptendspurt zu meinem ersten Sachbuch „Eine Blume ohne Wurzeln“, in dem ich beschrieb, wie ich aus meiner konservativ-muslimischen Familie ausbrach, und mit den Wertevorstellungen in der Community, insbesondere an junge Mädchen und Frauen, abrechnete. Es ist selbsterklärend, wie empfindlich ein solches Buchprojekt für jemanden wie mich war, die eine sehr konfliktreiche Jugend in einem Favoritner Gemeindebau hatte und Tochter arabischer Einwanderer mit einer großen (erweiterten) Familie war. In den letzten Wochen voller Korrekturschleifen, in denen sich einzelne Buchkapitel allmählich zu einem geeinten Ganzen verbanden, war ich von vielen Zweifeln geplagt: Wie würden Fremde auf Abschnitte in diesem Buch reagieren, in denen ich offen über psychische Krisen schrieb, über sensible Themen wie Sexualität und Kontrolle erzählte, oder auch Einstellungen zu aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Diversität und der antirassistischen Bewegung teilte, die nicht zwingend „Mainstream“ waren? All diese Gedanken sorgten für schlaflose Nächte – einige Abschnitte aus dem Manuskript habe ich gänzlich umgeschrieben oder so stark geändert, sodass weniger „Angriffsfläche“ für Menschen bestand.

Hassnachrichten oder gar ein befürchteter Shitstorm, blieben, zu meiner großen Überraschung, jedoch aus. Oder zumindest machte sich niemand die Mühe, mich direkt mit einer negativen Reaktion zu kontaktieren. Nachdem meine „Blume ohne Wurzeln“ im Oktober 2023 erschien, war ich überwältigt von Nachrichten, die ich aus meinem persönlichen Umfeld, aber auch von Unbekannten erhielt. Menschen aus den verschiedensten Teilen von Österreich, unterschiedlichster Altersklassen, schrieben mir E-Mails, um ihren Zuspruch für meinen Mut zu teilen. Auf Instagram schrieben mir viele junge Mädchen und Frauen ihre Geschichten, und wie mein Buch ihnen geholfen hat, ihre eigenen (Gefühls-)Kämpfe besser zu verstehen. Eine besonders berührende Nachricht erhielt ich von einer jungen Araberin, die sogar im selben Gemeindebau wie ich aufgewachsen war und vor langer Zeit mit mir am Spielplatz herumtollte. Und sogar meine Deutschlehrerin aus der Unterstufe gratulierte mir über Facebook zur Bucherscheinung und teilte mir ihre Erinnerungen an mich als junge Schülerin mit.

Wie ich selbst in zehn, fünfzehn, oder zwanzig Jahren zu meinem Buch stehen werde, wird die Zeit noch zeigen. Eines habe ich aber jetzt schon verstanden: Es lohnt sich nicht aus Angst ein Projekt zu beenden oder Dinge erst gar nicht zu wagen. Hätten meine Zweifel die Oberhand gewonnen, hätte ich die „Blume ohne Wurzeln“ nie veröffentlicht. Dann hätte ich einen wichtigen Schritt in meiner Karriere gar nicht erst gemacht – und wahrscheinlich wären viele dieser „Dämonen“ aus meiner Vergangenheit niemals aufgearbeitet worden und jetzt noch in mir schlummern. Mit dem Buch konnte ich einen schwierigen Abschnitt meines Lebens endlich abschließen. Daher: Traut euch! Vielleicht hilft diese Erkenntnis jetzt jemandem weiter, der in einer emotionalen Zwickmühle steht. 

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