3 Minuten mit einem Oskar

30. September 2015

Ilker Catak hat den „Studenten-Oskar“ gewonnen. Der Deutschtürke über seinen Film, die Wahlen in der Türkei und wie man seinen Traumberuf auf dem Arbeitsamt findet.

Von Delna Antia

 

Ilker Catak, Studenten-Oskar, Sadakat
Paul A. Herbert / AP / Picturedesk.com
Herzlichen Glückwunsch, Ilker, du bist Oskar-Gewinner. Wie war die Oskarnacht in L.A.?

(lacht) Wenn du einmal in Berlin feiern warst, dann ist das Kindergarten. Du stehst da in Beverly Hills in einer Roof-Top-Bar und trinkst aus Plastikbechern Cocktails. Um 1 Uhr gehen alle nach Hause.

 

Du hast die Trophäe für deinen Kurzfilm „Sadakat“ („Loyalität“) erhalten. Er spielt in Istanbul, zur Zeit der Proteste im Gezi-Park. Bist du selbst dabei gewesen?

Nein, weil ich in Deutschland sein musste. Der Film ist daher auch ein Versuch, meinen Beitrag zu leisten. Was 2013 passiert ist, hat meine Familie und mich sehr bewegt. Es war so neu, dass Menschen in der Türkei auf die Straße gehen. Ich habe zum ersten Mal so etwas wie Nationalstolz gespürt und wollte mich filmisch solidarisieren.

 

Du hast bewusst einen türkischen Titel gewählt: Sadakat. Das heißt Treue. Alle Figuren in deinem Film, die junge Mutter, der politische Aktivist, der Ehemann und der Polizist, sie bleiben sich selbst treu.
Ja, es geht um Treue. Um Loyalität zum Staat, zur Familie, zu den eigenen Idealen und um Mut. Ich wollte bewusst eine komplexe Gesellschaft zeigen. Es wäre zu einfach gewesen einen Film über eine Frau zu machen, die gegen eine böse Regierung kämpft. Es ist viel spannender eine gewisse Ambivalenz zu erzählen – ohne erhobenen Zeigefinger. Wie es die westlichen Medien ja gerne tun. Ich habe hier oft das Gefühl, dass sich daran ergötzt wird, wenn in der Türkei etwas schief läuft.

 

Im Film kommt die Frage auf, in welcher Gesellschaft das eigene Kind aufwachsen soll.

Das ist ja eine Grundfrage der Philosophie: Wie wollen wir leben – sicher oder frei? Für mich ist das klar: Frei! Es gibt ein schönes Zitat von Perikles, das wollten wir eigentlich in den Vorspann geben: Das Geheimnis des Glücks ist Freiheit. Das Geheimnis von Freiheit ist Mut.

 

Was wünschst du dir für die türkische Gesellschaft?

Eine Diskussionskultur – dass die Leute miteinander sprechen, ohne miteinander zu streiten. Wenn Politiker ihren Hass zur Schau stellen, gehört das vielleicht dazu. Aber dass die Zensur mitten aus unserer Gesellschaft kommt, dass wir gegeneinander so hetzen, beunruhigt mich. – Ich sage bewusst „wir“, denn ich sehe mich auch als Teil der türkischen Gesellschaft.

 

Du kennst ja beide Welten. Ist das in Deutschland anders?

Ja, kein Vergleich. Hier kannst du alles sagen, ohne Furcht haben zu müssen, dass dir etwas geschieht. Mir gefällt in Deutschland, dass die Hierarchien in der Gesellschaft flacher sind. Hier fahren Politiker sogar mit dem Fahrrad zur Arbeit.

 

Hast du eigentlich beide Pässe?

Ja, die habe ich. Irgendwann möchte ich auch in der Türkei leben, aber im Moment geht es mir in Deutschland besser. Da habe ich mehr Seelenfrieden.

 

Wie siehst du die türkischen Wahlen im November?

Ich bin kein Erdogan-Fan. Ich weiß, dass diese Neuwahlen ein mieses Kalkül sind. Die prokurdische HDP hat es ins Parlament geschafft. Doch urplötzlich wurden Militärangriffe auf die PKK gestartet, obwohl seit 10 Jahren Waffenstillstand herrschte. Die Kurden sollen als die Bösen dargestellt werden, um bei der Neuwahl zu vermeiden, dass sie die 10% Hürde nehmen. Wenn die Kurden schon nicht demokratisch für ihre Sache kämpfen dürfen, wie dann?

 

Zurück zum Film. Wolltest du immer schon Regisseur werden?

Nee, gar nicht. Nach dem Abi habe ich BWL studiert, aber nach einem Jahr habe ich es hingeschmissen. Das war nicht meine Welt. Dann saß ich beim Arbeitsamt, um mich beraten zu lassen. Der Kerl dort fragt mich, was meine Hobbys wären. Ich antworte, dass ich gerne ins Kino gehe. Dann hat er in seinem Computer nachgeschaut und mir meinen ersten Job als „Runner“ verschafft – ich hab Straßen blockiert, Kabel getragen und Kaffee gekocht. Das war meine Welt!

 

Dein nächster Spielfilm ist eine insgeheime Liebeserklärung an Hamburg. Wann kommt Wien dran?

(lacht) Ich war noch nie in Wien. Aber mein Drehbuchautor ist Wiener, Georg Lippert. Ich mag den schlitzohrigen Humor. Und ich bin offen für Angebote.

 

Wer ist er:

Name: Ilker Catak

Alter: 31

Geburtsort: Berlin

Heimatgefühl: Berlin, Istanbul, Hamburg, Köln

Besonderes: Alle Filmhochschulen haben ihn zunächst abgelehnt.

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