Letztens ging ich aus, um ein wenig meinen Sorgen zu entfliehen, und landete im Sass. Als ich um 3 beschloss, den Heimweg anzutreten, setzte ich mich in das nächstbeste Taxi. Ihr kennt das, man hat das ein oder andere Gläschen zu viel gehabt und fängt an, mit dem Taxifahrer über Gott und die Welt zu reden.

Von Leonie-Rachel Soyel

Mein Taxifahrer, Herr S., erzählte mir seine Lebensgeschichte. Er kam aus Afghanistan vor 15 Jahren und wartet seitdem in Österreich auf seine Staatsbürgerschaft. Ich muss sagen, dass es mir zum einen schwerfiel in dem Moment die richtigen Worte zu finden, denn er brach vor mir zusammen und seine Wünsche, Ängste sprudelten nur so aus ihm heraus. Er erzählte mir von seinen sechs Kindern, seinem Bestreben, ihnen ein gutes Leben bieten zu können und sie glücklich zu machen, wobei er selbst unglücklich bleiben wird.

Denn sein größter Wunsch ist es, seine Mutter nach Österreich zu holen. Der Gedanke daran, meine Mutter zurücklassen zu müssen, sie 15 Jahre lang nicht sehen zu können, mir in einem fremden Land ein Leben aufzubauen, hat mich wirklich tief getroffen. Ich verstand, dass er, solange sie nicht bei ihm lebt, nicht das Gefühl von Ankommen hat.

Denn er wird - bis sein Wunsch erfüllt wird oder seine Mutter stirbt - immer nur mit dem einen Ziel hier leben. Solange sie nicht bei ihm ist, wird er immer diese Sorgen in sich tragen und ich denke, dass ihn dies definitiv daran hindert, anzukommen für sich. Nachdem ich zwei Stunden versucht habe, ihn zu trösten, stieg ich mit einem beklemmenden Gefühl aus und ging heim.

An Schlafen war danach nicht mehr zu denken, in mir schwirrten zu viele Gedanken. Was bedeutet es, anzukommen? Wann kommt man an? Wenn man die Sprache kann? Einen Job hat? Einen Alltag? Würde es ihm besser gehen, wenn seine Mutter in Österreich wäre?