„Die anderen Schwabos hat er gegrüßt, beim Araber jedoch die Augen verdreht.“

Demonstrationen, Protest, PolizeigewaltIn jungen Jahren wird uns beigebracht uns bei Sorgen und Angst an die Polizei zu wenden. Nicht umsonst wird sie als Freund und Helfer, Gesetzeshüter und rechtsschaffende Macht im Staat bezeichnet. Doch schaut man sich die jüngsten Ereignisse an, so zeichnet sich weltweit ein ganz anderes Bild ab.

Auf Social-Media finden sich täglich Postings, welche polizeilichen Machtmissbrauch darstellen. Aggressive Ausschreitungen gegenüber Migranten, POC[1] und Demonstranten sind nichts neues mehr. Eine wirkliche Anlaufstelle für solche Vorfälle gibt es nicht und oftmals werden Beschwerden und Anzeigen gegenüber Polizisten nicht behandelt oder mit milder Härte bestraft.

Um einen besseren Einblick in die Exekutive Wiens zu bekommen, habe ich mich mit Adrian (Name geändert) zusammengesetzt. Er hat im vergangenen Jahr seinen Zivildienst bei der Polizei gemacht und sich dazu bereit erklärt uns ein wenig von seinen Erfahrungen zu erzählen.

Während der neuen Monate hat er als Schülerlotse und in der Kanzlei gearbeitet. „Einfache Büroarbeit eben.“ Zu meinem Erstaunen hat Adrian ganz von selbst angefangen zu erzählen. Das Kollegium sei sehr divers gewesen; Serben, Araber, Türken, Schwarze sowie Österreicher. Doch gleich vom ersten Tag an hat er mitbekommen, wie rassistisch und diskriminierend manch Kollege war.

Machtkomplexe sowohl im Dienst, als auch im Büro
Obwohl die Gewerkschaft bei der Polizei schwarz mit einer starken roten Fraktion ist, ist die Verbindung zu rechten Parteien hie und da zu erkennen. Die diskriminierenden Aussagen kamen aber nicht unbedingt von Österreichern, wiederholt lästerten Serben über Araber und Türken über Polen. Ausländerfeindlichkeit unter Ausländern. „Oft haben sie nur Geschichten erzählt, wo Ausländer oder psychisch kranke Personen erwähnt werden.“ Von Unvoreingenommenheit keine Spur.

Der Rassismus blieb jedoch nicht hinter verschlossenen Türen. Auch auf Streife hat Adrian das ein oder andere Mal racial-profiling[2] erlebt. Bei einer Rundfahrt durch den Gemeindebezirk habe man den Österreicher, der mit 60 km/h in einer 30-Zone unterwegs war, nicht angehalten, den Türken, der zu laut Musik abgespielt hat, jedoch schon. Wie der Einsatz ausgegangen ist, konnte er mir nicht erzählen. „Ich musste mit dem anderen Kollegen weiterfahren.“ Weiters erzählt er von rassistischem „Locker-Room-Talk[3]“. In den Pausen lästere man über seine ausländischen Kollegen und hier und da fällt auch einmal eine Aussage à la H.C. Strache.

Auch wenn Polizeigewalt in Österreich nicht so präsent ist, wie beispielsweise in Amerika, darf man das Thema nicht unter den Tisch kehren. Doch wie kommt es dazu, dass die Polizei so oft die Grenzen überschreitet und mehrfach Menschenrechte verletzt? Für Adrian ist die Antwort klar: „Polizisten haben unglaubliche Machtkomplexe, die Waffe gibt ihnen ein Gefühl der Überlegenheit. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Polizisten immer unter Druck stehen und versuchen sich selbst zu schützen. Immer ist man das Hassobjekt in der Gesellschaft; ‚Der böse Polizist‘.“ Doch dieser Machtkomplex geht weit über die Uniformierten hinaus und lässt sich auch bei der einfachen Sekretärin beobachten. Verlässt eine Person, welche gebrochenes Deutsch spricht, die Station vergeht keine Minute bevor das Geläster und Geschimpfe anfängt.

Doch nicht so schlimm wie gedacht?
Mir war es wichtig, das Thema mit einem sich im Dienst befindlichen Polizisten zu bereden. Nach langer Suche hat sich Herr Wolf (Name geändert) dazu bereit erklärt mir meine Fragen zu beantworten. Herr Wolf ist seit Anfang der 90 Jahre als Polizist und seit einigen Jahren auch in der Polizeigewerkschaft tätig. Er erzählte mir von seiner Ausbildung und auch von den Anti-Rassismus-Seminaren, welche ein verpflichtender Teil der Berufsausbildung sind. In diesen setzen sich die angehenden Gesetzeshüter mit ihren eigenen Vorurteilen auseinander und versuchen diese zu bekämpfen. Auf meine Frage, warum es dann immer noch zu Polizeigewalt und Rassismus innerhalb der Exekutive kommt, antwortet er mir folgendermaßen: „Überall gibt es schwarze Schafe, das will ich auch gar nicht leugnen. Jedoch lasse ich mich und meine Kollegen sicher nicht als Rassisten abstempeln. Jene Videos, welche Polizeigewalt darstellen sind oftmals aus dem Kontext geschnitten und kommen außerdem nur vereinzelt vor.“ Er bestätigt die Aussage von Adrian, dass Polizisten im Dienst unter Druck stehen und immer wieder als Hassobjekt in der Gesellschaft dar stehen. Dies könnte dazu führen, dass manch „schwarzes Schaf“ die Kontrolle verliert und zu Gewalt greift. „Während Einsätzen werden wir bespuckt, beschimpft und angeschrien. Ich glaube jede andere Person hätte da schon lange die Beherrschung verloren.“

Auf seiner Polizeistation ginge es angeblich friedlich zu, kein Rassismus, kein Geläster. „Ich muss mich auf meine Kollegen und Kolleginnen verlassen können. Da spielt Hautfarbe und Herkunft keine Rolle.“ Vieles was Herr Wolf im Interview gesagt hat, steht im Kontrast zu Adrians Aussagen. Fast schon ein wenig zu schön, um wahr zu sein. In einem Punkt sind sich beide jedoch einig; Rassismus hat bei der Polizei nichts verloren. Um Herrn Wolf nochmals zu zitieren: „Wenn ein Kollege sich gesetzeswidrig verhält und gewalttätig wird, wo es nicht notwendig ist, gehört das mit voller Härte bestraft. Gesetz ist Gesetz.“

Die Polizei ist eine wichtige Säule in unserem Staat. Die Beamten sorgen dafür, dass Gesetze eingehalten werden und die Straßen sicher bleiben. Problematisch wird es, wenn die Polizei selbst die Gesetze missachtet und Menschenrechte verletzt. „Polizisten sind Menschen, und Menschen machen Fehler. Jedoch gibt es Berufe, da dürfen keine Fehler passieren. Wenn ein Arzt schlechte Arbeit leistet und sein Patient stirbt, wird ihm die Lizenz entzogen, der Polizist zahlt nur eine Geldstrafe, falls überhaupt.“

 

[1] People of color. Ethnische Minderheiten, welche sich durch ihre Hautfarbe von der weißen Menge abheben.

[2] Wenn eine Person aufgrund ihrer Hautfarbe bzw. ihrer Herkunft kontrolliert wird, ohne tatsächlichen Grund dafür zu geben.

[3] Gespräche unter Männern, welche meist sexistischer oder rassistischer Natur sind.

Melisa ist 18 und Maturantin der Vienna Business School. Im Herbst beginnt sie ihr Studium an der WU Wien. 

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