Meine erste große Liebe

Meine erste, große Liebe. Eine Zartbitterschokolade.

Emeli Sandes neues Album läuft im Hintergrund. Ihre Stimme ist sanft und Ihre Stimme berührt mich. Und zeitgleich höre ich seine Stimme. Seine Stimme ist sanft und seine Hände berühren mich. Ich bin verliebt in einen Kranken.

Das erste Lied aus dem Album

Wenn ich mich zurück in die Zeit mit meinem ersten Freund versetze, dann finde ich mich in meiner alten Schule wieder. Ich sehe sein Gesicht klar vor mir. Ich sehe wie er sich in unserer großen Halle im Kreis dreht. Er kennt den Weg nicht, weiß nicht wohin. Ein Neuankömmling? Ich beobachte seine kleinen Tanzschritte, links, rechts, links, rechts, dann eine 360° Drehung bis er abrupt stehen bleibt und in mein Gesicht blickt. Mein Herz springt und rutscht mir in die Hose. Ich bin 13 Jahre alt und die Wirbelstürme in meinem Bauch sehe ich als physische Schmerzen, ausgelöst durch mein junges, naives Gehirn. Eine himmlische Sphäre umgibt mich und ich lande sanft und weich auf Wolke sieben.

Das zweite und dritte Lied

Wie lang das ging? Wie aus Verliebtheit bedingungslose Liebe wurde?

Wenn ich über die Zeit nachdenke, dann berühren meine Mundwinkel fast meine Augen, mein Lächeln breitet sich über mein ganzes Gesicht aus, gefolgt von einem bitteren Nachgeschmack. Ich liebe ihn, aber ich hasse ihn. Ich liebe ihn für das, was er mir schenkte und ich hasse ihn für das, was er mir wegnahm.

Drei Jahre lang besuchten wir dieselbe Schule. Drei Jahre lang kreisten meine Gedanken um eine einzige Person. Als ich ihn kennenlernte, lernte ich Verliebtheit kennen. Ich fing an meine Gedanken aufzuschreiben, aber was half es mir meine Stimme in Tinte auf ein Blatt Papier zu ersticken? Meine pubertierenden Gefühle zu beichten war keine Option. Drei Jahre vergingen und der Junge, dem ich meine Gedanken gewidmet hatte, hatte nichts anderes übrig, als sich mit meiner Freundin zu vergnügen. Ihre Beziehung hielt nicht länger als einen Sommer und einen Herbst. Mit der Farbe der Blätter, verfärbte sich auch mein Herz. Aus Liebe wurde Schmerz und dass die zwei Hand in Hand gingen, war mir spätestens dann bewusst. Ich verzieh ihr und ich verzieh ihm. Unsere Wege hatten sich getrennt. Er verließ die Schule, meine Freundin nannte ich nur noch „die, die mit ihm zusammen war“ und ich, ich lernte neue Menschen kennen. Ich war süchtig und ich dachte, ich wäre es nicht mehr. Ich wusste nicht, dass das der Anfang unserer Geschichte war. Plötzlich fingen wir an uns wieder regelmäßig zu treffen. Die Gefühle, von denen ich dachte, sie ausgelöscht zu haben, waren nichts, als ein Funken. Ein Funken genug um ein neues, größeres, stärkeres Feuer zu entfachen. Ich befand mich in einer Art Trance. Alles wiederholte sich. Ich erblickte ihn, mein Herz machte einen noch größeren Sprung und ich war wieder verliebt und so verbrachten wir gemeinsam einen Sommer, Herbst und Winter. Als die Kälte anfing sich über Wien auszubreiten, passierte dasselbe mit ihm. Sie hatte sich in seinem Herzen ausgebreitet und meinen Platz weggenommen. Mehrmals versuchte ich hoffnungslos durchzudringen, mit allem was ich hatte, meiner Liebe und Zuneigung.

Das letzte Lied aus dem Album

Ich spürte seine sich anschleichende Krankheit am eigenen Körper, bevor ich es offiziell von seiner Familie bekam. Seine Gedanken waren vernebelt und hatten ihn in Besitz genommen. Er war nicht mehr, der er am Anfang unserer Begegnung war. Seine Krankheit war nun ein Teil von ihm, aber ich war es doch auch? Mit meinen 15 Jahren dachte ich, es sei nichts. Immer wieder redete ich mir dieselben Sätze ein. In der Früh, wenn ich den Fuß aus dem Bett setze, am Vormittag, wenn im Klassenzimmer saß, am Nachmittag, wenn ich mit Freunden war und am Abend, wenn ich wieder einschlafen wollte. Immer wieder sagte ich mir, es ist nichts. Ich wollte vor diesen schrecklichen Gedanken fliehen. Sie flößten mir Angst ein. Wie kann ich einen manisch Depressiven lieben? Das Ende unserer Beziehung ist einer Achterbahnfahrt gleichzusetzen. Meine Stimmung überschlug sich immer wieder, wie eine Wasserwelle. Meine Fehlversuche, mich aus seinen Zwängen zu befreien, demotivierten mich, bis ich selbst in tiefe Depressionen fiel.

Ein neues Album

Der Winter ging vorüber und langsam fing die gute Stimmung wie ein Schmetterling über die Dächer Wiens zu flattern. Ich erholte mich nach vier Sommerferien vom Gefühlschaos und meinen Ängsten. Die Erfahrung, die ich mit ihm geteilt habe, prägt mich. Sie ist etwas Sonderbares und einmaliges.

Wenn mich Menschen nach meiner ersten großen Liebe fragen, weiß ich ganz genau, wo ich mit meiner Geschichte ansetze. Einen Schluss gibt es noch nicht. Ich blicke mit einem Lächeln zurück und mit einem noch größeren in die Zukunft.

Penelope ist 19 Jahre alt.

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