Von einer jungen Nicht-so-ganz-Feministin

Mein zehnjähriges-Ich steht vor dem Spiegel und mustert sich kritisch. Was stört mich? Das rosa Kleidchen, dass Mama mir angezogen hat. Diese spezielle Art von rosa Alptraum habe ich an einigen Mädchen aus der Volksschule gesehen. Genau diese Mädchen wurden schon öfters von den Jungs ausgelacht als sie fangen spielen wollten. Nein, wer sowas trägt ist nicht taff genug um mit den Jungs fangen zu spielen. Ob man das Kleidungsstück jetzt schön findet oder nicht, macht da eigentlich auch keinen Unterschied. Das Ziel ist es zu vermeiden wie die anderen Mädchen zu sein, oder?

Feministin oder nicht?
Feministin oder nicht?

Tja, mein junges Ich war zumindest lange fest davon überzeugt. Schon als kleines Mädchen, bin ich drauf gekommen, dass Mädels und Jungs nicht immer gleich behandelt werden.
Von meinem großen Bruder und mir zum Beispiel wurde nicht dasselbe erwartet. Er las Bücher mit Ritter, ich mit Prinzessinnen. Ihm wurden im Sommer kurze Hosen angezogen, mir und meinen Schwestern Kleider. Voll unfair oder? Ich wollte auch mit Plastik-Schwertern kämpfen oder mich als Ritter verkleiden.

Und theoretisch gesehen, hätte ich all das auch machen können. Hätte ich meine Eltern wirklich darum gebeten, hätten sie mir sicher alles ermöglicht was meinem Bruder auch ermöglicht wurde. Ein Verbot als Mädchen etwas zu machen gab es ja nicht. Es handelt sich hier um die Annahmen und Erwartungen mit denen wir den ganzen Tag konfrontiert werden. Die unausgesprochenen gesellschaftlichen Regeln sind das, und wenn man fragt woher sie kommen oder ob sie begründet sind, dann kommt meistens die Antwort “Das war halt schon immer so.” (ein Satz der mich auch heutzutage noch verfolgt). Letztendlich zeugen solche Vorurteile und Bräuche auch von Diskriminierung. Diese Art von Sexismus ist einfach subtiler und fest in der Gesellschaft verwurzelt.

Mit elf bin ich dann das erste Mal über das Wort „Sexismus“ gestolpert und wusste es ist mein lebenslanger Feind. Ich konnte dem Gräuel endlich einen Namen geben. Und somit habe ich als pflichtbewusste 11-Jährige geschworen gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt (oder zumindest meines Klassenzimmers) anzukämpfen.

Mädchen sind schwach? Dann musste ich halt beweisen, dass ich noch viel stärker bin als alle Jungs bin. Mädchen mögen kein Fußball? Dann wurde Fußball eben mein neuer Lieblingssport. Mädchen mögen rosa? Tja dann hasste ich ab sofort alles was rosa ist. Meine Mission war es allen zu beweisen das Mädchen auch anders können. Und nach jahrelangem darauf hinarbeiten hatte ich mir folgendes paradoxes Verhalten zugelegt: Ich habe einen Hass, eine gewisse Wut gegen Jungs in meinem Alter entwickelt, da ich einerseits von Erwachsenen anders als sie behandelt wurde und andererseits von ihnen selbst immer unterschätzt wurde.

Doch gleichzeitig habe ich immer alles getan um zu ihnen dazuzugehören. Ich habe gekämpft um „anders“ als die anderen Mädchen zu sein und somit gleichgesetzt mit den Jungs.
Dass das Kontraproduktiv ist und eigentlich gar nichts beweist, das hätte ich mir damals nie vorstellen können.
Mit meinem „Anti-Mädchen“ verhalten habe ich dem Sexismus in die Hände gespielt. Statt Solidarität mit anderen Mädchen zu zeigen, habe ich sie schlecht geredet. Statt dafür zu kämpfen, dass alle die Wahl haben, habe ich sie mir selbst einfach weggenommen.

 

Jetzt nochmal für alle großen und kleinen Mädchen und Jungs: Euer Glauben an Gleichberechtigung hängt nicht von euren Vorlieben oder Gewohnheiten ab. Mädchen UND Jungs können Kleider und Hosen tragen, Rosa und Blau lieben und sowohl Ballett Tanzen als auch Fußballspielen.

Fanny ist 16 Jahre alt und besucht das Lycée français de Vienne in Wien.

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