Der goldene Lokus

03. Juni 2015

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Erdogan, Türkei, Klobrille
SEDAT SUNA / EPA / picturedesk.com

Wenige Tage vor der Parlamentswahl am 7. Juni gibt es im türkischen Wahlkampf einen neuen Eklat. Es geht um Toiletten.

Der türkischen Staatspräsident, Recep Tayyip Erdoğan, verklagt den Führer der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, auf 100 000 Lira (34.223,14 Euro). Der Hintergrund: Kılıçdaroğlu hatte auf einer Wahlveranstaltung am Samstag behauptet, der Präsident hätte goldene Toiletten in seinem Palast einbauen lassen. Erdoğan reagierte darauf zuerst mit einer Einladung: Er lud Kılıçdaroğlu ein, den Palast zu besuchen und ihn nach goldenen Toiletten zu durchforsten. Sollte Kılıçdaroğlu auch nur eine der besagten Latrinen finden, werde er, Erdoğan, als Präsident zurücktreten. Ohne Lokus-Fund müsse aber hingegen Kılıçdaroğlu zurücktreten. Es blieb allerdings nicht bei Erdogans Rücktrittsankündigungen/-forderungen. Gestern reichten seine Anwälte Klage ein. Kılıçdaroğlu hätte mit seinen Anschuldigungen die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten.

Schmutziger Wahlkampf

Die türkische Politiklandschaft ist bekannt für ihre Streitkultur. Beschuldigen und beschimpfen gehört zum Geschäft und wird bei öffentlichen Auftritten nahezu parteiübergreifend betrieben. Der neue „Lokus“-Skandal ist dabei nur ein weiteres Kapitel. Und ein weiterer Tiefpunkt. Das kurz vor der Wahl am Wochenende auf einmal goldene Toiletten zum Streitthema werden ist an Absurdität eigentlich kaum zu überbieten. Das Land hat genügend andere Probleme, angefangen vom erlahmenden Wirtschaftswachstum, der noch immer weit verbreiteter Armut, dem schleppenden Friedensprozess mit der PKK im Osten des Landes, bis zu den Kriegen in den Nachbarländern Syrien und Irak und den damit verbundenen Flüchtlingsströmen. Die Liste könnte man lange weiter führen.  

Die Wahl am Wochenende ist für die Türkei entscheidend. Das ist allen Parteien bewusst und deswegen wird auf nichts Rücksicht genommen. Die Gräben sitzen dabei tief, nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich. Egal wie die Wahl ausgeht, man kann nur hoffen, dass sie nicht tiefer werden und zu gesellschaftlichen Spannungen führen, die zum Teil sowieso schon existieren. Und das endlich die wahren Probleme des Landes angegangen werden und nicht irgendwelche goldenen Nachttöpfe.

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