Die Leiden einer Jobsuchenden

15. Dezember 2015

Die Apokalypse naht. Mein befristetes Dienstverhältnis endet mit 31. Dezember und ich weiß noch nicht, wie es weiter geht. Ein Zustand, der einerseits von der Leistungsgesellschaft, in der wir leben, und andererseits von mir, aufgewachsen in einem sehr arbeitsorientierten Umfeld, nur schwer akzeptiert werden kann.

Daher habe ich bereits im August angefangen, ein paar Bewerbungen zu schreiben. Im September schrieb ich ein paar mehr. Im Oktober habe ich intensiv nach Angeboten gesucht und viele Bewerbungen verschickt. In den letzten Wochen habe ich die Suche noch mal intensiviert und mich auch auf Stellen beworben, die ich eigentlich gar nicht bekommen will.

„Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen…“

Das sind bis jetzt gefühlte 327 und 45 tatsächlich verschickte Bewerbungen. Davon wurde ich einmal zu einem Recruiting-Abend und einmal zu einem Telefoninterview eingeladen. Und sonst: Absagen. Selbstbewusstseinsraubende, Brechreiz verursachende, standardisierte Absageschreiben.

Ich kann sie nicht mehr lesen. Ich habe ein Master-Studium abgeschlossen, zusätzlich zu diversen Praktika immerhin mehr als zwei Jahre Berufserfahrung im In- und Ausland und bin auch nicht gerade ein Christkindl was soziale Kompetenzen betrifft. Und trotzdem hat man das Gefühl, als wäre die ausgeschriebene Stelle als „Junior ProjektmanagerIn“ in Wahrheit die Stelle des Bundespräsidenten.

Immer gibt es jemanden, der noch bessere Qualifikationen hat, der den Anforderungen besser entspricht oder schlicht mehr „Vitamin B“ hat.

Aber was noch schlimmer ist als diese Absageschreiben, von denen sich jedes einzelne wie ein Schlag in die Magengrube anfühlt, vor allem, wenn man sich beim Durchlesen der Stellenanforderungen gedacht hat: „Ja! Ja! Das bin ich!“, sind die Menschen, die mich fragen, ob ich denn schon „etwas habe“ für die Zeit nach dem 31.12.2015.

„Du wirst schon etwas finden!“

Ich habe gemerkt, dass einige Menschen ein Problem haben, mit der einfachen Antwort „Ich weiß es noch nicht“ oder „Ich habe noch keine Ahnung“ umzugehen. Meist kommt dann die Frage: „Ach, du nimmst dir also eine Auszeit?“ oder „Gehst du also auf Reisen?“. Nein, ich habe einfach keine Ahnung. Nur schwer können sie sich die Enttäuschung oder das Mitleid verkneifen. Was folgt, sind Floskeln wie „Du wirst schon etwas finden“, oder der Klassiker: „Das wird schon werden“. Das kommt vom Gefühl her irgendwie dem Standard-Absageschreiben gleich.

Aber warum ist es so schwer vorstellbar und vor allem offenbar auch ein Zeichen persönlicher Schwäche oder Unfähigkeit, nicht zu wissen, wie es weiter geht? Ich ertappe mich hin und wieder dabei, dass ich mich selbst so verunsichert fühle, dass ich zu flunkern beginne.

Ich sage dann coole Sachen wie „Ja, ich habe ein paar Angebote, aber ich muss noch abwägen und entscheiden“, oder „Ach, ich sehe das ganz locker. Ich werde jetzt dann mal langsam mit der Jobsuche beginnen, aber eigentlich ist mir eine kurze Auszeit eh lieber“. Von diesen Aussagen hätte ich gerne, dass sie stimmen. Aber das tun sie nicht.

Wie es sich für eine Vertreterin der Generation Y gehört, bin ich natürlich auf der Suche nach Selbstverwirklichung, nach einem Job mit „Sinn“, und nach einer guten Work-Life-Balance.

Dass diese Jobs einem nicht nachgeschmissen werden, ist gemeinhin bekannt. Ebenso, dass man mit einem Abschluss einer tertiären Ausbildung nicht unbedingt sein Dasein als KellnerIn oder TaxifahrerIn fristen möchte.

Ja, der Stellenmarkt ist momentan ein hartes Pflaster, und nein, ich habe noch keine Angebote von Headhuntern vorliegen. Ja, ich werde vermutlich ab Jänner arbeitslos sein. Ganz unfreiwillig, ohne die Absicht, mir eine „Auszeit“ zu nehmen. Ich finde es auch suboptimal, aber die Welt wird sich höchstwahrscheinlich trotzdem weiterdrehen.

Bye bye, Leistungsgesellschaft

An die Vertreter der Leistungsgesellschaft habe ich daher folgende Botschaft: Ich werde dann im Jänner ganz gechillt an euch vorbeispazieren, während ihr von einem Termin zum nächsten hetzt. Während ihr euch den fünften Kaffee zubereitet, werde ich mir einen Spritzwein genehmigen. Auch wenn es erst 10 Uhr vormittags ist. Ich werde in die 15-Uhr-Vorstellung des neuesten Indie-Films gehen, wenn ihr gerade im dritten nutzlosen Meeting dieses Tages sitzt. Und ich werde euch zeigen, dass das Leben ganz angenehm sein kann, auch wenn man gerade nichts leistet.

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