Die Schlappe der AKP: Eine Analyse

09. Juni 2015

Die „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“ (AKP) hat bei den Parlamentswahlen in der Türkei am 7. Juni ihre Regierungsmehrheit verloren. Sie muss sich nun einen Koalitionspartner suchen, zum ersten Mal seit ihrem Regierungsantritt im Jahr 2002. Was hat dazu geführt, dass die einst mächtige Volkspartei, trotz intensiven Wahlkampfs, im Vergleich zur letzten Wahl 2011 so viele Stimmen abgeben musste?

  • Lahmende Wirtschaft: Stetiges Wirtschaftswachstum sowie Investitionen in die Infrastruktur und den Sozialbereich waren die Haupt-Legitimationspunkte der AKP-Regierung. Doch in den letzten zehn Jahren stagnierte die Wirtschaft, der Lira-Kurs wurde instabil, Investoren zaghaft. Auch sind viele Stammwähler der AKP von den wirtschaftlichen Versprechungen desillusioniert. Viele der Wähler kommen aus der Unterschicht und haben immer noch massive Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Und von den großen Bauprojekten der Regierung haben sie oft keinen Nutzen. Dies zeigt sich beispielsweise beim geplanten dritten Istanbuler Flughafen: Für wen macht ein Flughafen Sinn, wenn man nicht genug Geld hat, sich ein Flugticket zu kaufen?

  • Elitäre Züge: Ein weiteren Grund sehen Analysten darin, dass die AKP elitärer geworden ist. Die langen Jahre an der Macht haben sie von ihrer Basis entfernt, einige konservative Wähler aus der Unterschicht sahen sich somit nicht mehr durch die Partei repräsentiert.  

  • Der Friedensprozess in den Kurdenregionen: Der von der AKP initiierte Friedensprozess mit der PKK im Osten des Landes wird im Land sehr kontrovers gehandelt. Nationalistische Wähler lehnen diesen Prozess zusammen mit jedweden Zugeständnissen an Minderheiten komplett ab. Einige dieser Wähler dürften bei der Wahl zur rechtsgerichteten „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) abgewandert sein.
    Aber auch auf kurdischer Seite dürfte die AKP einige Wähler verloren haben. Vor allem unter konservativen Kurden hatte die AKP bisher große Unterstützung. Doch der zweischneidige Umgang mit dem Islamischen Staat und der anfänglichen Weigerung die Versorgungswege für kurdische Kämpfer im syrischen Kobanê zu öffnen, hat viele Kurden gegen die AKP aufgebracht. Die pro-kurdische „Demokratische Partei der Völker“ (HDP) konnte hiervon profitieren.

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ULAS YUNUS TOSUN / EPA / picturedesk.com
  • Der Aufstieg der HDP: Diese Partei wurde zum Zünglein an der Waage. Durch ihr Überschreiten der hohen zehn Prozent Hürde mit 13 % bekam sie auf den Schlag 80 der 550 Sitze im türkischen Parlament und verschob so massiv das dortige Gewichtsverhältnis zu Ungunsten der AKP. Dabei profitierte die HDP nicht nur von kurdischen Wählern: Auch liberal und links eingestellte Türken, welche die konservativ-autoritäre Politik der AKP ein Dorn im Auge war, unterstützten die HDP. Diese Wähler hätten bei früheren Wahlen eher die links-kemalistisch ausgerichtete „Republikanische Volkspartei“ (CHP) gewählt, welche aber bei vielen mittlerweile als altmodisch und reformierbedürftig gilt.

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