Eine Faust für den politischen Islam?

08. Februar 2022

Eine in die Höhe gestreckte Faust als Zeichen des politischen Islams? Die ÖVP-Wien reitet einen Angriff auf die „Muslim Contemporary Ausstellung“, die von 8-12.11.2021 in Wien stattfand. Die Kunstszene reagiert mit einem Offenen Brief. 


Was ist passiert? Die designierte ÖVP-Generalsekretärin und Wiener Landtagsabgeordnete Laura Sachslehner wandte sich im Dezember 2021 zusammen mit ihrer Kollegin Karolina Hungerländer mit einer schriftlichen Anfrage an die Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) und Vize-Bürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS).

Darin orten die beiden ÖVP-Politikerinnen bei der „Muslim Contemporary Ausstellung“ ein „Naheverhältnis zum politischen Islam“, namentlich wird unter anderem die Jugendorganisation „MJÖ“ (Muslimische Jugend Österreich) genannt und damit die Förderwürdigkeit des Projekts in Frage gestellt. 

Außerdem würde sich neben dem „radikalislamischen Element“ der Ausstellung auch „linksextreme Gesinnung“ dazumischen, weil auf einem über Instagram geteiltem Foto mehrere Frauen, darunter SPÖ-Gemeinderätin Mireille Ngosso und Grüne Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi ihre Faust in die Höhe strecken. Dabei ging es laut El-Nagashi um das antirassistische „Black-Voices“-Volksbegehren. Tatsächlich ist die Faust ein Zeichen der „Black Lives Matter“-Bewegung, die seit dem Mord an George Floyd 2020 von Amerika nach Europa rüberschwappte.

Nun haben sich die Initiatorinnen der Ausstellung in Form eines offenen Briefes an die Öffentlichkeit gewandt. „Die ÖVP-Vorwürfe zeugen von Unwissenheit und sind so wild zusammengewürfelt, dass der Eindruck entsteht, die ÖVP konstruiere Vorwürfe, um anti-rassistische, feministische, kritische Stimmen zu diskreditieren und einzuschüchtern.“, heißt es unter anderem in dem von über 50 Kunstschaffenden und Kulturinstitutionen unterschriebenen Brief. Das Schreiben schließt mit einer Frage an Sachslehner u Co: „Unsere Frage an die ÖVP lautet daher: Nutzt die ÖVP die neu eingesetzte „Dokumentationsstelle politischer Islam“ um zivilgesellschaftliche Akteur:innen, die ÖVP-Politik kritisieren, einzuschüchtern, um anti-muslimische Rassismen in der Gesellschaft zu verstärken, und um Künstler:innen die Förderwürdigkeit abzusprechen sowie Bürger:innen zu diskreditieren?“ In die gleiche Kerbe schlägt der Vorsitzende der Muslimischen Jugend (MJÖ) Adis Šerifović: "Wir wissen, dass `fremdenfeindliche Knaller`von der ÖVP bewusst geschaffen werden. Der soziale Frieden in unserem Land wird damit bewusst gefährdet, Menschen und Existenzen bedroht." Vize-Bürgermeister Wiederkehr dazu: "Die muslimische Jugend Österreich ist ein wichtiger Teil der Bundesjugendvertretung. Das Projekt wurde von der Stadt Wien Abteilung für Bildung und Jugend finanziell unterstützt, weil es einen multidisziplinären Ansatz verfolgt, der die Teilhabe der muslimischen Community in der österr. Gesellschaft durch Bildung, Kunst und Dialog reflektiert. Hier einen Zusammenhang zwischen den Veranstalter*innen und dem politischen Islam zu konstruieren, ist absolut nicht nachvollziehbar und entbehrt jeder Sachlichkeit."

Die Antwort aus dem ÖVP-Büro ließ nicht lange auf sich warten. Es sei "demokratiepolitisches Recht einer Oppositionspartei“, Anfragen zu stellen. Der konstruierte Angriff auf die Kunstfreiheit sei „völlig absurd.“ In der Aussendung wird auf das Foto mit der gestreckten Faust nicht mehr Bezug genommen. 

 

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