Gastbeitrag von Dudu Kücükgöl zur Wien-Wahl

12. Oktober 2015

"Ist es noch einmal gut gegangen?", fragt sich Dudu Kücükgöl von der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ) und analysiert in ihrem Gastbeitrag das Ergebnis der Wien-Wahl.

Ist es gestern noch einmal gut gegangen?

Ein spannender Wahltag war es gestern für uns WienerInnen. Die Wahlbeteiligung lag bei ca. 74% und damit relativ hoch. In den letzten Tagen vor der Wahl war die Frage: „Hey, weißt du schon, wie du wählen wirst?“ die Frage, die ich am meisten gehört habe.

Seit Wochen haben Prognosen der FPÖ ein Wahlergebnis deutlich über 30 Prozent vorausgesagt. Die FPÖ war guter Hoffnung eventuell sogar stärkste Kraft in Wien werden zu können. Nachdem uns das beauftragte SORA-Institut im ORF sehr überzeugend seine Berechnungsmethoden beschrieben hatte, wurde um 17 Uhr eine Wahlprognose abgegeben. Das Ergebnis der FPÖ war für die meisten WienerInnen am interessantesten: Die FPÖ lag darin bei 33-36 Prozent, die SPÖ bei 34-37 Prozent – in der Schwankungsbreite war also sogar noch der erste Platz drin. Als nach all den Umfragen der letzten Wochen und der Wahlprognose schließlich die erste Hochrechnung veröffentlicht wurde, bei der die FPÖ bei knapp 30 Prozent lag - 10 Prozent hinter der SPÖ - konnten die meisten WienerInnen nur positiv überrascht sein.

Ich geb‘s zu, ich hab‘ erleichtert aufgeatmet. Man kann im Wahlergebnis das leere und das volle Glas gleichzeitig sehen: Es ist traurig, dass wir uns in einer internationalen Stadt darüber freuen müssen, dass eine rechtspopulistische Partei mit rechtsextremen Auswüchsen bei ca. 30 Prozent liegt. Auf der anderen Seite: Eine bessere Atmosphäre als die sogenannte „Flüchtlingskrise“ kann es für die Mobilisierung rechter WählerInnen nicht geben. Wenn 30 Prozent das Maximum an Stimmen sind, die eine FPÖ gewinnen kann, so können die meisten damit umgehen. Denn: Dass es in Österreich ein konstantes Drittel an Wählerstimmen gibt, das rechtspopulistisch wählt, ist zwar erschreckend - aber bekannt.

Abseits der Wahlberechtigten ist es demokratiepolitisch problematisch, dass ein Viertel der WienerInnen über 16 Jahren nicht wählen darf, weil sie nicht die Staatsbürgerschaft besitzen. Sie haben bei der „Pass-Egal-Wahl“ von SOS Mitmensch gezeigt, dass ihre Inklusion in Wien einen signifikanten Unterschied gemacht hätte. Man muss auch sagen: 70 Prozent der wahlberechtigten WienerInnen, die auch zur Wahl gegangen sind, haben keine rechtspopulistische Partei gewählt.

Es war mutig von Bürgermeister Häupl, sich kurz vor den Wahlen für die Aufnahme von Flüchtlingen einzusetzen. Die Grünen haben zum Thema Flüchtlinge immer klare Positionen bezogen. Sie sind ihrer Parteilinie treu geblieben und auch das wird geschätzt. Für die NEOS, die vom null ins Rathaus eingezogen sind, hat das Thema Flüchtlinge keine Priorität. Viele ihrer WählerInnen schätzen den Wert der Bildungspolitik und die inhaltliche Kompetenz. Aber wie kann man den Aufstieg der FPÖ stoppen?

Ich habe nicht viel Hoffnung, dass die anderen Parteien es schaffen, die Menschen abzuholen, die „Modernisierungsverlierer“ genannt werden und schlicht verbittert sind. Diejenigen, die in Wien am wenigsten zufrieden sind, haben laut Analysen die FPÖ gewählt. Die einzige Kraft, die die FPÖ schwächen kann, ist sie selbst. Traditionellerweise endet jede Regierungsbeteiligung mit einer massiven Schwächung der FPÖ. Wenn sie mal Verantwortung übernimmt, ist der ganze Spuk vorbei. Ich würd' ja fast dazu tendieren zu sagen: „Na dann, lasst sie halt mal ran!“ Doch es sind unsere Enkelkinder, die noch die Schulden und Korruptionsfälle der vergangenen, rechtspopulistischen Regierungsbeteiligungen zahlen müssen.

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

.
Sie kochen, kosten und kreieren: Amina...
.
„Bis ich 13 Jahre alt war, dachte ich,...

Anmelden & Mitreden

2 + 8 =
Bitte löse die Rechnung