#HeadscarfForHarmony: Geht’s noch?

23. März 2019

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Jacinda Ardern
Jacinda Ardern besucht eine muslimische Gemeinde nach dem Anschlag in Christchurch. (C)Wikimedia Commons

Die Neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern ist zurzeit als engagierte Politikerin in aller Munde. Direkt nach der grauenhaften Terrorattacke auf zwei Moscheen suchte sie Kontakt zu den Angehörigen der Opfer. Ihre Reform des Waffengesetzes ist ein starkes Zeichen nach dem kaltblütigen Anschlag, auch wenn es natürlich keine Ursachenbekämpfung für Terrorismus sein kann. Wie viele Schulamokläufe hätten sich beispielsweise in den USA verhindern lassen, hätte man dort längst schärfere Waffengesetze eingeführt? 

Es gehen Bilder um die Welt, auf denen die Politikerin Mitgefühl zeigt, Trost spendet und den Zusammenhalt in dem multiethnischen Lande beschwört. Jacinda Ardern trägt dabei einen Hijab, als Zeichen der Solidarität.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

Jacinda Arderns empathisches Verhalten nach dem Terroranschlag bewundere ich sehr. Aber, dass sie sich öffentlich mit einem Kopftuch zeigt und daraufhin sich andere Bürgerinnen und Bürger dazu aufgefordert fühlen, unter dem Hashtag #HeadscarfForHarmony das Gleiche zu tun, halte ich einfach für grotesk. Es kursiert in den Medien zum Beispiel ein Foto einer neuseeländischen Polizistin mit Kopftuch und Sturmgewehr, welches an fataler Symbolik kaum zu überbieten ist. Das Kopftuch wird dadurch nicht nur zum Identifikationsmerkmal für Muslima auf der ganzen Welt zweckentfremdet, die Aktion ist auch ein Kniefall vor jenem antiemanzipatorischen Aspekt des Islams, in dem das Kopftuch ein Werkzeug der Unterdrückung und ein Symbol der Geschlechterapartheid ist. Dieser undifferenzierte Umgang mit dem Kopftuch bedeutet – wieder einmal – einen Rückschritt für alle feministischen Bestrebungen inner- und außerhalb der Religion. 

Wäre Jacinda Ardern weniger glaubwürdig in ihrem Mitgefühl, wenn sie kein Kopftuch tragen würde? Nein! Wozu braucht es dann diese (leider!) fehlgeleitete Form der Solidarität? Würde sich etwa der ägyptische Regierungschef nach den Anschlägen auf koptische Kirchen jemals mit einem Kreuz um den Hals zeigen? Wohl kaum. Muss er auch nicht.

Ich vermisse gerade in den Medien mehr kritische Stimmen, welche die Problematik hinter Jacinda Arderns Hijab und einer Bewegung wie #HeadscarfForHarmony sehen. Wo bleibt der Aufschrei, wenn sich (aus linksliberaler Perspektive betrachtet) eine weiße, höchstprivilegierte Frau mit Kopftuch zeigt, und mit einem Schlag die arabischen und iranischen Aktivistinnen im Kampf gegen die Verschleierung mundtot macht. Und fast tragisch-komisch wird es, wenn sie gemeinsam mit der Überschrift „Salam“ (dt. Frieden) in Dubai auf den Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt, projiziert wird? In Dubai – einem Ort, der nicht gerade als ein Mekka der Menschenrechte und der Emanzipation gilt. Geht’s noch? 

Doppel-Doppel-Standards hinterfragen

An dieser Stelle möchte ich gerade an Journalistinnen und Journalisten appellieren: Bitte, traut euch, kritisch zu sein! Auch wenn es zunehmend schwieriger wird unbequemere Positionen einzunehmen. Für jemanden mit meinem Aussehen wird die daraus resultierende Gefahr, ins rechte Eck gestellt zu werden, verschwindend gering sein. Aber dann muss man sich auch fragen: Können nur „Weiße“ rechts sein? Inwieweit unterscheiden sich ein rechtskonservatives- und das islamische Weltbild denn überhaupt? Gemeinsam haben sie z.B. dass Frauen nachhause an den Herd und zu den Kindern gehören und ihren Männern Folge zu leisten haben. Es gibt viele Facetten von Doppelstandards. Kritischer Journalismus muss dies alles hinterfragen und auch die Gemeinsamkeiten in den scheinbar rivalisierenden konservativen Milieus aufzeigen können. 

Das Kopftuch ist und wird niemals ein Kleidungsstück sein, das ich mit Feminismus, Frieden und Solidarität in Verbindung setze. Ich finde es mehr als schade, dass eine Frau mit Vorbildfunktion wie Jacinda Ardern sich nicht eingängiger mit der politischen Symbolik des Kopftuches auseinandergesetzt hat. Es wäre auch ohne Hijab gegangen.

 

 

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