,,Ich bin Swinger. Wollen wir uns in der Lobau treffen?''

17. Mai 2016

Über eine der verstörendsten Begegnungen, die ich jemals hatte.

 

Museumsquartier. Neun Uhr morgens. Die Sonne scheint. Schnell trinke ich noch die letzten Schlucke meines morgendlichen Kaffees aus, während Beyoncé wütend ,,Don’t hurt yourself‘‘ in meine Ohren singt. In Gedanken führe ich eine Diskussion darüber, was ich heute zu Mittag essen sollte. Döner oder doch Nudeln?

Noch denke ich mir nichts

Doch dieser geistreiche innere Dialog wird plötzlich durch eine Stimme unterbrochen. ,,Entschuldigen Sie, könnten Sie mir sagen, was das hier ist‘‘, fragt mich ein Mann auf Englisch. Ich erkläre ihm, dass es ein Theater ist. Wie sich herausstellt, kommt er aus Kroatien und ist Tourist. Ich lächle freundlich und will eigentlich schon weiter. Spätestens um Viertel nach neun muss ich in der Redaktion sein. Doch er plappert weiter, über Sternzeichen und Mode, die er designt. Und im Wald fotografiert. Noch denke ich mir nichts. Ich will nicht unhöflich sein und lasse ihn weiterreden.

Ein offener Mensch

Nach einiger Zeit beginnt er sich plötzlich zu beschweren, dass es in Wien keine Natur gäbe. Als treue Donaustädterin konterte ich natürlich mit der Lobau und der Alten Donau. Dennoch hörte er nicht auf, sich über Österreich zu beschweren. Darauf meint er, dass die Leute hier so verschlossen wären. In Kroatien seien sie alle offen. Das kann ich mir gut vorstellen und antworte nur: ,,Kann sein, die Leute sind halt so hier.‘‘ Doch noch weiß ich nicht, was er mit Offenheit meint.

,,Ich bin Swinger.‘‘

,,Letztens wollte ich mich mit einem Mädchen treffen. In der Lobau. Sie hat ja gesagt, dann sagt sie mir ab. So komisch, die Leute hier.‘‘ Ich weiß nicht so recht, was ich antworten soll. Doch ich frage mich, woher er die Lobau kennt, wenn er doch Tourist ist. Doch mein Gedankengang wird unterbrochen. Durch eine der verstörendsten Aussagen, die ich je gehört habe. ,,Ich bin Swinger. Wollen wir uns in der Lobau treffen?‘‘ Zuerst glaube ich, mich verhört zu haben. Er hat sicher Singer gemeint, denke ich. Doch er wiederholt sich: ,,Für Sex.‘‘ Faselt irgendetwas von freier Liebe und so. Ich starre ihn entsetzt an. Bin sprachlos. Was läuft bitte mit diesem Kerl falsch?

In Österreich ist man nicht frei?

Mit seiner sexuellen Offenbarung beginne ich auch mehr und mehr merkwürdige Details an seinem Aussehen zu finden: Er trägt eine Strumpfhose, abgewetzte Sandalen, eine Feder auf seinem Rucksack. Ich beginne langsam, mich weiterzubewegen. Er geht mit mir mit. Mist. Da ich nicht auf seine Frage eingegangen bin, also sie einfach ignoriert habe, beginnt er, Österreich weiter schlechtzumachen. In Österreich sei man nicht frei und könne nicht tun was man will. Innerlich habe ich ihn schon als völligen Schwachkopf und Perversling abgestempelt. Es wäre eine Zeitverschwendung mit ihm zu diskutieren. Als er wiederholt Österreicher als distanziert und unfreundlich beschreibt, reicht es mir. Wenn man ein Land nicht mag, reist man nicht dorthin. Keiner zwingt einen. ,,In Österreich spricht man halt nicht irgendwelche Mädchen an und fragt sie nach Sex‘‘, fahre ich ihn an und gehe wütend weg. ,,Bitch!‘‘, höre ich ihn nur nachrufen.

Es passiert so vielen

Ich biege um die Ecke und schaue, ob er mich eh nicht verfolgt. Ich zittere am ganzen Körper. Plötzlich muss ich vor lauter Unglauben lachen. Ist das echt gerade passiert? Wie viele Mädchen erleben derartige Begegnungen? Wieviele schreiben darüber?

 

 

 

Wenn ihr eure Story auch mitteilen oder sie einfach mal loswerden wollt, schreibt mir. Schreibt mir, wie viele Idioten es da draußen gibt. Und lasst uns dagegen schreiben.

Email: mohammadi@dasbiber.at

Blogkategorie: 

Das könnte dich auch interessieren

.
„Bis ich 13 Jahre alt war, dachte ich,...
Collage: Zoe Opratko
   Keine Bevölkerungsgruppe wird in...
Illustration: Aliaa Abou Khaddour
„Bin ich gut genug? Habe ich verdient,...

Anmelden & Mitreden

11 + 6 =
Bitte löse die Rechnung